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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_196/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 1. Juli 2016  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marco Chevalier, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Gutachterauftrag; Ausstandspflicht, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 19. Januar 2016 des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft führt gegen A.________ ein Strafverfahren wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 2 SVG). Sie wirft ihm vor, am 6. Mai 2015 in Muttenz die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 26 km/h überschritten zu haben, dies unter Abzug einer Sicherheitsmarge von 3 km/h. A.________ machte in der Folge geltend, die Messung sei fehlerhaft gewesen, worauf die Staatsanwaltschaft ihm mitteilte, sie beabsichtige, zu dieser Frage von B.________ am Eidgenössischen Institut für Metrologie (METAS) ein Gutachten einzuholen. Sie gab A.________ Gelegenheit, sich zur sachverständigen Person und zu den Fragen zu äussern und dazu eigene Anträge zu stellen. Mit Schreiben vom 4. November 2015 machte A.________ geltend, B.________ sei befangen. Am 12. November 2015 teilte ihm die Staatsanwaltschaft mit, sie halte an B.________ als Gutachter fest. Gleichentags beauftragte sie diesen mit der Begutachtung. 
Eine von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Beschluss vom 19. Januar 2016 ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht vom 30. Mai 2016 beantragt A.________, der Beschluss des Kantonsgerichts und der Gutachtensauftrag seien aufzuheben. Die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, eine neutrale Stelle mit der Begutachtung zu beauftragen. Eventualiter solle das Bundesgericht selbst die Begutachtung durch eine neutrale Stelle anordnen. 
Das Kantonsgericht und die Staatsanwaltschaft beantragen die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein selbständig eröffneter, kantonal letztinstanzlicher Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren in einer Strafsache (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1 und Art. 92 BGG). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde berechtigt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
Das Kantonsgericht ging davon aus, es habe als Rechtsmittelinstanz zu entscheiden und qualifizierte den Gutachtensauftrag vom 12. November 2015 als Anfechtungsobjekt. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat die Beschwerdeinstanz indessen Ausstandsgesuche gegen Sachverständige in analoger Anwendung von Art. 59 Abs. 1 lit. b StPO als erste Instanz zu beurteilen (Urteil 1B_488/2011 vom 2. Dezember 2012 E. 1.1). Diesen Verfahrensfehler macht der Beschwerdeführer freilich nicht geltend und er wirkte sich auch nicht zu seinem Nachteil aus. 
 
3.  
 
3.1. Für Sachverständige gelten die Ausstandsgründe nach Art. 56 lit. a-f StPO (Art. 183 Abs. 3 StPO). Gemäss lit. f tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person in den Ausstand, wenn sie aus anderen als den in lit. a-e genannten Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte. Das Erfordernis der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Sachverständigen ergibt sich verfassungsrechtlich aus Art. 29 Abs. 1 BV und deckt sich inhaltlich mit dem aus Art. 30 Abs. 1 BV fliessenden Anspruch auf einen unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter (BGE 132 V 93 E. 7.1 S. 109).  
Voreingenommenheit bzw. Befangenheit werden bejaht, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu wecken. Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Sachverständigen oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Hierbei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen; das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit hat vielmehr in objektiver Weise begründet zu sein. Der Ausgang des Verfahrens muss aus Sicht aller Beteiligten als offen erscheinen. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Sachverständige tatsächlich voreingenommen ist, es genügt, wenn die Gegebenheiten den Anschein der Befangenheit zu begründen vermögen (BGE 140 I 326 E. 5.1 S. 328 mit Hinweis). 
 
3.2. Im Gutachtensauftrag vom 12. November 2015 führte die Staatsanwaltschaft aus, gemäss dem Bericht der Polizei Basel-Landschaft vom 7. Oktober 2015 sei die Anlage vom 12. Februar 2015 bis zum 11. Mai 2015 am betreffenden Standort in Muttenz betrieben worden. Zwecks technischer Optimierungsmassnahmen habe sie sich vom 14. Februar 2015 bis zum 20. April 2015 beim Hersteller im Werk befunden. Aufgrund dessen und weil die Anlage am 12. Mai 2015 einen Defekt aufgewiesen habe, stelle sich der Beschuldigte auf den Standpunkt, es bestünden Zweifel an der Richtigkeit der Messung. Dem Gutachter unterbreitete die Staatsanwaltschaft folgende Fragen:  
 
"1.       Die fragliche Geschwindigkeitsmessanlage wurde gemäss Eichzertifikat              Nr. 258-21774 (act. 107) am 05.12.2014 geeicht. War diese Eichung trotz       der durchgeführten technischen Optimierungen durch den Hersteller gültig       oder hätte die Anlage nach diesen Optimierungsarbeiten neu geeicht wer-       den müssen? 
2. Lag somit zum Messzeitpunkt am 06.05.2015 eine gültige Eichung der Geschwindigkeitsmessanlage vor? 
3. Verfügt die Geschwindigkeitsmessanlage über Sicherheitssysteme (Selbsttests), welche gewährleisten, dass bei einem allfälligen Defekt keine Messungen ausgeführt werden? 
4. Wie verhält sich die Geschwindigkeitsmessanlage, wenn diese beim Selbsttest eine Unregelmässigkeit feststellt? 
5. Kann nachträglich überprüft werden, ob die Geschwindigkeitsmessanlage am 06.05.2015 ordnungsgemäss funktioniert hat? 
6. Kann konkret bezogen auf die Geschwindigkeitsmessung des Wagens des Beschuldigten [...] eine Aussage darüber gemacht werden, ob eine gültige Messung vorliegt oder gibt es Hinweise auf Unregelmässigkeiten? 
7. Mit welcher Technik misst diese Geschwindigkeitsanlage die Geschwindigkeit (Laser oder Radar) und welche Sicherheitsabzüge gemäss Art. 8 VSKV-ASTRA müssen gewährt werden? 
8. Lässt sich die Geschwindigkeit des Wagens des Beschwerdeführers mit einer alternativen Berechnungsmethode bestimmen und wenn ja, auf welche Weise? 
9. Falls die Geschwindigkeit alternativ bestimmt werden kann, mit welcher Geschwindigkeit ist der Beschuldigte mindestens gefahren? 
10. Allenfalls weitere sachdienliche Hinweise oder Ausführungen Ihrerseits." 
 
 
3.3. Das Kantonsgericht legte dar, gemäss den Akten habe der designierte Sachverständige das Eichzertifikat für die in Frage stehende Geschwindigkeitsmessanlage als Bereichsleiter Verkehr, Akustik und Vibration des METAS freigegeben. Im Rahmen des Gutachtens habe er indessen nicht die Gerätezulassung oder die Geräteeichung vom 5. Dezember 2014 zu prüfen. Vielmehr gehe es darum, ob die Geschwindigkeitsmessung korrekt erfolgt sei.  
 
3.4. Der Beschwerdeführer bringt demgegenüber vor, es liege in der Verantwortlichkeit des METAS zu gewährleisten, dass nur korrekt geeichte Messgeräte in Betrieb seien. Ausserdem sei es gemäss Art. 7 der Messmittelverordnung vom 15. Februar 2006 (MessMV; SR 941.210) zuständig für die technischen Normen und normativen Dokumente, die einwandfreie Messungen garantieren sollten. Es sei allgemein anzunehmen, dass B.________ geneigt sei, das METAS nicht zu kritisieren, zumal er dort in leitender Stellung tätig sei. Insbesondere habe B.________ auch die Frage zu beantworten, ob zum Messzeitpunkt am 6. Mai 2015 eine gültige Eichung vorgelegen habe (Gutachtensfrage 2). Dies betreffe einerseits allfällige Pflichtverletzungen der Polizei, falls diese die Anlage verwendet habe, ohne sie vorher eichen zu lassen. Andererseits könnte die Antwort darauf auch den Gutachter oder das METAS belasten. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn die ein halbes Jahr zuvor erfolgte Eichung nicht mehr gültig sei, ohne dass dies für die Behörden erkennbar gewesen sei. Diesfalls hätte nämlich das METAS die Polizei informieren müssen.  
 
3.5. Das Bundesgericht hat sich bereits im Urteil 6B_679/2011 vom 19. Dezember 2011 mit der sich hier stellenden Frage befasst. Der Beschwerdeführer jenes Verfahrens hatte ebenfalls geltend gemacht, der Gutachter des METAS sei befangen, weil er sich dazu äussern müsse, ob das von ihm geeichte Messgerät korrekt funktioniert habe. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass diese Mitwirkung an der Installation der Anlage noch keine Befangenheit bewirke (a.a.O., E. 1). Vorliegend verhält es sich nicht anders. In Bezug auf die Eichung hat der Sachverständige insbesondere die Frage zu beantworten, ob die Eichung vom 5. Dezember 2014 trotz der später durchgeführten technischen Optimierungen durch den Hersteller noch gültig war oder ob sie erneut hätte geeicht werden müssen. Weshalb der Sachverständige sich selbst oder das METAS belasten würde, wenn er von der Notwendigkeit einer erneuten Eichung nach diesen Arbeiten ausginge, ist nicht einsichtig. Nach Art. 21 Abs. 1 MessMV ist die Verwenderin dafür verantwortlich, dass das von ihr verwendete Messmittel den rechtlichen Anforderungen entspricht und die Verfahren zur Erhaltung der Messbeständigkeit (Art. 24 MessMV) durchgeführt werden. Auch die übrigen an den Sachverständigen gerichteten Fragen lassen keine Gefahr von Interessenkonflikten erkennen. Die Vorinstanz verletzte deshalb kein Bundesrecht, wenn sie B.________ als nicht befangen erachtete.  
 
4.  
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Das Gesuch des Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens wird damit gegenstandslos. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1-2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. Juli 2016 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold