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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 411/04 
 
Urteil vom 2. Februar 2005 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Parteien 
Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Rechtsdienst, Generaldirektion Schweiz, 8085 Zürich, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Jäger, 
Am Schanzengraben 27, 8039 Zürich, 
 
gegen 
 
L.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dieter Studer, Hauptstrasse 11a, 8280 Kreuzlingen 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Weinfelden 
 
(Entscheid vom 22. September 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1949 geborene L.________ war bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert, als sie am 16. Februar 2003 auf einer Treppe stürzte. Die Zürich erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit "Zwischenverfügung" vom 1. Juli 2004 stellte sie die Taggeldleistungen per 1. April 2004 ein und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. 
B. 
Beschwerdeweise liess L.________ die Weiterzahlung der Taggelder und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragen. Mit Entscheid vom 22. September 2004 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die Beschwerde vollumfänglich gut. 
C. 
Die Zürich lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. 
 
L.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Mit der "Zwischenverfügung" vom 1. Juli 2004 stellte die Zürich die Taggeldzahlungen vorübergehend ein und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Auf die von der Versicherten eingereichte Beschwerde hin äusserte sich die Vorinstanz wohl zur Frage der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Indessen stellte sie diese nicht wieder her, sondern entschied in der Hauptsache, dass die Einstellung der Taggeldleistungen unrichtig gewesen sei. Wäre der Entscheid vom 22. September 2004 unangefochten geblieben und in Rechtskraft erwachsen, hätte die Zürich weiterhin Taggelder erbringen müssen, ohne dass die Vorinstanz noch in einem Hauptprozess etwas hätte beurteilen müssen. Daher stellt der kantonale Entscheid einen instanzabschliessenden Endentscheid dar. 
 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Zürich befugt war, die Taggelder provisorisch bis zum Vorliegen des in Auftrag gegebenen Gutachtens einzustellen. 
2.1 Es handelt sich um eine vorsorglich getroffene Vorkehr. Ob diese gerechtfertigt war, beurteilt sich daher analog zu den Fällen des Entzugs der aufschiebenden Wirkung und der Anordnung provisorischer Massnahmen auf Grund einer Interessenabwägung (vgl. zum Ganzen RKUV 2003 Nr. U 479 S. 192 Erw. 5). Dabei ist zu prüfen, ob die Gründe, welche für die sofortige Aufhebung der Leistung sprechen, gewichtiger sind als jene, die für die gegenteilige Lösung angeführt werden können. Der urteilenden Instanz steht in solchen Fällen ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Im Allgemeinen wird sie ihren Entscheid auf den Sachverhalt stützen, der sich aus den vorhandenen Akten ergibt, ohne zeitraubende weitere Erhebungen anzustellen. Bei der Abwägung der Gründe für und gegen die sofortige Vollstreckbarkeit können auch die Aussichten auf den Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache ins Gewicht fallen; diese müssen allerdings eindeutig sein (vgl. BGE 124 V 88 Erw. 6a, 117 V 191 Erw. 2b, 98 V 222 Erw. 4 sowie SVR 2001 KV Nr. 12 S. 31, RKUV 1994 Nr. K 952 S. 300 Erw. 3a). 
2.2 Mit der Verfügung vom 1. Juli 2004 hat die Zürich die Taggeldzahlungen mindestens bis zum Eintreffen eines bei Dr. med. E.________ angeforderten Gutachtens eingestellt. Die Vorinstanz erachtet dies in einer solchen Situation als unzulässig. Die Zürich habe die Unfallkausalität der von der Versicherten geklagten Leiden anerkannt, habe sie doch Taggelder ausgerichtet. Wenn sie diese Leistung einstellen wolle, habe sie vorgängig den Beweis dafür zu erbringen, dass tatsächlich keine Taggelder mehr geschuldet seien. Bislang habe die Zürich keinerlei ärztliche Unterlagen eingereicht, laut welchen die Unfallkausalität mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Unter solchen Umständen könne die Zürich nicht einfach die Taggelder einstellen, laufe dies doch im Ergebnis auf eine Umkehr der Beweislast hinaus, indem nicht mehr der Versicherer den Nachweis für den Wegfall, sondern die versicherte Person denjenigen für das Weiterbestehen des Kausalzusammenhangs erbringen müsse. 
2.3 Bei der Abwägung der Gründe für und gegen eine sofortige Beendigung der Zahlungen steht dem Interesse der Zürich, eine Rückforderung wegen der damit verbundenen administrativen Erschwernisse und der Gefahr der Uneinbringlichkeit nach Möglichkeit zu vermeiden, das Interesse der Beschwerdegegnerin an der Sicherstellung ihres Lebensunterhaltes während des von der Einstellung der Taggeldzahlungen erfassten Zeitraumes gegenüber. In solchen Konstellationen hat das Eidgenössische Versicherungsgericht oft zu Gunsten der Versicherer entschieden, namentlich wenn der Ausgang des Hauptverfahrens nicht eindeutig feststand (BGE 124 V 88 Erw. 6a, 117 V 191 Erw. 2b). Vorliegend ist jedoch eine Besonderheit zu beachten, die den Fall von den erwähnten Urteilen zum Entzug der aufschiebenden Wirkung unterscheidet: während in diesen Urteilen jeweils nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens eine definitive Leistungseinstellung erfolgt ist, hat die Zürich ihre Leistungen nicht endgültig eingestellt, sondern lediglich provisorisch mitten im Abklärungsverfahren. Dies widerspricht dem Grundsatz, dass die Unfallversicherer zuerst den rechtserheblichen Sachverhalt ausreichend abzuklären und gestützt auf die dabei eingeholten Unterlagen zu prüfen haben, ob die Lohnersatzzahlungen wegfallen. Da die Zürich vorliegend bis 1. April 2004 Taggelder bezahlt und somit den entsprechenden Anspruch der Versicherten anerkannt hat, muss sie mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass jede kausale Bedeutung von unfallbedingten Ursachen des Gesundheitsschadens dahingefallen ist (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 329; 1992 Nr. U 142 S. 76). Die blosse Möglichkeit des Dahinfallens genügt nicht. Indem die Zürich die Taggeldleistungen lediglich provisorisch bis zum Vorliegen des angeforderten Gutachtens eingestellt hat, räumt sie ein, dass das Dahinfallen der Kausalität zwischen dem hier streitigen Unfall und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Versicherten noch nicht mit dem verlangten Beweisgrad erstellt ist. Damit fehlt es an einer Voraussetzung für die Einstellung der Taggeldzahlungen. 
3. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die unterliegende Zürich hat der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Entschädigung von Fr. 2500.- (inklusive Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt. 
Luzern, 2. Februar 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: 
i.V.