Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_299/2023
Urteil vom 1. September 2023
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Hohl, Kiss,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin May Canellas,
Gerichtsschreiber Brugger.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph D. Studer,
Beschwerdeführerin,
gegen
Stefan Jaissle,
Bezirksgericht Winterthur,
Beschwerdegegner,
B.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Brigitte Bitterli,
Gegenstand
Ausstand, verspätete Geltendmachung,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 3. Mai 2023 (RB230012-O/U).
Sachverhalt:
A.
Am 10. Mai 2021 reichte A.________ (Klägerin, Beschwerdeführerin) gegen B.________ (Beklagter) am Bezirksgericht Winterthur eine Forderungsklage über Fr. 360'000.-- ein. Sämtliche in diesem Verfahren ergangenen Verfügungen wurden von Dr. Stefan Jaissle, Leitender Gerichtsschreiber am Bezirksgericht Winterthur, als (nebenamtlicher) Ersatzrichter und Referent erlassen. Dieser leitete auch die Instruktionsverhandlung vom 3. November 2021.
B.
Am 12. Dezember 2022 stellte die Klägerin gegen Dr. Stefan Jaissle (Beschwerdegegner) ein Ausstandsgesuch. Sie berief sich auf die Bundesgerichtsurteile 1B_420/2022 vom 9. September 2022 (= BGE 149 I 14) und 1B_519/2022 vom 1. November 2022. Damit befand das Bundesgericht, dass die Einsetzung eines Gerichtsschreibers oder einer Gerichtsschreiberin der entscheidenden Kammer des Obergerichts des Kantons Zürich als Ersatzoberrichter bzw. Ersatzoberrichterin in eben dieser Kammer nicht mit dem Anspruch auf ein unabhängiges Gericht zu vereinbaren ist. Auch Einflüsse, die sich aus informellen Hierarchien ergeben könnten, seien geeignet, die interne richterliche Unabhängigkeit zu gefährden.
Mit Beschluss vom 2. Februar 2023 wies das Bezirksgericht Winterthur das Ausstandsgesuch ab.
Dagegen erhob die Klägerin Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Das Ausstandsbegehren sei gutzuheissen und es sei festzustellen, dass Dr. Stefan Jaissle im vorliegenden Verfahren in den Ausstand treten muss.
Mit Urteil vom 3. Mai 2023 wies das Obergericht die Beschwerde ab. Es erwog, die Klägerin habe trotz Tragung der diesbezüglichen Behauptungs- und Beweislast weder die genauen Umstände noch den exakten Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Ausstandsgrunds substantiiert. Es sei daher nicht möglich, die Rechtzeitigkeit des Ausstandsbegehrens zu beurteilen bzw. es könne nicht bejaht werden, dass die Klägerin unverzüglich reagiert habe. Ohnehin sei der Klägerin das Tatsachenfundament, auf das sie ihr Ausstandsbegehren stütze, bereits nach Erhalt der ersten Verfügung im bezirksgerichtlichen Verfahren vom 14. Mai 2021 bekannt gewesen, nämlich die Besetzung des zuständigen Spruchkörpers mit dem Beschwerdegegner als Ersatzrichter und Referenten, der als Leitender Gerichtsschreiber am Bezirksgericht Winterthur - nach Auffassung der Klägerin - in einem Subordinationsverhältnis zu allen in Betracht kommenden ordentlichen Mitgliedern des Bezirksgerichts Winterthur stehe. Es ging daher von einem verspäteten Ausstandsgesuch aus und schützte dessen Abweisung durch das Bezirksgericht im Ergebnis.
C.
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Obergerichts vom 3. Mai 2023 sei aufzuheben und "es sei festzustellen, dass der Referent, Ersatzrichter Dr. Stefan Jaissle, Leitender Gerichtsschreiber am urteilenden Bezirksgericht, im vorliegenden Verfahren befangen ist und in den Ausstand treten muss". Eventualiter ersucht sie um Rückweisung an das Obergericht zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen.
Sowohl die Vorinstanz als auch der Beschwerdegegner verzichteten auf Vernehmlassung, ebenso der Beklagte "aus prozessökonomischen Gründen".
Erwägungen:
1.
Das angefochtene Urteil der Vorinstanz ist eine Zwischenverfügung nach Art. 92 BGG betreffend Ausstand und als solche selbstständig anfechtbar. Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
Auf das Hauptbegehren auf Feststellung, dass der Beschwerdegegner befangen sei und in den Ausstand zu treten habe, kann allerdings nicht eingetreten werden, da nicht dargetan ist, weshalb ein blosses Feststellungsbegehren zulässig sein soll. Insbesondere wird das Feststellungsinteresse nicht ausgewiesen. Einzutreten ist hingegen auf das eventualiter gestellte Rückweisungsbegehren. Ohnehin ist dieses hier einzig am Platz, nachdem die Vorinstanz die Beschwerde wegen Verspätung des Ausstandsbegehrens abgewiesen, demnach die Begründetheit desselben nicht geprüft und dazu keine Feststellungen getroffen hat. Entsprechend kommt nicht in Frage, dass das Bundesgericht bei Gutheissung der Beschwerde einen reformatorischen Entscheid fällt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde ist demnach nicht einzugehen.
2.
2.1. Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens im Einzelfall beitragen und damit ein gerechtes Urteil ermöglichen. Sie wird verletzt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, die also geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Bei ihrer Beurteilung ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Entscheidendes Kriterium ist, ob bei objektiver Betrachtung der Ausgang des Verfahrens als noch offen erscheint (BGE 147 III 89 E. 4.1, 379 E. 2.3.1; 142 III 732 E. 4.2.2; 141 IV 178 E. 3.2.1; 140 III 221 E. 4.1; je mit weiteren Hinweisen). Dabei kann die Garantie des unabhängigen und unbefangenen Gerichts insbesondere durch organisatorische Gegebenheiten tangiert sein (BGE 149 I 14 E. 5.3.2; 147 III 577 E. 6, 89 E. 4.2.1; 147 I 173 E. 5.1).
2.2. Eine Partei, die eine Gerichtsperson ablehnen will, hat dem Gericht unverzüglich ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis erhalten hat. Die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 49 Abs. 1 ZPO). Der Ausstand wirkt grundsätzlich nur für die Zukunft. Will eine Partei eine zuvor erfolgte Amtshandlung aufheben lassen, hat sie dies innert 10 Tagen seit Entdeckung des Ausstandsgrunds zu verlangen (so Art. 51 Abs. 1 ZPO), ansonsten Genehmigung angenommen wird. Diese Regeln sind Ausdruck des Beschleunigungsgebots und des Prinzips von Treu und Glauben. Macht die Partei den Ausstandsgrund nicht unverzüglich geltend, verwirkt sie das Recht auf dessen spätere Anrufung (BGE 149 III 12 E. 3.2.1; 143 V 66 E. 4.3; 139 III 120 E. 3.2.1; 138 I 1 E. 2.2; vgl. auch BGE 132 II 485 E. 4.3).
2.3. Sind allerdings die Umstände, die den Anschein der Befangenheit bewirken, derart offensichtlich, dass der Richter von sich aus hätte in den Ausstand treten müssen, ist dies stärker zu gewichten als eine verspätete Geltendmachung (BGE 139 III 120 E. 3.2.2; 134 I 20 E. 4.3.2).
2.4. Das Bundesgericht liess offen, ob "unverzüglich" mehr als 10 Tage bedeuten könne (Urteil 4A_600/2015 vom 1. April 2016 E. 6.3 i.V.m. E. 3). Ein Ausstandsgesuch, das 40 Tage nach Kenntnisnahme vom Ausstandsgrund gestellt wurde, taxierte das Bundesgericht als offensichtlich verspätet und als nicht mehr unverzüglich im Sinne von Art. 49 Abs. 1 ZPO (Urteil 4A_104/2015 vom 20. Mai 2015 E. 6). Auch ein erst 24 Tage nach Kenntnis des Ausstandsgrunds eingereichtes Ausstandsgesuch beurteilte es als verspätet (Urteil 4A_56/2019 vom 27. Mai 2019 E. 4.2).
3.
3.1. Die Vorinstanz stellte fest, die Beschwerdeführerin leite den Anschein der Befangenheit aus dem Umstand ab, dass der Referent in seiner Hauptfunktion Leitender Gerichtsschreiber am Bezirksgericht Winterthur sei und damit zu den am Entscheid mitwirkenden ordentlichen Gerichtsmitgliedern respektive zur Gerichtskammer in einem Subordinationsverhältnis stehe. Sie mache somit einen Ausstandsgrund organisatorischer Natur geltend, wobei sie sich auf zwei Urteile des Bundesgerichts 1B_420/2022 vom 9. September 2022 und 1B_519/2022 vom 1. November 2022 berufe.
Dieser Umstand sei der Beschwerdeführerin bereits nach Erhalt der ersten Verfügung vom 14. Mai 2021 bekannt gewesen. Den Einwand, dass der Beschwerdeführerin zu jenem Zeitpunkt die konkrete Spruchkörperbesetzung, mit welcher der Beschwerdegegner zusammenwirken würde, noch nicht mitgeteilt worden sei, liess die Vorinstanz nicht gelten. Denn nach Auffassung der Beschwerdeführerin stehe der Leitende Gerichtsschreiber am Bezirksgericht Winterthur zu allen in Betracht kommenden ordentlichen Mitgliedern des Bezirksgerichts Winterthur in einem Subordinationsverhältnis, was ihr ebenfalls bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei.
3.2. Dem tritt die Beschwerdeführerin mit dem Argument entgegen, bis zu den angerufenen Bundesgerichtsentscheiden habe sie angesichts der jahrzehntelang praktizierten Einsetzung von (Leitenden) Gerichtsschreibern als Ersatzrichter an den betroffenen Zürcher Gerichten davon ausgehen dürfen, dass diese Praxis von den Gerichten nicht als Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit beurteilt werden würde. Sie habe daher erst nach Kenntnisnahme des Bundesgerichtsentscheids vom 1. November 2022 die mögliche Gerichtsbesetzung abgeklärt und in der Folge unverzüglich ein Ausstandsgesuch gestellt.
3.3. Diese Argumentation überzeugt nicht. Kenntnis des Ausstandsgrunds erfordert, dass einerseits die Mitwirkung der betroffenen Gerichtsperson bekannt ist und andererseits die Umstände, die deren Befangenheit begründen. Beides lag hier bereits nach Erhalt der ersten Instruktionsverfügung des Beschwerdegegners vom 14. Mai 2021 vor. Damit wusste die Beschwerdeführerin, dass ihre Klage vom Leitenden Gerichtsschreiber als Ersatzrichter instruiert wird und dieser am Entscheid als Referent mitwirkt. Sie kannte also die Gerichtsperson, die nach ihrer Meinung befangen ist. Auch war ihr bereits zu jenem Zeitpunkt die personalrechtliche Stellung des Leitenden Gerichtsschreibers bekannt, aus der sie die Befangenheit ableitet. Sie hatte damit volle Kenntnis der massgebenden Umstände, um den Ausstandsgrund geltend zu machen.
Dass sie zu jenem Zeitpunkt die konkrete Besetzung des gesamten Spruchkörpers noch nicht kannte, ändert daran nichts. Denn sie beanstandet den Einsatz des Leitenden Gerichtsschreibers als Ersatzrichter in grundsätzlicher Hinsicht, also selbst wenn er als Einzelrichter in ihrem Fall urteilen würde, weil er seine rechtsprechende Funktion nicht in innerer Unabhängigkeit von den ordentlichen Mitgliedern des Bezirksgerichts Winterthur wahrnehmen könne. Zudem stellte die Vorinstanz unwidersprochen fest, nach Meinung der Beschwerdeführerin stehe der Leitende Gerichtsschreiber zu allen ordentlichen Gerichtsmitgliedern in einem Subordinationsverhältnis. Ergo wäre er ihrer Auffassung nach bei jeder in Frage kommenden Besetzung befangen. Sie hätte demnach unverzüglich nach Kenntnisnahme, dass der Leitende Gerichtsschreiber im vorliegenden Verfahren als Ersatzrichter eingesetzt wird, dessen Ausstand verlangen müssen.
3.4. Die Beschwerdeführerin wendet ein, erst die Kenntnisnahme des Bundesgerichtsurteils vom 1. November 2022 und der damit begründeten "neuen rechtlichen Situation" habe sie zum unverzüglichen Handeln verpflichtet.
Wie sie selber bemerkt, kann in den zwei Urteilen lediglich eine "rechtliche Einschätzung" der gerügten Konstellation erblickt werden. Für die fristauslösende Kenntnisnahme im Sinne von Art. 49 Abs. 1 ZPO ist aber nicht massgebend, wann die Partei erfährt, dass das Gericht die gerügte tatsächliche Situation rechtlich als Anschein der Befangenheit beurteilt, sondern wann sie vom tatsächlichen Umstand, der nach ihrer Auffassung den Ausstandsgrund bildet, Kenntnis erhält. Deshalb ist die rechtliche Beurteilung, die das Gericht vornimmt, grundsätzlich nicht als fristauslösendes Moment zu betrachten.
Vorliegend besteht allerdings eine Besonderheit: Der Einsatz von Gerichtsschreibern als Ersatzrichter in der gleichen Kammer des Obergerichts stellte sich erst aufgrund der rechtlichen Beurteilung des Bundesgerichts im Präjudiz vom 9. September 2022 als Einbruch in die richterliche Unabhängigkeit heraus, während dies zuvor während vieler Jahre toleriert worden war. In dieser speziellen Situation könnte sich die Frage stellen, ob die Kenntnisnahme vom Präjudiz vom 9. September 2022 als fristauslösend im Sinne von Art. 49 Abs. 1 ZPO betrachtet werden könnte. Weshalb aber erst die Kenntnisnahme vom zweiten Urteil vom 1. November 2022 massgebend sein soll, kann nicht nachvollzogen werden, ist doch die vom Bundesgericht verpönte Situation (Beeinflussung durch informelle Hierarchien) als solche bereits im ersten Präjudiz als Verstoss gegen die richterliche Unabhängigkeit gewertet und im zweiten Urteil, das in Dreierbesetzung erging, lediglich übernommen worden.
Auch wenn auf die Kenntnisnahme des Präjudizes vom 9. September 2022 und der damit erstmals ergangenen bundesgerichtlichen Beurteilung abgestellt würde, wäre das mehr als zwei Monate nach dem Entscheiddatum vom 9. September 2022 am 12. Dezember 2022 gestellte Ausstandsgesuch nicht mehr als unverzüglich anzusehen (vgl. E. 2.4).
Selbst wenn das zweite Bundesgerichtsurteil vom 1. November 2022 massgebend sein sollte, wie die Beschwerdeführerin behauptet, aber abzulehnen ist, wäre auch diesbezüglich zu viel Zeit verstrichen, um das Ausstandsgesuch vom 12. Dezember 2022 noch als unverzüglich im Sinne von Art. 49 Abs. 1 ZPO bezeichnen zu können.
Die Vorinstanz durfte von verspäteter Geltendmachung ausgehen, dies zumal die Beschwerdeführerin nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht substantiiert hat, dass sie von den Bundesgerichtsentscheiden vom 9. September 2022 bzw. vom 1. November 2022 erst viel später Kenntnis erlangte. Vor Bundesgericht kann sie das Versäumte nicht nachholen. Ihre diesbezüglichen Ausführungen vor Bundesgericht sind unzulässig und können nicht berücksichtigt werden (Art. 97 Abs. 1 und Art. 99 Abs. 1 BGG ).
3.5. Die Beschwerdeführerin hat das Ausstandsgesuch somit verspätet gestellt und die Anrufung des geltend gemachten Ausstandsgrunds verwirkt.
3.6. Daran ändert nichts, dass die Beschwerdeführerin den Ausstand des Beschwerdegegners nur für zukünftige Amtshandlungen, nicht jedoch für die bereits erfolgten Verfahrensschritte verlangt. Ohnehin ergibt sich dies bloss aus der Beschwerdebegründung, schlägt sich aber nicht in den Rechtsbegehren nieder.
Die Beschwerdeführerin postuliert zu Unrecht "keine Verwirkung für die Zukunft". Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den Folgen verspäteter Geltendmachung eines Ausstandsgrunds ist klar: Verspätet vorgebrachte Ausstandsgründe können nicht berücksichtigt werden und sind verwirkt (BGE 149 III 12 E. 3.2.1; 143 V 66 E. 4.3; 140 I 271 E. 8.4.5; 139 III 120 E. 3.2.1: "la partie qui a connaissance d'un motif de récusation doit l'invoquer aussitôt, sous peine d'être déchue du droit de s'en prévaloir ultérieurement"). Die Anrufung der vermeintlich verletzten Ausstandsbestimmung ist verwirkt; dies gilt auch, soweit eine Verletzung von Art. 6 EMRK gerügt wird (BGE 132 II 485 E. 4.3). Könnte nach einer verspäteten Geltendmachung der gleiche Ausstandsgrund später im Verfahren erneut angerufen werden, bliebe die Präklusionsfolge wirkungslos.
Dass die Ausstandsregeln auch dem öffentlichen Interesse an einer unabhängigen Justiz dienen, steht der Verwirkungsfolge nicht entgegen. Die gesetzliche Regelung von Art. 51 Abs. 1 ZPO bestärkt diese Sicht: Danach kann eine Partei mangels rechtzeitiger Geltendmachung eines Ausstandsgrunds eine bereits erfolgte Amtshandlung, an der eine zum Ausstand verpflichtete Gerichtsperson mitgewirkt hat, genehmigen, ohne dass darin ein unerträglicher Grundrechtsverzicht oder ein nicht hinnehmbarer Einbruch in die Unabhängigkeit der Justiz erblickt wird. Es entspricht derselben gesetzgeberischen Wertung, dass die Partei infolge verspäteter Geltendmachung eines bekannten Ausstandsgrunds ihr Recht definitiv verwirkt, eben diesen Grund im betreffenden Verfahren erneut anzurufen, und die von diesem (vermeintlichen) Ausstandsgrund betroffene Gerichtsperson weiter amten kann.
Für die definitive Verwirkungsfolge sprechen sodann das Beschleunigungsgebot und auch die Interessen der Gegenpartei, soll es doch nicht möglich sein, durch wiederholte Ausstandsgesuche aus demselben Grund die beförderliche Entscheidfindung zu behindern.
Vorbehalten bleiben allerdings stets
offensichtliche Verstösse gegen die richterliche Unabhängigkeit, welche den Ausstand von Amtes wegen erheischen (dazu E. 4).
3.7. Die Vorinstanz verletzte demnach kein Bundesrecht, indem sie erkannte, die Beschwerdeführerin habe den vorgebrachten Ausstandsgrund verspätet geltend gemacht und somit ihr Recht auf dessen Anrufung verwirkt.
4.
4.1. Zu prüfen bleibt, ob die verspätete Geltendmachung deshalb in den Hintergrund tritt und die Vorinstanz das Ausstandsgesuch dennoch hätte prüfen müssen, weil die betroffene Gerichtsperson, mithin der Beschwerdegegner, den Ausstand
von sich aus hätte nehmen müssen.
Die Rechtsprechung nimmt dies dann an, wenn die Umstände, die den Anschein der Befangenheit bewirken, derart
offensichtlich sind, dass der Richter von sich aus hätte in den Ausstand treten müssen (oben E. 2.3; BGE 139 III 120 E. 3.2.2; 134 I 20 E. 4.3.2). Offensichtlichkeit und damit ein schwerer Verstoss gegen die Ausstandspflicht erblickte das Bundesgericht zum Beispiel in einem Fall, in dem der betroffene Richter gegen die Partei kürzlich eine Strafanzeige wegen Ehrverletzung und Anspruch auf Genugtuung gestellt hatte (BGE 134 I 20 E. 4.3.2), oder in dem eine Richterin gegen eine Gesellschaft Klage erhoben hatte, deren einziger Verwaltungsrat zugleich einziger Verwaltungsrat der Prozesspartei war (Urteil 4A_576/2020 vom 10. Juni 2021 E. 3.2), aber nicht wegen des Umstands, dass die Richterin in einem Strafprozess gegen den Bruder der Prozesspartei als Zeugin ausgesagt hatte (Urteil 4A_278/2021 vom 26. August 2021 E. 3.4).
4.2. Die Beschwerdeführerin meint, die Konstellation, die den beiden angerufenen Bundesgerichtsentscheiden zugrunde lag, bestehe auch im vorliegenden Verfahren zwischen den Parteien vor erster Instanz. Mit der Veröffentlichung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sei der Anschein der Befangenheit des als Referenten eingesetzten Leitenden Gerichtsschreibers offensichtlich auf der Hand gelegen, weswegen er von sich aus hätte in den Ausstand treten müssen, was er aber nicht getan habe. Dieser Verfahrensmangel wiege schwerer als eine eventuelle Verspätung des Ablehnungsgesuchs. Dementsprechend habe die Vorinstanz die Art. 47 bis 49 ZPO verletzt, indem sie das Ablehnungsgesuch als verwirkt betrachtet und die Befangenheit nicht geprüft habe.
4.3. Dem kann nicht gefolgt werden. Den beiden Bundesgerichtsentscheiden zum Beizug von Obergerichtsschreibern als Ersatzoberrichter in der gleichen Kammer bei der Entscheidung von Haftbeschwerden lag nicht exakt die gleiche Konstellation zugrunde, wie sie vorliegend betreffend die Mitwirkung des Leitenden Gerichtsschreibers am Bezirksgericht Winterthur in einem Zivilprozess beanstandet wird. Jedenfalls ist solches im angefochtenen Urteil nicht festgestellt, ebenso wenig, dass für den Leitenden Gerichtsschreiber am Bezirksgericht Winterthur die gleiche gerichtsorganisatorische und personalrechtliche Regelung gilt wie diejenige, welche das Bundesgericht in den erwähnten Fällen betreffend das Obergericht Zürich beurteilt hat. Trotz möglicherweise gegebenen Parallelen kann daher nicht gesagt werden, dass die bundesgerichtliche Beurteilung in jenen Präjudizien zwingend die gleiche Beurteilung der Mitwirkung des Leitenden Gerichtsschreibers im vorliegenden, zur Zeit der beiden Bundesgerichtsentscheide seit mehr als 1 1/2 Jahren hängigen Zivilprozess am Bezirksgericht Winterthur indizierte. Jedenfalls erscheint dies nicht derart offensichtlich, dass gesagt werden muss, der Beschwerdegegner hätte im Nachgang zu den besagten Bundesgerichtsentscheiden im vorliegenden Verfahren von sich aus in den Ausstand treten müssen.
4.4. Ein Weiteres kommt hinzu: Die vom Bundesgericht gerügte Konstellation wurde an den Zürcher Gerichten bekanntermassen seit langem praktiziert, ohne dass dies von den Rechtssuchenden oder bis zu jenen Entscheiden vom Bundesgericht beanstandet worden wäre. Die Rede ist von einer "bewährten Institution im zürcherischen Gerichtswesen" (Matthias Schwaibold, Das Ende einer Institution, forumpoenale 2/2023, S. 148 ff., S. 148; vgl. auch Marco Weiss, Informelle Hierarchien an einem Gericht / Besprechung von BGer, 1B_420/2022, 9.9.2022, AJP 2023, S. 378 ff.). Vor diesem Hintergrund wäre die weitere Mitwirkung des Leitenden Gerichtsschreibers als Ersatzrichter im vorliegenden, schon seit längerem anhängigen Zivilprozess (bejahendenfalls) nicht als derart gravierenden Mangel zu betrachten, dass er im Nachgang zu den beiden Bundesgerichtsurteilen sofort zum Ausstand des Beschwerdegegners von Amtes wegen hätte führen müssen.
4.5. Der Ausstand kann immer nur im konkreten Einzelfall verlangt werden. Dies gilt auch, wenn der Ausstandsgrund einzig auf einer gerichtsorganisatorischen Regelung beruht. In solchen Fällen entfaltet das Bundesgerichtsurteil allerdings in dem Sinn Appellwirkung, dass der kantonale Gesetzgeber bzw. die betroffenen Gerichte angesprochen sind, die erforderlichen Abhilfemassnahmen zu treffen, um die Bundesgerichtsrechtsprechung generell umzusetzen. So hielt das Bundesgericht im einschlägigen Präjudiz fest, der Anschein der fehlenden Unabhängigkeit des Spruchkörpers ergebe sich aus den gewählten organisatorischen Gegebenheiten und könne und müsse daher auch durch geeignete organisationsrechtliche Massnahmen verhindert werden. Welche konkreten Massnahmen dies seien, sei eine Frage der grundsätzlich den Kantonen obliegenden Gerichtsorganisation (BGE 149 I 14 E. 5.3.5
in fine S. 23; siehe etwa die Vorschläge bei Schwaibold, a.a.O., S. 153; vgl. auch Weiss, a.a.O., S. 381).
Auch mit Blick auf diese Gegebenheit, dass der vom Bundesgericht beanstandete Anschein der Befangenheit einzig in einer gerichtsorganisatorischen Institution gründet, welcher vorab durch organisationsrechtliche Massnahmen abzuhelfen ist, kann dem Leitenden Gerichtsschreiber am Bezirksgericht Winterthur nicht zum Vorwurf gereichen, dass er im Nachgang zu den erwähnten Bundesgerichtsurteilen nicht von sich aus im hängigen Zivilprozess in den Ausstand trat. Offensichtlichkeit im Sinne der zitierten Rechtsprechung kann bei dieser Situation nicht angenommen werden.
Damit ist aber nicht gesagt, dass Entsprechendes auch dann noch gilt, wenn bei Ausbleiben der erforderlichen organisationsrechtlichen Massnahmen die gerügten Doppelfunktionen weiterhin auftreten sollten.
4.6. Da der Leitende Gerichtsschreiber am Bezirksgericht Winterthur im vorliegenden Fall den Ausstand nicht von Amtes wegen zu nehmen hatte, bleibt es bei der verspäteten Geltendmachung des Ausstandsgrunds, wie dies von der Vorinstanz zu Recht erkannt wurde.
5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG), zumal er sich ohnehin nicht vernehmen liess.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, B.________ und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 1. September 2023
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jametti
Der Gerichtsschreiber: Brugger