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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.363/2004 /bnm 
 
Urteil vom 1. November 2004 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Marazzi, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
1. X.________, 
2. Y.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Frau lic. iur. Kathrin Merz, 
 
gegen 
 
Z.________, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Geiger, 
Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh, 1. Abteilung, Postfach 162, 9043 Trogen. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV (Löschung einer Dienstbarkeit), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Appenzell A.Rh, 1. Abteilung, vom 23. März 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ und Y.________ sind Eigentümer der Parzelle Nr. 1, Grundbuch A.________, welche an die Parzelle Nr. 2 von JZ.________ angrenzt. Zu Gunsten der Parzelle Nr. 2 und zu Lasten der Parzelle Nr. 1 besteht eine aus dem Jahre 1941 stammende Grunddienstbarkeit "Bau- und Pflanzverbot". Gemäss Begründungsakt verpflichtete sich der jeweilige Eigentümer des belasteten Grundstücks soweit hier interessierend, das auf dem beigehefteten Plan aufgezeichnete Teilstück zu keiner Zeit zu überbauen und keine Nadel-und Laubhölzer zu pflanzen, deren Höhe 2 Meter übersteigt. Die belastete Parzelle liegt in südlicher Richtung unterhalb der auf einem Hügel gelegenen begünstigten Parzelle, welch letztere teilweise von hohen Bäumen umgeben ist. 
B. 
X.________ und Y.________ erhoben am 2. April 2002 Klage auf Löschung der Bau- und Pflanzverbotsdienstbarkeit mit der Begründung, die Berechtigte habe alles Interesse an der Dienstbarkeit verloren. Das Kantonsgericht wies die Klage am 28. Oktober 2002 ab. Das Obergericht von Appenzell-Ausserrhoden wies am 23. März 2004 die von den Klägern dagegen eingereichte Appellation ab. 
C. 
Gegen diesen Entscheid haben die Kläger staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV erhoben und im Wesentlichen die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Beschwerdeführerin hat für sich selber und für den Beschwerdeführer entgegen der Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich eine staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Ihre Eingabe wird daher als solche entgegengenommen. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde kann die Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger gerügt werden (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Die Beschwerdeführer nennen ausschliesslich im Titel und bei der Behandlung des Formellen ein verfassungsmässiges Recht, nämlich Art. 4 BV. In Art. 4 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 werden indessen die Landessprachen geordnet, welche mit dem vorliegenden Streitgegenstand nichts zu tun haben. Die Beschwerdeführer wollen sich mit dem Hinweis auf Art. 4 BV wohl auf die alte Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 berufen, welche dort die Rechtsgleichheit gewährleistete, aus welcher die Rechtsprechung auch das Willkürverbot ableitete. Da auch die geltende Verfassung in Art. 9 BV Willkür verbietet, schadet ihnen die Nennung eines falschen Artikels nicht. Die Beschwerdeführer sind der Meinung, das Willkürverbot sei unter dem Aspekt der mehrmaligen aktenwidrigen Beweiswürdigung und der Verletzung von Bundesrecht und kantonalem Recht verletzt. Während die aktenwidrige bzw. willkürliche Beweiswürdigung grundsätzlich mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden kann (nachfolgend Ziffer 2), trifft dies für die Verletzung von Bundesrecht und kantonalem Recht nicht zu. 
 
Bei einer Verletzung von Bundesrecht steht - wie in der Rechtsmittelbelehrung angegeben - die Berufung offen (Art. 43 Abs. 1 OG), die der staatsrechtlichen Beschwerde vorgeht (Art. 84 Abs. 2 OG). Soweit die Beschwerdeführer daher eine Verletzung von Art. 736 Abs. 1 ZGB rügen, was sie über weite Strecken tun, kann auf ihre Beschwerde nicht eingetreten werden. Das Gleiche gilt für die Rüge, das Obergericht sei mit allgemeinen Erfahrungssätzen leichtfertig umgegangen, denn bei aus der allgemeinen Lebenserfahrung geschöpften Folgerungen handelt es sich um Rechtsanwendung, welche im Rahmen der Berufung zu überprüfen ist (BGE 123 III 241 E. 3 S. 243; 126 III 10 E. 2b S. 12). Ebenso wenig kann aus dem gleichen Grund auf die Beschwerde eingetreten werden, soweit die Beschwerdeführer geltend machen, die kantonalen Behörden hätten den wirklichen Willen der damaligen Vertragsparteien verkannt und Art. 18 OR verletzt, wenn sie den seinerzeitigen Kaufvertrag von 1941 nach dem Vertrauensprinzip auslegten. Die Schlussfolgerung des Obergerichts, auf die Zeugenaussage von Dr. W.________ als seinerzeitigen Erwerber des belasteten Grundstücks könne verzichtet werden, weil der Bestellungsakt bei Dienstbarkeiten nach dem Vertrauensprinzip auszulegen sei und es auf die individuellen Absichten und Motive der an der Errichtung Beteiligten, die für einen Dritten nicht erkennbar seien, nicht ankomme, wäre daher mit Berufung zu beanstanden gewesen. Angesichts dieser für den Verzicht auf die Zeugeneinvernahme von Dr. W.________ entscheidenden Begründung sind die andern vom Obergericht angeführten Gründe (nahe Verwandtschaft, hohes Alter, der grosse zeitliche Abstand u.a.) nicht mehr erheblich und nicht mehr darauf hin zu prüfen, ob es sich um willkürliche Annahmen handelt. Auch die Rüge, das Obergericht habe Art. 8 ZGB verletzt, weil es ihren betagten Vater bzw. Schwiegervater nicht als Zeuge zum Beweis zugelassen habe, ist als behauptete Bundesrechtsverletzung mit Berufung vorzutragen. Gleich verhält es sich mit der Rüge, das Festhalten an der Dienstbarkeit verstosse gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Die angebliche Verletzung von Art. 2 ZGB ist mit Berufung geltend zu machen. 
 
Auch die Verletzung von kantonalem Recht kann entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden. Erst wenn die Anwendung und Auslegung kantonalen Rechts nicht bloss unrichtig, sondern geradezu willkürlich wäre, bestünde ein gültiger Rügegrund. Allerdings müsste in der Begründung der Beschwerde im Einzelnen dargelegt werden, dass und inwiefern der angefochtene Entscheid nicht nur falsch, sondern geradezu willkürlich ausgefallen sei. Andernfalls ist von bloss appellatorischer Kritik auszugehen, welche im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren unbeachtlich ist (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495). 
2. 
Die Beschwerdeführer machen geltend, die Sachverhaltsfestellungen durch das Obergericht müssten wegen aktenwidriger Feststellungen ergänzt bzw. korrigiert werden. Diese aktenwidrigen Beweiswürdigungen seien kein Versehen, sondern würden gezielt als falsche Indizien verwendet, um die Appellation abzulehnen. 
2.1 Die Beschwerdeführer können im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren wegen Verletzung des Willkürverbots allerdings keine neuen Tatsachen oder Beweismittel einbringen (BGE 129 I 74 E. 4.6 S. 80), denn der kantonalen Behörde kann nicht Willkür vorgeworfen werden, wenn sie Tatsachen oder Beweismittel nicht beachtet hat, die ihr gar nicht vorgetragen worden sind. Die Beschwerdeführer legen nicht substanziiert dar, dass sie die von W.________ schriftlich abgegebene Erklärung, wie der Dienstbarkeitszweck seiner Ansicht nach zu verstehen sei, ordnungsgemäss in das Verfahren eingebracht haben. Die Erklärung ist somit im vorliegenden Verfahren unbeachtlich. 
2.2 Das Obergericht hat bei der Darstellung des Sachverhalts unter anderem ausgeführt, die Rechtsvorgänger der heutigen Parteien hätten am 31. August 1988 mit einem Nachtrag zur genannten Dienstbarkeit vereinbart, dass ein Teil der belasteten Parzelle Nr. 1, heute Parzelle Nr. 3, aus dem Bau- und Pflanzverbot entlassen werde. Für den Teil der belasteten Parzelle, den die vorliegende Klage betreffe, sei das Bau- und Pflanzverbot aufrecht erhalten worden. Die Beschwerdeführer machen geltend, die tatsächliche Feststellung des Obergerichts, dass der verkaufte Teil im Jahre 1988 aus dem Bau- und Pflanzverbot entlassen worden sei, entbehre jeglicher Grundlage. Richtig sei, dass anlässlich der Grundstücksteilung durch W.________ eine Lastenbereinigung vorgenommen worden sei, wonach das Bau- und Pflanzverbot auf Nr. 1 bleibe und auf (neu) Nr. 3 nicht zu übertragen sei. Das Bau- und Pflanzverbot sei daher auf Nr. 3 nicht gestrichen worden, sondern sei auf Nr. 1 verblieben und nicht übertragen worden. Auch wenn diese Präzisierung aufgrund der Akten zutreffend ist, hat das Obergericht den wesentlichen Sachverhalt nicht willkürlich festgestellt. Wesentlich ist nämlich, dass bei der Lastenbereinigung im Jahre 1988 das Bau und Pflanzverbot auf Nr. 1 ausdrücklich aufrecht erhalten und - wie dieser Vorgang ohne Willkür gewürdigt werden kann - bestätigt worden ist. Daran vermag der Hinweis der Beschwerdeführer, dass dies wohl wegen einer gewissen Müdigkeit und Gleichgültigkeit von W.________ geschehen sei, nichts zu ändern, zumal diese bestätigen, dass ihr Vater bzw. Schwiegervater trotz seiner 99 Jahre auch heute noch geistig fit sei. Da die Rüge eine unerhebliche Sachverhaltsfeststellung betrifft, kann darauf nicht eingetreten werden. 
2.3 Die Beschwerdeführer beanstanden den Augenschein. Ihre Ausführungen enthalten über weite Strecken appellatorische Kritik, die im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren unbeachtlich ist (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495). Sie rufen auch in diesem Zusammenhang kein verfassungsmässiges Recht an. Sie weisen zwar darauf hin, dass gemäss Art. 185 Abs. 3 ZPO/AR über die Augenscheinsverhandlung und ihre Ergebnisse ein Protokoll aufzunehmen sei, und dass nötigenfalls Pläne, Zeichnungen oder Fotografien zu erstellen seien. Sie machen aber nicht geltend, dass dies nicht geschehen sei, sondern sie legen das Augenscheinsprotokoll einschliesslich der dort gemachten Fotografien zu den Akten. Dem Protokoll ist zu entnehmen, dass sich das Gericht sowohl auf die Parzelle der Kläger, als auch auf diejenige der Beklagten begeben und die jeweiligen Örtlichkeiten in Augenschein genommen hat. Was daran verfassungswidrig sein könnte, ist nicht ersichtlich. Der Umstand, dass nicht der gesamte Umschwung und der Abstand zu den andern Bauten fotografisch festgehalten worden ist, vermag das Protokoll - abgesehen davon, dass eine ausdrückliche Willkürrüge fehlt - nicht als willkürlich erscheinen zu lassen, ergeben sich doch Umschwung und Abstand aus den bei den Akten liegenden Plänen. Die Beschwerdeführer rügen im Zusammenhang mit dem Augenschein auch eine Verletzung von Art. 157 ZPO, wonach den Parteien nach durchgeführtem Beweisverfahren Gelegenheit einzuräumen ist, mündlich oder schriftlich zum Beweisergebnis Stellung zu nehmen. Sie setzen sich indessen mit der Feststellung im angefochtenen Entscheid (S. 6 lit. F. und S. 10) mit keinem Wort auseinander, wonach nach dem Augenschein die mündliche Appellationsverhandlung stattgefunden habe. Auf die im Zusammenhang mit dem Augenschein erhobenen Rügen ist insgesamt nicht einzutreten. 
2.4 Die Beschwerdeführer machten vor beiden kantonalen Instanzen geltend, die Aussicht sei wegen des dichten Baumbewuchses auf dem herrschenden Grundstück derart beschränkt, dass kein Interesse mehr an der Aussichtsdienstbarkeit bestehe. Das Kantonsgericht wendete gegen diese Betrachtung unter anderem ein, die Eigentümer des herrschenden Grundstücks könnten die Bäume jederzeit beseitigen. Dem widersprachen die Beschwerdeführer mit dem Argument, das herrschende Grundstück befinde sich in der Baumschutzzone. Das Obergericht führte dazu aus, es gehe bei der umstrittenen Dienstbarkeit nicht primär um die Erhaltung der Aussicht, sondern die Dienstbarkeit diene vorab dazu, dem berechtigten Grundstück Umschwung und Abstand zu andern Bauten zu erhalten. Bei dieser Sachlage spiele der öffentlich-rechtliche Baumschutz keine Rolle. 
 
Soweit die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang wiederum die nach dem Vertrauensprinzip ermittelte Zweckbestimmung der Dienstbarkeit kritisieren, befassen sie sich mit einer im Berufungsverfahren zu rügenden Rechtsfrage. Inwiefern das Obergericht die Beschwerdegegnerin mit seiner Argumentation ermuntere, Bäume in der Baumschutzzone zu fällen, ist zudem nicht ersichtlich, abgesehen davon, dass auch in diesem Zusammenhang eine hinreichende Willkürrüge fehlt. Darauf kann nicht eingetreten werden. 
3. 
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Verfahrenskosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung ist nicht zu sprechen, weil keine Vernehmlassungen eingeholt worden sind. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 1. November 2004 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: