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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2A.47/2005 /leb 
 
Urteil vom 2. März 2005 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Wurzburger, 
Gerichtsschreiber Feller. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch 
Rechtsanwalt Dr. Guido Hensch, 
 
gegen 
 
Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau, Regierungsgebäude, 8510 Frauenfeld, 
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 24. November 2004. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
X.________, geb. 1965, ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste am 18. April 1997 illegal in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch. Am 27. August 1997 heiratete er eine 1952 geborene Schweizer Bürgerin und erhielt gestützt auf Art. 7 ANAG im Kanton Thurgau die Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Ehefrau. Diese reichte am 21. Mai 2002 die Scheidungsklage ein. Mit Urteil der Bezirksgerichtskommission Y.________ vom 11. Juli 2002 wurde die Ehe gestützt auf Art. 115 ZGB geschieden. Die gegen dieses Urteil an das Obergericht des Kantons Thurgau erhobene Berufung ist noch hängig. 
 
Ebenfalls hängig ist ein Strafverfahren, welches den von der Ehefrau von X.________ erhobenen Vorwurf der Vergewaltigung zum Gegenstand hat. 
 
Mit Verfügung vom 7. März 2003 lehnte das Ausländeramt des Kantons Thurgau das Gesuch von X.________ um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab und ordnete die Wegweisung an. Ein Rekurs an das Departement für Justiz und Sicherheit blieb erfolglos (Entscheid vom 28. Juli 2004). Am 24. November 2004 wies das Verwaltungsgericht die gegen den Rekursentscheid des Departements erhobene Beschwerde ab. 
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, eventualiter staatsrechtlicher Beschwerde vom 24. Januar 2005 beantragt X.________ dem Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Angelegenheit an dieses zur neuen Entscheidfindung zurückzuweisen; dabei sei das kantonale verwaltungsgerichtliche Verfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens, eventualiter auch bis zum Abschluss des Ehescheidungsverfahrens, zu sistieren; sodann sei das Ausländeramt des Kantons Thurgau anzuweisen, ihm die Aufenthaltsbewilligung um ein halbes Jahr zu verlängern. 
 
Das Verwaltungsgericht hat auf Aufforderung hin die Akten eingereicht und beantragt, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten. Im Übrigen ist kein Schriftenwechsel angeordnet worden. 
 
Der Beschwerdeführer hat am 26. Januar 2005 dem Bundesgericht eine Eingabe vom gleichen Tag an das Obergericht des Kantons Thurgau betreffend Ehescheidung zur Kenntnis gebracht. Mit Eingabe vom 16. Februar 2005 hat er das in der Beschwerdeschrift gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ergänzt. Gestützt darauf ist von der Erhebung eines Kostenvorschusses abgesehen und der Entscheid über das Gesuch für später in Aussicht gestellt worden. 
 
Das Urteil, mit dessen Ausfällung das in Bezug auf die Wegweisung gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos wird, ergeht im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG). 
2. 
2.1 Gemäss Art. 7 Abs. 1 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (Satz 1); nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren hat er Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung (Satz 2). Kein Anspruch besteht gemäss Art. 7 Abs. 2 ANAG, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen (Ausländerrechtsehe bzw. Scheinehe). 
 
Gemäss Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Der Beschwerdeführer ist nach wie vor mit einer Schweizer Bürgerin verheiratet; solange die Ehe nicht rechtskräftig geschieden ist, hat er gestützt auf Art. 7 ANAG dem Grundsatz nach einen Rechtsanspruch auf die Bewilligung; ob im Sinne von Art. 7 Abs. 2 ANAG kein Anspruch besteht, ist nicht Eintretensfrage, sondern im Rahmen der materiellen Beurteilung der Beschwerde zu prüfen (BGE 118 Ib 145 E. 3d S. 151; 119 Ib 417 E. 2c S.419), sodass, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorliegend zulässig ist. Das bedeutet auch, dass sämtliche Rügen des Beschwerdeführers im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geprüft werden können; Raum für eine staatsrechtliche Beschwerde besteht nicht (vgl. Art. 84 Abs. 2 OG). 
2.2 Selbst wenn ursprünglich keine Ausländerrechtsehe eingegangen worden ist, kann sich die Berufung auf die Ehe im ausländerrechtlichen Verfahren als rechtsmissbräuchlich und im Sinne von Art. 7 Abs. 2 ANAG als unzulässig erweisen. Nach feststehender bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt Rechtsmissbrauch vor, wenn der Ausländer sich auf eine Ehe beruft, die nur noch formell besteht, und wenn ihm jeglicher Wille zum Führen einer ehelichen Gemeinschaft fehlt, aber auch wenn für ihn klar erkennbar ist, dass keine Aussicht auf ein (weiteres) eheliches Zusammenleben bzw. auf die Führung einer Lebensgemeinschaft mit dem schweizerischen Ehegatten besteht, wobei es auf die Ursache der Trennung nicht ankommt. Die Berufung auf die Ehe läuft in einem solchen Fall darauf hinaus, dem Ausländer völlig unabhängig vom Bestand einer ehelichen Beziehung die Anwesenheit in der Schweiz zu ermöglichen; auf eine derartige Beanspruchung des gesetzlichen Aufenthaltsrechts des ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers in der Schweiz ist Art. 7 ANAG nicht ausgerichtet (BGE 130 II 113 E. 4.2 S. 117; 128 II 145 E. 2.2. S. 151; 127 II 49 E. 5 S. 56 ff. mit Hinweisen). Rechtsmissbrauch kann auch vorliegen, wenn der Ausländer sich auf eine Ehe beruft, die allein wegen der gesetzlich vorgesehenen Trennungsfrist gemäss Art. 114 ZGB noch nicht geschieden werden konnte, so wenn eine Scheidung gemäss Art. 115 ZGB (Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ehe für den Ehegatten) nicht erwirkt werden kann (vgl. BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 152). 
 
Da der Ausländer, der mit einem Schweizer Bürger verheiratet ist, nach fünf Jahren ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalts einen Anspruch auf Niederlassungsbewilligung erwirbt und dieser, einmal erworben, selbst durch eine Scheidung nicht mehr untergeht, kann der Bewilligungsanspruch schliesslich nur dann wegen Rechtsmissbrauchs erlöschen, wenn die Voraussetzungen hiefür sich vor Ablauf von fünf Jahren seit der Heirat verwirklicht haben. 
 
Die Annahme von Rechtsmissbrauch setzt klare Hinweise dafür voraus, dass die Führung einer Lebensgemeinschaft nicht mehr beabsichtigt bzw. auch aus der Sicht des Ausländers nicht mehr ernsthaft zu erwarten ist (BGE 128 II 145 E. 2.2 S. 151; 127 II 49 E. 5a S. 56 f., mit Hinweisen). 
Das Verwaltungsgericht hat die Frage offen gelassen, ob der Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen sei. Es nimmt indessen an, dass er sich im beschriebenen Sinn allein aus ausländerrechtlichen Gründen rechtsmissbräuchlich auf den Bestand der Ehe berufe. 
2.3 Der Beschwerdeführer ist selber der Ansicht, dass heute an eine Weiterführung der Ehe nicht mehr ernsthaft gedacht werden kann. Es ist einzig zu prüfen, ob dies - für ihn erkennbar - bereits der Fall war, bevor er einen Anspruch auf Niederlassungsbewilligung gemäss Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG erworben hatte. Entgegen seiner Auffassung sind, auch ohne dass der Ausgang des Strafverfahrens bzw. das Vorliegen des Berufungsurteils im Scheidungsverfahren abgewartet werden muss, genügend klare Indizien dafür gegeben, und es bestand keine Notwendigkeit für eine Verfahrenssistierung, sodass insbesondere der Gehörsverweigerungsvorwurf unbegründet ist. 
 
Voraussetzung für den Erwerb eines Anspruchs auf Niederlassungsbewilligung gemäss Art. 7 Abs. 1 ANAG ist ein ununterbrochener Aufenthalt von fünf Jahren. Nach Darstellung im Rekursentscheid des Departementes für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau vom 28. Juli 2003 weilte der Beschwerdeführer ab Mitte Oktober 1997 bis Ende Juni 1998 während rund sechseinhalb Monaten und im Jahr 1999 während über zehn Monaten in Nigeria (Rekursentscheid S. 3). Der Beschwerdeführer hat diese Sachverhaltsdarstellung in seiner Beschwerde an das Verwaltungsgerichts als zutreffend anerkannt. Da das Gesetz einen ununterbrochenen Aufenthalt verlangt, kann die Fünfjahresfrist gemäss Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG an sich erst ab Ende 1999 zu laufen beginnen. Aber selbst wenn sich diese Frist ab Eheschliessung (27. August 1997) bloss um die Dauer dieser beiden längsten, je über sechs Monate dauernden Abwesenheiten verlängern würde, hätte ein Anspruch auf Niederlassungsbewilligung frühestens im Laufe des Monats Januar 2004 erworben werden können, wobei spätere mehrmonatige Abwesenheiten sogar noch unberücksichtigt bleiben. 
Das Scheidungsurteil wurde bereits am 11. Juli 2002 gefällt. Es ist zwar nicht rechtskräftig. Aber für die gut eineinhalb Jahre bis Mitte Januar 2004 werden keine Kontakte zwischen den Ehegatten namhaft gemacht. Wenn auch dem Berufungsurteil im Scheidungsverfahren nicht vorgegriffen werden soll und nicht weiter zu beurteilen ist, ob der Ehefrau tatsächlich ein qualifizierter Scheidungsanspruch gestützt auf Art. 115 ZGB zustand, lassen doch die differenzierten Erwägungen des erstinstanzlichen Scheidungsurteils keine ernsthaften Zweifel daran aufkommen, dass die Ehefrau bereits zu jenem Zeitpunkt jegliches weitere eheliche Zusammenleben unmissverständlich ausschloss. Gerade angesichts ihrer Religiosität, die für ihren Entschluss, die Ehe einzugehen, zumindest eine gewisse Rolle gespielt hatte, kann auch ausgeschlossen werden, dass sie sich leichthin zur Scheidungsklage entschlossen haben könnte. Unabhängig davon, wie es sich mit den gegenüber dem Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfen im Einzelnen verhält, musste diesem klar sein, dass die Ehe bereits Mitte 2002, d.h. so oder anders vor der gemäss Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG massgeblichen Fünfjahresfrist, definitiv gescheitert war. 
2.4 Nach dem Gesagten steht dem Beschwerdeführer kein auf Art. 7 ANAG gestützter Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu. Wenn das Verwaltungsgericht die Verweigerung der Bewilligungsverlängerung bestätigt hat, hat es in keinerlei Hinsicht Bundesrecht verletzt. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist abzuweisen. 
2.5 Der Beschwerdeführer hat um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ersucht. Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, konnte der Beschwerdeführer nicht ernsthaft mit einer Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde rechnen. Dem Gesuch ist daher schon wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht zu entsprechen (vgl. Art. 152 OG). Entsprechend sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
1. 
Die Beschwerde wird als Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegengenommen und abgewiesen. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Departement für Justiz und Sicherheit und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 2. März 2005 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: