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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 121/03 
Urteil vom 2. September 2003 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und nebenamtlicher Richter Maeschi; Gerichtsschreiberin Berger Götz 
 
Parteien 
K.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Patrick Somm, Centralbahnstrasse 11, 4002 Basel, 
 
gegen 
 
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 78, 5001 Aarau, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 29. April 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1972 geborene K.________ war seit 1. März 2000 als Hilfsmonteur von mobilen Trennwänden und Deckensystemen bei P.________ tätig. Ab Juni 2002 blieben die Lohnzahlungen aus. Am 9. September 2002 wurde das Arbeitsverhältnis aufgelöst und am 10. September 2002 nahm K.________ eine neue Erwerbstätigkeit auf. Am 11. November 2002 wurde über den früheren Arbeitgeber der Konkurs eröffnet, in welchen K.________ am 16. Januar 2003 eine Lohnforderung für die Zeit vom 1. Juni bis 10. September 2002 von Fr. 15'790.- eingab. Gleichentags stellte er bei der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau einen Antrag auf Insolvenzentschädigung. Mit Verfügung vom 4. Februar 2003 lehnte die Arbeitslosenkasse das Begehren mit der Begründung ab, er sei seiner Schadenminderungspflicht nicht nachgekommen, indem er sowohl nach der letzten Lohnzahlung als auch nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses nichts unternommen habe, um die offene Lohnforderung durchzusetzen. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 19. Februar 2003). 
B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 29. April 2003). 
C. 
K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen sinngemäss mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Gerichtsentscheids vom 29. April 2003 und des Einspracheentscheids vom 19. Februar 2003 sei ihm die beantragte Insolvenzentschädigung zuzusprechen. 
 
Die Arbeitslosenkasse beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Im vorinstanzlichen Entscheid werden die Bestimmungen und Grundsätze zum Anspruch auf Insolvenzentschädigung (Art. 51 Abs. 1 AVIG), zu dessen Umfang (Art. 52 Abs. 1 AVIG in der seit 1. September 1999 gültigen, hier anwendbaren Fassung in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 AVIG) sowie zu den Pflichten des Arbeitnehmers im Konkurs- oder Pfändungsverfahren (Art. 55 Abs. 1 AVIG; BGE 114 V 59 Erw. 3d; ARV 2002 Nr. 8 S. 62 ff. und Nr. 30 S. 190 ff., 1999 Nr. 24 S. 140 ff.; Urteil B. vom 18. Februar 2000, C 362/98, zusammengefasst in SZS 2001 S. 92 ff.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
1.2 Zu ergänzen ist, dass auf den 1. Januar 2003 das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten ist, welches im Hinblick darauf, dass Verfügung (4. Februar 2003) und Einspracheentscheid (19. Februar 2003) nach diesem Zeitpunkt ergangen sind, auf den vorliegenden Fall grundsätzlich anwendbar ist, auch wenn sich der massgebende Sachverhalt teilweise schon vor Inkrafttreten des ATSG verwirklicht hat (Art. 82 Abs. 1 ATSG). Bezüglich der hier streitigen Frage nach einer Verletzung der Schadenminderungspflicht enthält das ATSG - mit Ausnahme von Art. 21 Abs. 4 - indessen keine Bestimmungen (vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, S. 17 Rz 34). 
2. 
2.1 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hält der Beschwerdeführer zu Recht nicht am sinngemäss erhobenen Einwand fest, der Einspracheentscheid beruhe insofern auf einer unzutreffenden Auslegung und Anwendung des Gesetzes, als er von einer Schadenminderungspflicht nach Art. 55 AVIG auch ausserhalb des Konkurs- oder Pfändungsverfahrens ausgehe. Zwar bezieht sich die in Abs. 1 der Bestimmung statuierte Pflicht des Versicherten, alles zu unternehmen, um seine Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber zu wahren, dem Wortlaut nach auf das Konkurs- und Pfändungsverfahren. Die Norm bildet jedoch Ausdruck der allgemeinen Schadenminderungspflicht, welche auch dann Platz greift, wenn das Arbeitsverhältnis vor der Konkurseröffnung aufgelöst wird (BGE 114 V 60 Erw. 4; ARV 1999 Nr. 24 S. 140 ff.), und der versicherten Person in reduziertem Umfang schon vor der Auflösung des Arbeitsverhältnisses obliegt, wenn der Arbeitgeber der Lohnzahlungspflicht nicht oder nur teilweise nachkommt und mit einem Lohnverlust zu rechnen ist (ARV 2002 Nr. 30 S. 190; Urteile T. vom 4. Juli 2002, C 39/02, und N. vom 15. Oktober 2001, C 194/01). 
2.2 Der Beschwerdeführer hat die Lohnforderung für die Zeit ab 1. Juni 2002 seinen Angaben zufolge wiederholt mündlich geltend gemacht. Dass er sich zunächst mit der ebenfalls mündlichen Zusicherung des Arbeitgebers begnügt hat, die Lohnzahlungen würden sobald als möglich erfolgen, mag insbesondere im Hinblick darauf, dass sich die Parteien per 1. Juni 2002 auf eine neue Lohnregelung geeinigt hatten (Monats- statt Stundenlohn), als verständlich erscheinen. Zu einem Verzicht auf konkrete Massnahmen zur Realisierung der Lohnansprüche bestand aber spätestens nach der offenbar in gegenseitigem Einvernehmen erfolgten Auflösung des Arbeitsverhältnisses per 9. September 2002 kein Anlass mehr. Der Versicherte hat auch nach diesem Zeitpunkt keine rechtlichen Schritte (schriftliche Mahnung, Betreibung) zur Einforderung der ausstehenden Löhne unternommen, obschon er ab Juni 2002 keinen Lohn mehr erhalten hatte und ihm auf Grund der Angaben des Arbeitgebers bekannt war, dass der Betrieb sich in finanziellen Schwierigkeiten befand. Erst nachdem am 11. November 2002 über die Firma der Konkurs eröffnet worden war, beauftragte er die Orion Rechtsschutz-Versicherungsgesellschaft (nachfolgend: Orion) mit der Wahrung seiner Interessen. Nach Vornahme näherer Abklärungen hat diese am 16. Januar 2003 beim Konkursamt eine Forderung in der Höhe von Fr. 15'790.- eingereicht. Indem der Beschwerdeführer auch nach der am 9. September 2002 erfolgten Auflösung des Arbeitsverhältnisses während längerer Zeit keine konkreten Massnahmen zur Durchsetzung der Lohnansprüche in die Wege geleitet und damit bis nach der Konkurseröffnung zugewartet hat, ist er der arbeitslosenversicherungsrechtlichen Schadenminderungspflicht nicht nachgekommen. 
3. 
Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht wird, vermag zu keinem andern Ergebnis zu führen. Wohl mag es zutreffen, dass der Versicherte sich wiederholt beim Arbeitgeber bezüglich der Lohnzahlungen erkundigt und seine Lohnansprüche auch geltend gemacht hat. Es handelte sich jedoch ausschliesslich um telefonische Interventionen und nicht um rechtliche Schritte zur Realisierung der Lohnausstände, wie sie dem Leistungsansprecher auf Grund der Schadenminderungspflicht für die Zeit nach erfolgter Auflösung des Arbeitsverhältnisses obliegen. Es mag sodann als verständlich erscheinen, dass der Beschwerdeführer eine Rechtsschutzversicherung mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt hat. Er kann jedoch nicht nachweisen, dass er dies vor der am 11. November 2002 erfolgten Konkurseröffnung über den Arbeitgeber getan hat. Es liegt diesbezüglich lediglich ein Schreiben der Orion vom 12. Dezember 2002 vor, mit welchem diese vom ehemaligen Arbeitgeber nähere Angaben zum Arbeitsverhältnis und zu den Lohnverhältnissen verlangt hat. Selbst wenn dem Beschwerdeführer anlässlich der Kontaktnahme mit der Rechtsschutzversicherung die Konkurseröffnung noch nicht bekannt gewesen sein sollte, ist ihm vorzuhalten, dass er ohne ersichtlichen Grund mit Massnahmen zur Realisierung der Lohnausstände zugewartet hat, obschon er mit einem Lohnverlust rechnen musste. Der Lohnausstand hat zwar nur etwas mehr als drei Monate umfasst und zwischen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses und der Konkurseröffnung liegen lediglich rund zwei Monate. Nach den gesamten Umständen ist die verfügte Leistungsverweigerung jedoch nicht als unverhältnismässig zu qualifizieren. Schliesslich kann entgegen den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht angenommen werden, dass der Schaden (Lohnverlust) auch bei pflichtgemässem Handeln nicht zu vermeiden gewesen wäre. Denn es ist nicht auszuschliessen, dass bei sofortiger Androhung oder Einleitung betreibungsrechtlicher Massnahmen noch eine Zahlung erfolgt wäre. Demzufolge besteht kein Grund, die Rechtmässigkeit der Leistungsverweigerung mangels einer Kausalität des pflichtwidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers zu verneinen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 2. September 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: