Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 660/05
Urteil vom 1. Mai 2006
III. Kammer
Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Seiler; Gerichtsschreiber Fessler
Parteien
D.________, 1948, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Domenico Acocella, Herrengasse 3, 6430 Schwyz,
gegen
IV-Stelle Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Schwyz
(Entscheid vom 10. August 2005)
Sachverhalt:
A.
Der 1948 geborene D.________, Inhaber eines Gipsergeschäftes, verletzte sich am 13. September 1999 bei einem Sturz von der Leiter auf einer Baustelle am Rücken (Th 12-Kompressionsfraktur) und am linken Bein (nicht dislozierte Unterschenkelfraktur und dislozierte Fraktur des Malleolus medialis). Wegen persistierender Beschwerden bei eingeschränkter Arbeitsfähigkeit meldete er sich im Juli 2000 bei der Invalidenversicherung zum Bezug von Leistungen (berufliche Eingliederungsmassnahmen, Rente) an. Nach Abklärung der gesundheitlichen und betriebswirtschaftlichen Verhältnisse sprach die IV-Stelle Schwyz mit Verfügungen vom 7. April 2003 D.________ für die Zeit vom 1. September 2000 bis 31. Juli 2001 eine halbe, für die Monate August und September 2001 eine ganze und ab 1. Oktober 2001 wiederum eine halbe Rente samt Zusatzrente für seine Ehefrau zu. Mit Einspracheentscheid vom 21. Februar 2005 bestätigte die Verwaltung die Leistungszusprechung.
B.
Die Beschwerde des D.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 10. August 2005 ab.
C.
D.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, Gerichtsentscheid und Einspracheentscheid seien insofern aufzuheben, als ihm auch für die Zeit vom 1. September 2000 bis 31. Juli 2001 sowie ab 1. Oktober 2001 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen sei.
IV-Stelle und kantonales Gericht beantragen jeweils die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung ab 1. September 2000.
1.1 Für die Bemessung der Invalidität bei erwerbstätigen Versicherten wird das Erwerbseinkommen, das sie nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihnen zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnten (Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnten, wenn sie nicht invalid geworden wären (Valideneinkommen; alt Art. 28 Abs. 2 IVG und Art. 16 ATSG). Der Vergleich hat in der Regel in der Weise zu erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmässig möglichst genau ermittelt und einander gegenübergestellt werden. Aus der Einkommensdifferenz lässt sich der Invaliditätsgrad bestimmen. Insoweit die fraglichen Erwerbseinkommen ziffernmässig nicht genau ermittelt werden können, sind sie nach Massgabe der im Einzelfall bekannten Umstände zu schätzen und die so gewonnenen Annäherungswerte miteinander zu vergleichen. Wird eine Schätzung vorgenommen, so muss diese nicht unbedingt in einer ziffernmässigen Festlegung von Annäherungswerten bestehen. Vielmehr kann auch eine Gegenüberstellung blosser Prozentzahlen genügen. Das ohne Invalidität erzielbare hypothetische Erwerbseinkommen ist alsdann mit 100 % zu bewerten, während das Invalideneinkommen auf einen entsprechend kleineren Prozentsatz veranschlagt wird, sodass sich aus der Prozentdifferenz der Invaliditätsgrad ergibt (allgemeine Methode des Einkommensvergleichs mit den Untervarianten Prozent- und Schätzungsvergleich; BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 f. Erw. 2b; vgl. auch BGE 114 V 313 Erw. 3a mit Hinweisen).
1.2 Die rechnerische Bestimmung von Validen- und Invalideneinkommen hat so konkret wie möglich zu erfolgen. Es ist primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person steht. Übt sie nach Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung eine Erwerbstätigkeit aus, bei der besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind, ist weiter anzunehmen, dass sie die ihr verbliebene Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft und erscheint das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn, gilt grundsätzlich der damit erzielte Verdienst als Invalidenlohn (BGE 129 V 475 Erw. 4.2.1, 126 V 76 Erw. 3b/aa mit Hinweisen).
Bei selbstständigerwerbenden Versicherten im Besonderen fällt die Ermittlung des Invaliditätsgrades aufgrund der konkreten beruflich-erwerblichen Situation namentlich dann ausser Betracht, wenn volks- und betriebswirtschaftliche Faktoren (u.a. Konjunkturlage und -entwicklung, Konkurrenzsituation, Mitarbeit von Familienangehörigen) die Geschäftsergebnisse vor und nach Eintritt des Gesundheitsschadens beeinflussen und die hinreichend genaue Bestimmung der auf dem eigenen Leistungsvermögen beruhenden Einkommensschöpfung nicht zulassen (AHI 1998 S. 254 Erw. 4a; Urteil P. vom 8. September 2003 [I 388/03] Erw. 2.2.1; vgl. auch AHI 1998 S. 122 f. Erw. 2c).
1.3 Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (BGE 130 V 343) und nach In-Kraft-Treten der 4. IV-Revision (Bundesgesetz und Verordnung vom 21. März und 21. Mai 2003) am 1. Januar 2004.
2.
Das kantonale Gericht hat aufgrund eines Einkommensvergleichs einen Invaliditätsgrad von 51,5 % ermittelt, was Anspruch auf eine halbe Invalidenrente gibt (Art. 28 Abs. 1 IVG). Für die Monate August und September 2001 besteht als Folge der Arbeitsunfähigkeit nach der Schulteroperation vom 10. Mai 2001 insoweit unbestritten Anspruch auf eine ganze Rente (vgl. Art. 88a IVV). Das Valideneinkommen (Fr. 89'980.-) hat die Vorinstanz dem mit dem Indexquotient '148,3 (00)/142,3(95)' auf 2001 umgerechneten durchschnittlichen Betriebsgewinn der sieben Geschäftsjahre 1992/93 bis 1998/99, das Invalideneinkommen (Fr. 43'700.-) dem Betriebsgewinn für das Geschäftsjahr 2001 von Fr. 36'699.- zuzüglich Fr. 7000.- für nicht geschäftsmässig begründete Büro- und Verwaltungskosten in der Erfolgsrechnung gleichgesetzt. Die Betriebsergebnisse von Fr. 94'680.60 (1992/93), Fr. 112'755.80 (1993/94), Fr. 136'345.90 (1994/95), Fr. 97'520.35 (1995/96), Fr. 38'547.35 (1996/97), Fr. 32'970.- (1997/98), Fr. 91'553.70 (1998/99), Fr. 36'699.30 (2001) und der Indexquotient '148,3 (00)/142,3(95)' stammen aus dem Abklärungsbericht für Selbstständigerwerbende vom 16. Dezember 2002. Die Zahlen sind unbestritten.
Nach zutreffender Auffassung des kantonalen Gerichts besteht kein Raum für das ausserordentliche Bemessungsverfahren. Der Versicherte war nach eigenen Angaben 2001 bis auf eine Aushilfe die einzige noch im Betrieb arbeitende Person. Für dieses Jahr resultierte ein Betriebsertrag von rund Fr. 155'000.-, was selbst verglichen mit den gewinnschwachen Geschäftsjahren 1996/97 und 1997/98 eine Abnahme von 75 % bedeutete. Sodann bestand 2001 lediglich noch eine minimale betriebliche Infrastruktur. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht geltend gemacht, die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich seither bis zum Einspracheentscheid vom 21. Februar 2005 wesentlich geändert. Unter diesen Umständen ist ein zuverlässiger Betätigungsvergleich mit erwerblicher Gewichtung im Sinne des ausserordentlichen Bemessungsverfahren nicht möglich (vgl. ZAK 1990 S. 519 Erw. 3b und RKUV 1995 Nr. U 220 S. 107).
3.
3.1 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird die Berücksichtigung der Betriebsgewinne 1996/97 (Fr. 38'547.35), 1997/98 (Fr. 32'970.-) und 1998/99 (Fr. 91'553.70) bei der Ermittlung des Valideneinkommens beanstandet. Es wird im Wesentlichen geltend gemacht, es sei eine Tatsache, dass in den Neunzigerjahren in der Baubranche eine Rezession geherrscht habe, die in den Jahren 1996 bis 1999 ihre Talsohle durchlaufen habe. In diesem Zeitraum sei der Umsatz eingebrochen. Eine allenfalls aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht optimale Personalpolitik im Sinne einer Verzögerung in der Senkung der Personalkosten sei für die Gewinnrückgänge nicht der überwiegende und schon gar nicht der alleinige Grund gewesen. Nach Auffassung des kantonalen Gerichts sind die tiefen Betriebsgewinne 1996/97 und 1997/98 nicht oder jedenfalls nicht ausschliesslich rezessionsbedingt. Im Abklärungsbericht für Selbstständigerwerbende vom 16. Dezember 2002 werde als Erklärung eine falsche Personalpolitik genannt. Dies lasse sich anhand des Verhältnisses von Personalaufwand und Betriebsertrag erhärten, welches für die erwähnten Geschäftsjahre 59 % und 61 % gegenüber maximal 49 % in den Vorjahren resp. gegenüber dem Geschäftsjahr 1998/99 betrage. Es bestehe daher kein Anlass, die Betriebsgewinne 1996/97 und 1997/98 von der Bemessung des Valideneinkommens auszuklammern.
3.2 Dass eine zumindest rückblickend nicht als optimal zu bezeichnende Personalpolitik in dem Sinne, dass im Verhältnis zum Auftragsbestand zu viele Arbeitnehmer beschäftigt waren, mit ein Grund für die tiefen Betriebsgewinne 1996/97 und 1997/98 war und dieser Umstand allein es nicht rechtfertigt, die Ergebnisse dieser beiden Geschäftsjahre bei der Bemessung des Valideneinkommens nicht zu berücksichtigen, steht zu Recht ausser Frage. Soweit geltend gemacht wird, der Gewinnrückgang habe rein rezessionsbedingt zu gelten, ist Folgendes zu beachten. Unbestritten herrschte im gesamten Bemessungszeitraum 1992 bis 1999 im Baugewerbe Rezession. Dies spricht dagegen, Geschäftsjahre allein deshalb von der Bemessung des Valideneinkommens auszuklammern, weil sie vergleichsweise tiefe Betriebsgewinne ausweisen. Vielmehr müssten konsequenterweise Geschäftsjahre mit überdurchschnittlich hohen Gewinnen ebenfalls ausser Acht bleiben. Ein solches Vorgehen ist vorliegend jedoch umso weniger angezeigt, als abgesehen vom Geschäftsjahr 1995/96 die Betriebserträge zwischen Fr. 537'475.- (1992/93) und Fr. 744'856.75 lagen und in den gewinnschwächsten Jahren Fr. 625'587.10 (1996/97) und Fr. 626'795.90 (1997/98) betrugen (Abklärungsbericht für Selbstständigerwerbende vom 16. Dezember 2002).
3.3 Das Valideneinkommen entspricht somit dem durchschnittlichen Betriebsgewinn der Geschäftsjahre 1992/93 bis 1998/99 von Fr. 86'339.-, angepasst an die Nominallohnentwicklung im Baugewerbe von 1995 bis 2001 (1,2 % [1995/96], 0,2 % [1996/97], 0,4 % [1997/98], -0,5 % [1998/99], 1,9 % [1999/2000] und 2,8 % [2000/01]) (Die Volkswirtschaft 8/2001 S. 93 und 8/2003 S. 91, je Tabelle B10.2; Urteil Z. vom 6. Juni 2005 [I 499/04] Erw. 5 mit Hinweisen; BGE 129 V 222). Dies ergibt Fr. 91'617.70.
4.
In Bezug auf das Invalideneinkommen ist einzig die vom kantonalen Gericht vorgenommene Aufrechnung von Fr. 7000.- für nicht geschäftsmässig begründete Büro- und Verwaltungskosten in der Erfolgsrechnung zum Betriebsgewinn 2001 von Fr. 36'699.30 streitig. Die Vorinstanz hat diese Korrektur nach oben damit begründet, laut Abklärungsbericht handle es sich hiebei um Buchhaltungs- und Anwaltskosten, welche «in direktem Zusammenhang mit der Behinderung» stünden. Sie seien somit zum Betriebsgewinn hinzuzuzählen. Gemäss Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde standen die fraglichen Kosten in Zusammenhang mit einer Werkvertragsforderung und einem fehlgeschlagenen Überbauungsprojekt und waren demzufolge eindeutig geschäftsmässig begründet. Die Richtigkeit dieser Tatsachenbehauptung kann aufgrund der eingereichten Unterlagen nicht in zuverlässiger Weise beurteilt werden. Dieser Punkt ist indessen bedeutsam, resultierte doch bei einem Invalideneinkommen von Fr. 36'699.30 ein Invaliditätsgrad von 59,94 % oder gerundet 60 % (BGE 130 V 121), was ab 1. Januar 2004 Anspruch auf eine Dreiviertelsrente gäbe (Art. 28 Abs. 1 IVG).
Die IV-Stelle wird die noch offene Frage abzuklären haben und danach über die Rente neu verfügen.
5.
Der Beschwerdeführer hat nach Massgabe seines teilweisen Obsiegens Anspruch auf eine Parteientschädigung ( Art. 159 Abs. 1 und 3 OG in Verbindung mit Art. 135 OG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 10. August 2005 und der Einspracheentscheid vom 21. Februar 2005 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle Schwyz zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne von Erwägung 4 verfahre.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Die IV-Stelle Schwyz hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1200.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz hat die Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses festzusetzen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, der Ausgleichskasse Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 1. Mai 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: