Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
4A_235/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 2. Juli 2014  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Kiss, Niquille, 
Gerichtsschreiberin Schreier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Alexander R. Lecki, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Bank B.________ AG,  
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michael Hunziker, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Sachliche Zuständigkeit, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 3. März 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die A.________ AG (Gesuchstellerin, Beschwerdeführerin) ist im Bereich der Anlageberatung und Vermögensverwaltung tätig. Mit Eingabe vom 14. Oktober 2013 stellte sie beim Bezirksgericht Zürich gestützt auf Art. 261 ZPO i.V.m. Art. 15 Abs. 1 DSG und Art. 28a ZGB ein Begehren um vorsorgliche Massnahmen. Sie beantragte, es sei der Bank B.________ AG (Gesuchsgegnerin, Beschwerdegegnerin) unter Androhung der Bestrafung nach Art. 292 StGB mit sofortiger Wirkung zu verbieten, im Zusammenhang mit ihrem Bankkunden C.________, Kunden-Nr. xxx, dem Department of Justice (DoJ) der Vereinigten Staaten von Amerika und/oder der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) Personendaten der Gesuchstellerin oder deren Partner und Mitarbeiter zu übermitteln.  
 
A.b. Mit Verfügung vom 16. Oktober 2013 entsprach das Bezirksgericht Zürich dem Antrag auf superprovisorische Anordnung der Massnahme, unter Androhung einer Busse an die Organe der Gesuchsgegnerin bis zu Fr. 10'000.-- im Widerhandlungsfall.  
 
A.c. Mit Verfügung vom 20. November 2013 trat das Bezirksgericht Zürich auf das Gesuch vom 14. Oktober 2013 nicht ein (Dispositiv-Ziff. 1). Gleichzeitig ordnete das Gericht an, die mit Verfügung vom 16. Oktober 2013 angeordnete superprovisorische Massnahme bleibe in Kraft, bis die Rechtsmittelfrist verstrichen sei oder bis nach Abschluss des Verfahrens vor Obergericht, falls von diesem nichts anderes angeordnet werde (Dispositiv-Ziff. 2). Das Bezirksgericht verneinte seine sachliche Zuständigkeit und erachtete das Handelsgericht des Kantons Zürich für zuständig.  
 
B.  
Dagegen erhob die Gesuchstellerin Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich und beantragte, die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich vom 20. November 2013 sei aufzuheben und die Sache sei mit der Auflage an das Bezirksgericht zurückzuweisen, über die anbegehrte vorsorgliche Massnahme materiell zu entscheiden. 
Mit Urteil vom 3. März 2014 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Berufung ab (Dispositiv-Ziff. 1). Gleichzeitig ordnete das Obergericht an, die mit Verfügung des Bezirksgerichts Zürich vom 16. Oktober 2013 angeordnete Massnahme bleibe vorbehältlich eines abweichenden Entscheides des Bundesgerichts bis zum Ablauf der Beschwerdefrist in Kraft (Dispositiv-Ziff. 2). 
Das Obergericht hielt alle Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 2 ZPO für erfüllt und fügte an, das Erfordernis von Art. 6 Abs. 2 lit. b ZPO (Möglichkeit der Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht) wäre auch gegeben, wenn entgegen der Ansicht des Gerichts von einer nicht vermögensrechtlichen Streitigkeit auszugehen wäre. Die Erfüllung der bundesrechtlichen Voraussetzungen der sachlichen Zuständigkeit nach Art. 6 ZPO hielt das Obergericht freilich nicht für hinreichend in der Meinung, die Kantone könnten die bundesrechtliche Kompetenz zur Errichtung eines Handelsgerichts auch nur teilweise ausschöpfen. Das Obergericht prüfte daher auch nach kantonalem Recht (§ 44 lit. b des Gesetzes des Kantons Zürich vom 10. Mai 2010 über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess [GOG; LS 211.1]), ob die Zuständigkeit des Handelsgerichts für die vorliegende Streitsache bestehe, was es bejahte. Das trotzdem einstweilen angeordnete Verbot bestätigte das Gericht bis zum Ablauf der Beschwerdefrist mit der Begründung, es sei ein negativer Kompetenzkonflikt mit dem Handelsgericht zu erwarten. 
 
C.  
Mit Beschwerde vom 9. April 2014 stellt die Gesuchstellerin den Antrag, es sei das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 3. März 2014 aufzuheben und die Angelegenheit sei an das Bezirksgericht Zürich zurückzuweisen mit der Auflage, auf das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen einzutreten. Ausserdem stellt sie den "Verfahrensantrag", im Falle der Abweisung der Beschwerde sei die vom Bezirksgericht Zürich mit Verfügung vom 16. Oktober 2013 angeordnete Massnahme bis zum Ablauf einer fünftägigen Frist ab Zustellung des bundesgerichtlichen Entscheides analog zu Art. 63 ZPO in Kraft zu lassen. 
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der verfassungsrechtlichen Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV. Zur Begründung führt sie aus, es liege keine vermögensrechtliche Streitigkeit vor und das Handelsgericht des Kantons Zürich habe sich in einer Verfügung vom 1. Februar 2012 (publiziert in den Blättern für Zürcherische Rechtsprechung [ZR] 111/2012 S. 183) für die Beurteilung von Klagen ohne Streitwert unter Bezugnahme auf § 44 lit. b GOG (der ein qualifiziertes Schweigen enthalte) für nicht zuständig erklärt. Daran sei seither festgehalten worden, womit das Handelsgericht auf das Gesuch der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht eintreten werde. 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde betrifft eine Zivilsache (Art. 72 BGG); sie richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) eines oberen kantonalen Gerichts (Art. 75 BGG) und ist von der mit ihren Anträgen unterliegenden Partei (Art. 76 BGG) rechtzeitig (Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereicht worden. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob eine vermögensrechtliche Angelegenheit vorliegt. Da bei Bejahung einer solchen der Streitwert über Fr. 30'000.-- betragen würde, ist die Beschwerde in Zivilsachen unabhängig von der Beantwortung dieser Frage grundsätzlich zulässig (Art. 74 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Die Vorinstanz hat den Entscheid des erstinstanzlichen Gerichts bestätigt, mit dem das Bezirksgericht auf das Gesuch der Beschwerdeführerin um vorsorgliche Massnahmen mangels sachlicher Zuständigkeit nicht eingetreten ist. Mit der Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG). Die Verletzung von Grundrechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das bedeutet, dass klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheides darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 139 IV 265 E. 2.5 S. 266 f.; 135 III 232 E. 1.2 S. 234, je mit Hinweisen).  
 
2.  
Die Beschwerdeführerin beruft sich auf Art. 29a BV. Diese Bestimmung garantiert jeder Person bei Rechtsstreitigkeiten eine Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Die Beschwerdeführerin rügt, mit dem angefochtenen Urteil werde ihr der Zugang zum Recht für ihre Massnahmebegehren verweigert. Denn es liege eine Streitigkeit ohne Vermögenswert vor, für welche auch das Handelsgericht nach einer Verfügung vom 1. Februar 2012 (ZR 111/2012 S. 183) seine sachliche Zuständigkeit verneine, woran seither festgehalten worden sei. 
 
2.1. Die Vorinstanz hat die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts bejaht und damit ihre eigene verneint. Sie hat dies hauptsächlich damit begründet, (auch) die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 2 lit. b ZPO und § 44 lit. b GOG seien erfüllt, da entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ein vermögensrechtlicher Streit mit einem Streitwert von mindestens Fr. 30'000.-- vorliege. Zwar würden Persönlichkeitsansprüche im Sinne des Datenschutzgesetzes als solche nicht als vermögensrechtlich gelten. Dagegen könnten Begehren auf Herausgabe von Daten nicht unbesehen von ihrer Art als nicht vermögensrechtlich qualifiziert werden. Im vorliegenden Fall lege zwar die Beschwerdeführerin die Nachteile nicht substanziiert dar, welche die Datenherausgabe für sie hätte, aber es gehe aus der Schilderung hervor, dass es ihr primär darum gehe, nicht in Verfahren von US-Behörden einbezogen zu werden und dadurch geschäftlichen Schaden zu erleiden. Es gehe somit nicht um den Schutz der Persönlichkeit, sondern um die Vermeidung unnötiger Kosten und wirtschaftlicher Nachteile, weshalb die Beschwerdeführerin einen vermögensrechtlichen Zweck verfolge. Als Eventualbegründung führte die Vorinstanz aus, selbst wenn keine vermögensrechtliche Streitigkeit vorliegen würde, wäre das Handelsgericht (entgegen dessen Rechtsprechung) sowohl nach Art. 6 ZPO als auch nach § 44 lit. b GOG sachlich zuständig.  
 
2.2. Alternative Begründungen, die je den angefochtenen Entscheid selbständig stützen, müssen je eigens gehörig angefochten werden (BGE 136 III 534 E. 2.2 S. 535 f.; 133 IV 119 E. 6.3 S. 120 f.). Die Beschwerdeführerin bezeichnet die Auffassung der Vorinstanz, wonach eine vermögensrechtliche Streitigkeit vorliege, als unzutreffend. Sie rügt in diesem Zusammenhang aber nicht ausdrücklich eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte. Es ist daher fraglich, ob die Begründungsanforderungen erfüllt sind. Die Frage kann jedoch offen bleiben, da die Beschwerde materiell ohnehin unbegründet ist.  
 
2.3. Nach konstanter Praxis sind als nicht vermögensrechtlich Streitigkeiten über Rechte zu betrachten, die ihrer Natur nach nicht in Geld geschätzt werden können (BGE 139 II 404 E. 12.1 S. 448; 108 II 77 E. 1a S. 78). Es muss sich um Rechte handeln, die weder zum Vermögen einer Person gehören noch mit einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis eng verbunden sind. Dass die genaue Berechnung des Streitwertes nicht möglich oder dessen Schätzung schwierig ist, genügt nicht, um eine Streitsache als eine solche nicht vermögensrechtlicher Natur erscheinen zu lassen. Massgebend ist, ob mit der Klage letztlich und überwiegend ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird (BGE 139 II 404 E. 12.1 S. 448; 118 II 528 E. 2c S. 531). Ist dies der Fall, liegt eine vermögensrechtliche Streitigkeit vor (BGE 139 II 404 E. 12.1 S. 448; 135 III 578 E. 66.3 S. 581, je mit Hinweisen).  
 
2.4. Die Vorinstanz hat mit dem Schluss, es liege eine vermögensrechtliche Streitigkeit vor, keine verfassungsmässigen Rechte verletzt. Sie konnte namentlich ohne Verletzung des (allerdings nicht ausdrücklich gerügten) Willkürverbots schliessen, der Beschwerdeführerin als juristische Person gehe es primär darum, dass sie nicht in Verfahren verwickelt werde, die ihr Kosten und wirtschaftliche Nachteile verursachten. Die Vorinstanz konnte ohne Verletzung verfassungsmässiger Rechte annehmen, es gehe der Beschwerdeführerin nicht um den Schutz ihrer Persönlichkeit, sondern um den Schutz ihres Vermögens, zumal selbst ein Reputationsverlust letztlich zu einem Schaden in ihrem Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsgeschäft führen würde. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin erweist sich die vorinstanzliche Erwägung, bei gewinnorientierten juristischen Personen würden die Vermögensinteressen in der Regel überwiegen, nicht als willkürlich.  
 
2.5. Liegt nach dem Gesagten eine vermögensrechtliche Streitigkeit vor, so stellt auch die Beschwerdeführerin nicht in Frage, dass das Handelsgericht nach Art. 6 Abs. 2 ZPO sachlich zuständig ist und daher das Obergericht seine Zuständigkeit zu Recht bzw. ohne Verletzung verfassungsmässiger Rechte verneint hat. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, soweit die formellen Anforderungen an die Begründung überhaupt als erfüllt anzusehen sind.  
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Das Begehren um Anordnung vorsorglicher Massnahmen über den Entscheid hinaus entbehrt der gesetzlichen Grundlage. Es obliegt der rechtsuchenden Person, ihre Ansprüche bei der zuständigen Instanz anzubringen und im vorliegenden Fall werden weder hinreichende Gründe vorgebracht noch sind solche ersichtlich, um von diesem Grundsatz abzuweichen. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist hingegen nicht geschuldet, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. Juli 2014 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Klett 
 
Die Gerichtsschreiberin: Schreier