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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4P.128/2003 /lma 
 
Urteil vom 1. Oktober 2003 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichter Walter, Bundesrichterin Klett, 
Gerichtsschreiber Widmer. 
 
Parteien 
X.________ AG, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin 
Elena Neuroni, corso Elvezia 4, casella postale 3175, 6901 Lugano, 
 
gegen 
 
Y.________ AG, 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokat 
Dr. Thomas Christen, Haus Thurgauerhof, Postfach 552, 4410 Liestal, 
Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, 
 
Gegenstand 
Art. 8, 9, 29 und 49 BV; Art. 6 und 14 EMRK sowie Art. 14 und 26 UNO-Pakt II (Zivilprozess; Kosten), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Justizkommission, 
vom 1. Mai 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die X.________ AG, (Beschwerdeführerin), reichte am 20. Oktober 2000 beim Kantonsgericht Zug gegen die Y.________ AG (Beschwerdegegnerin) Klage ein. Diese erhob Widerklage, mit der sie Forderungen in US$ geltend machte, die umgerechnet etwa CHF 5'000'000.-- entsprechen. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. 
A.a Das Kantonsgericht machte die Zuständigkeitsfrage zum Gegenstand eines Vorentscheides und trat mit Beschluss vom 28. November 2001 auf die Widerklage ein. Die Verfahrenskosten für diesen Beschluss auferlegte das Gericht der Beschwerdeführerin. Ausserdem verpflichtete es diese, der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung von Fr. 68'000.-- zu bezahlen. 
A.b Die Beschwerdeführerin gelangte am 10. Dezember 2001 mit dem Antrag an die Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug (im Folgenden: Obergericht), auf die Widerklage sei nicht einzutreten. Eventuell verlangte sie, die Gerichtsgebühr sei neu zu bemessen und die Parteientschädigung angemessen zu reduzieren. Ihre Beschwerde hatte insoweit keinen Erfolg, als das Obergericht die Zuständigkeit des Kantonsgerichts zur Beurteilung der Widerklage mit Urteil vom 30. August 2002 bestätigte. Weil kein vollständiges ordentliches Verfahren durchgeführt worden sei, reduzierte es jedoch in teilweiser Gutheissung der Beschwerde die Gerichtskosten und die Parteientschädigung für das kantonsgerichtliche Verfahren, letztere auf einen der Beschwerdegegnerin zu entrichtenden Betrag von Fr. 35'239.--. 
A.c Das Bundesgericht hiess am 24. Januar 2003 eine Berufung der Beschwerdeführerin gut und erkannte in Abänderung von Ziffer 1 des Beschlusses des Kantonsgerichts Zug vom 28. November 2002, auf die Widerklage werde nicht eingetreten. Es wies die Sache im Übrigen zur Neuregelung der Verfahrenskosten an die kantonale Instanz zurück. 
B. 
Daraufhin hob das Obergericht die Kostenregelung (Dispositiv-Ziffern 2 und 3) des Kantonsgerichtsbeschlusses vom 28. November 2001 mit Urteil vom 1. Mai 2003 in Gutheissung der Beschwerde auf, auferlegte der Beschwerdegegnerin die Verfahrenskosten und verpflichtete diese, der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung für das kantonsgerichtliche Verfahren von Fr. 38'770.75 zu bezahlen. Dieser Entschädigung legte sie dasselbe Basishonorar zugrunde, das sie bei der Abweisung der kantonalen Beschwerde mit ihrem Entscheid vom 30. August 2002 ermittelt hatte. Ausserdem verpflichtete sie die Beschwerdegegnerin, die Beschwerdeführerin für das obergerichtliche Verfahren mit Fr. 16'000.-- zu entschädigen. 
C. 
Die X.________ AG beantragt mit staatsrechtlicher Beschwerde, das Urteil des Obergerichts vom 1. Mai 2003 aufzuheben. Sie rügt die Verletzung von Art. 8, 9, 29 und 49 BV sowie von Art. 6 und 14 EMRK und Art. 14 und 26 UNO-Pakt II. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, das Obergericht habe bei der Bemessung der Parteientschädigung die §§ 40 und 41 ZPO ZG sowie die §§ 3 und 5 des kantonalen Anwaltstarifs willkürlich angewendet. 
 
Die Beschwerdegegnerin und das Obergericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Nach Art. 88 OG steht Privaten das Recht, staatsrechtliche Beschwerde zu führen, namentlich bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch sie persönlich treffende Verfügungen erlitten haben. Es bedarf danach einer Betroffenheit in eigenen rechtlich geschützten Interessen, während das Rechtsmittel zur Verfolgung bloss tatsächlicher Interessen nicht offen steht. Die eigenen rechtlichen Interessen, auf die sich der Beschwerdeführer berufen muss, können entweder durch kantonales oder eidgenössisches Gesetzesrecht oder unmittelbar durch ein angerufenes spezielles Grundrecht geschützt sein, sofern sie auf dem Gebiet liegen, das die betreffende Verfassungsbestimmung beschlägt. Das in Art. 4 BV enthaltene allgemeine Willkürverbot verschafft, soweit Mängel in der Rechtsanwendung geltend gemacht werden, für sich allein noch keine geschützte Rechtsstellung im Sinne von Art. 88 OG; die Legitimation zur Willkürrüge ist nur gegeben, wenn das Gesetzesrecht, dessen willkürliche Anwendung gerügt wird, dem Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch einräumt oder den Schutz seiner Interessen bezweckt (BGE 121 I 267 E. 2 S. 268 f.; vgl. auch BGE 129 I 217 E. 1; 126 I 81 E. 3b S. 85). 
 
 
Nach § 40 Abs. 1 der Zivilprozessordnung des Kantons Zug vom 3. Oktober 1940 (ZPO ZG) ist die unterliegende Partei in der Regel zum Ersatz aller dem Gegner verursachten notwendigen Kosten und Umtriebe zu verpflichten. Daraus ergibt sich der rechtliche Anspruch der obsiegenden Partei, für ihre Kosten und Umtriebe von der unterliegenden entschädigt zu werden. Die Beschwerdeführerin ist in eigenen rechtlich geschützten Interessen verletzt, soweit ihr die Kosten und Umtriebe nicht oder nicht vollständig ersetzt werden. Daran ändert nichts, dass das Gericht nach § 40 Abs. 2 ZPO ZG die Höhe der Parteientschädigung unter Berücksichtigung des Streitwertes nach freiem richterlichem Ermessen festzusetzen hat. Die Beschwerdeführerin ist aufgrund ihres Anspruchs nach § 40 ZPO ZG insbesondere zur Rüge legitimiert, die massgebenden kantonalen Vorschriften über die Entschädigung seien zu ihren Lasten willkürlich angewendet worden (BGE 126 I 81 E. 2a und ff.). 
2. 
Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 127 I 38 E. 4 S. 43; 125 I 492 E. 1b S. 495). 
 
Der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, inwiefern der angefochtene Entscheid die Art. 49 BV, Art. 6 und 14 EMRK sowie Art. 14 und 26 des UNO-Paktes II verletzen sollte. Auf die entsprechenden Rügen ist nicht einzutreten. 
3. 
Die Beschwerdeführerin rügt vornehmlich eine willkürliche Anwendung der §§ 3, 5 und 8 der Verordnung des Obergerichts des Kantons Zug vom 3. Dezember 1996 über den Anwaltstarif (AnwT). 
3.1 Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten berechnet sich das Grundhonorar nach § 3 Abs. 1 AnwT aufgrund des Streitwertes. Für Rechtsmittelverfahren dürfen nach § 8 AnwT von besonderen Ausnahmefällen abgesehen ein bis zwei Drittel des Grundhonorars berechnet werden. Das Obergericht hat das Grundhonorar aufgrund des Streitwerts der Widerklage, die allein Gegenstand des erstinstanzlichen Beschlusses vom 28. November 2001 bildete, mit der ersten Instanz auf Fr. 65'500.-- festgesetzt, was von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet wird. Entgegen der ersten Instanz hat das Obergericht jedoch die Entschädigung um die Hälfte reduziert. Das Gericht hat dabei dem Umstand Rechnung getragen, dass allein die Frage der örtlichen Zuständigkeit zu beurteilen war und kein vollständiges Verfahren durchgeführt wurde, während das Grundhonorar auf vollständige ordentliche Verfahren angelegt sei. Entsprechend wurde auch die Entschädigung für das obergerichtliche Verfahren reduziert, was von der Beschwerdeführerin für den Fall nicht beanstandet wird, dass die Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren mit den von ihr angerufenen verfassungsmässigen Rechten vereinbar ist. 
3.2 Nach § 3 Abs. 5 AnwT sind Missverhältnisse zwischen Streitwert und Interesse der Parteien oder Bemühungen des Rechtsanwalts bzw. der Rechtsanwältin entsprechend durch Erhöhung bzw. Herabsetzung des Honorars zu berücksichtigen. Das Obergericht stützte die hälftige Reduktion der Parteientschädigung auf diese Bestimmung. Dabei orientierte es sich - wie aus der Systematik des Urteils vom 30. August 2002 hervorgeht, auf das im angefochtenen Entscheid verwiesen wird - an § 6 AnwT, der für das summarische Verfahren als Regel die Herabsetzung des Grundhonorars auf die Hälfte bis einen Fünftel vorsieht. 
 
Es erscheint nicht als willkürlich, zu den "Bemühungen" des Rechtsanwalts, die als Kriterium für die Anpassung des Grundhonorars in Betracht fallen, auch den Aufwand für ein vollständiges Verfahren zu zählen bzw. den Minderaufwand, der durch die Beschränkung des Verfahrens auf eine Vorfrage wie die Zuständigkeit entsteht. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist das Obergericht daher nicht in Willkür verfallen, wenn es die Reduktion wegen nicht vollständiger Durchführung des Verfahrens auf diese Bestimmung stützte. 
3.3 Nach § 5 Abs. 1 AnwT dürfen Zuschläge zum Grundhonorar berechnet werden, wenn zusätzliche Verhandlungen (Ziff. 1) oder Schriftenwechsel (Ziffer 2) stattfanden oder in Rechnungsprozessen, Prozessen mit unverhältnismässig grossem oder fremdsprachigem Aktenmaterial, mit Studium fremden Rechts, mit umfangreicher Korrespondenz oder sonst bei komplizierten Prozessen (Ziffer 3). Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, das Obergericht habe der Komplexität der Sache, der Notwendigkeit zur Kenntnisnahme von Dokumenten in englischer Sprache sowie dem erforderlichen Zeitaufwand für die Bestreitung der Ansprüche zu wenig Rechnung getragen. 
Das Obergericht hat insoweit festgehalten, dass es sich vorliegend nicht um einen besonders aufwändigen Fall gehandelt habe. Die Beschwerdeführerin tut nicht dar, inwiefern diese Ansicht willkürlich sein soll und die Komplexität des Prozesses insgesamt diejenige anderer Verfahren mit vergleichbarem Streitwert übersteigen würde (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Die Ansicht des Obergerichts, dass die Kenntnisnahme von Dokumenten in englischer Sprache nicht an sich die Erhöhung des Grundhonorars rechtfertige, erscheint jedenfalls nicht willkürlich. 
3.4 Was die Beschwerdeführerin daraus ableiten will, dass über die Frage der örtlichen Zuständigkeit rechtskräftig entschieden wurde, ist nicht ersichtlich. Abgesehen davon, dass dieser Entscheid die materielle Beurteilung der widerklageweise geltend gemachten Forderung zuständigen Orts nicht ausschliesst, ist seine Rechtskraft in Bezug auf den für die Parteientschädigung wesentlichen Aufwand nicht massgebend. Mindestens geht aus der Begründung der Beschwerde nicht hervor, inwiefern sich dieser Gesichtspunkt auf die Höhe der Parteientschädigung hätte auswirken müssen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). 
3.5 Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich, das Obergericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt, indem es nicht zu ihrem Vorbringen Stellung genommen habe, dass das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV) je nach dem Ausgang des Verfahrens eine differenzierte Parteientschädigung erfordere. Damit verkennt sie, dass das Obergericht diese Frage geprüft, aber hinsichtlich des Grundhonorars keinen Grund für eine unterschiedliche Entschädigung der Parteianwälte gefunden hat. Die Rüge ist unbegründet. 
4. 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Diesem Verfahrensausgang entsprechend ist die Gerichtsgebühr der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Gebühr ist nach dem Streitwert zu bemessen. Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin überdies deren Parteikosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu ersetzen, die nach der eingereichten Honorarnote Fr. 1'659.85 betragen (Art. 159 Abs. 2 OG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin 
auferlegt. 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'659.85 zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 1. Oktober 2003 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: