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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_382/2011 
 
Urteil vom 2. September 2011 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Raselli, Merkli, 
Gerichtsschreiber Stohner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, 
Hauptabteilung OK/WK, Rheinstrasse 12, Postfach, 
4410 Liestal, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
1. X.________, vertreten durch Rechtsanwältin 
Ana Dettwiler, 
2. Ana Dettwiler, Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Akteneinsicht, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 7. Juni 2011 des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Gegen X.________, amtlich verteidigt durch Rechtsanwältin Ana Dettwiler, wird ein Strafverfahren wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz geführt. Am 1. April 2011 teilte die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung Organisierte Kriminalität/Wirtschaftskriminalität (OK/WK), X.________ mit, die Strafuntersuchung sei abgeschlossen, und es werde Anklage beim urteilenden Gericht erhoben werden. Allfällige Beweisanträge seien bis zum 20. April 2011 bei der Staatsanwaltschaft einzureichen. Die Akten könnten bis zu diesem Datum nach Vereinbarung eines Termins bei der Staatsanwaltschaft eingesehen werden. Da die Verfahrensunterlagen rund 80 Bundesordner umfassten und mehrere Personen ein Akteneinsichtsrecht geltend machen könnten, sei eine Zusendung der Verfahrensakten nicht möglich. 
Mit Schreiben vom 4. April 2011 an die Staatsanwaltschaft hielt die Rechtsvertreterin von X.________ fest, die Frist zur Einreichung von Beweisanträgen sei angesichts des grossen Aktenumfangs viel zu kurz bemessen. Das Stellen von Beweisanträgen bedürfe des Aktenstudiums, wobei es unzumutbar sei, dieses in den Räumen der Staatsanwaltschaft vorzunehmen. Ihr seien deshalb die Verfahrensakten in Kopie oder per CD-ROM bzw. externer Festplatte zuzustellen. 
Am 6. April 2011 vereinbarten die Stellvertretende Leitende Staatsanwältin und die Rechtsvertreterin von X.________ telefonisch, dass die Untersuchungsakten der Verteidigung zur Anfertigung eigener Kopien zur Verfügung gestellt würden. 
Mit Schreiben vom 11. April 2011 an die Staatsanwaltschaft beantragte die Rechtsvertreterin von X.________ eine vorgängige Kostengutsprache für die Kopierarbeiten zu einem Ansatz von 25 Rappen (zuzüglich Mehrwertsteuer) pro Seite bei insgesamt rund 24'000 Seiten. Andernfalls halte sie an ihrem ursprünglichen Antrag fest, wonach ihr die Verfahrensakten entweder in Kopie oder auf CD-ROM bzw. externer Festplatte zur Einsicht zuzustellen seien. Für den Fall der Ablehnung dieser Anträge wurde um Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung ersucht. 
Mit Verfügung vom 12. April 2011 hielt die Staatsanwaltschaft fest, die Verfahrensakten in digitaler Form zu übermitteln, sei aus organisatorischen Gründen nicht möglich. Zugleich sei es nachvollziehbar, dass es umständlich sei, die Akten in den Büros der Staatsanwaltschaft einzusehen. Es werde daher angeboten, der Rechtsvertreterin von X.________ ein vollständiges Kopienset der Akten zur Anfertigung eigener Kopien bis zum 9. Mai 2011 zur Verfügung zu stellen. Die Erteilung einer Kostengutsprache liege hingegen nicht in der Kompetenz der Staatsanwaltschaft; vielmehr werde das urteilende Gericht im Endentscheid über die Kosten- und Entschädigungsfolgen zu befinden haben. Im Sinne dieser Ausführungen wies die Staatsanwaltschaft die Anträge auf Zurverfügungstellung der Verfahrensakten auf CD-ROM bzw. externer Festplatte oder in Form eines persönlichen Kopiensets und auf Kostengutsprache ab. 
 
B. 
Gegen diese Verfügung erhob Ana Dettwiler im eigenen und im Namen ihres Mandanten mit Eingabe vom 20. April 2011 Beschwerde ans Kantonsgericht Basel-Landschaft. 
Mit Beschluss vom 7. Juni 2011 trat das Kantonsgericht auf die von Ana Dettwiler im eigenen Namen geführte Beschwerde nicht ein. Hingegen hiess es die Beschwerde von X.________ teilweise gut, soweit es auf diese eintrat. Es erwog, der Staatsanwaltschaft komme bis zur Anklageerhebung die Verfahrensleitung zu. Demzufolge sei sie auch zur Erteilung einer Kostengutsprache zuständig. Angesichts des sehr grossen Aktenumfangs seien sowohl eine Einsichtnahme in den Räumlichkeiten der Staatsanwaltschaft wie auch eine befristete Zustellung der Akten für die Ausübung des Rechts auf Akteneinsicht unzureichend. Die Anfertigung eines vollständigen Kopiensets erweise sich damit als notwendig, und insoweit dränge es sich auf, eine Kostengutsprache zu leisten, denn die Kopierkosten sprengten den Umfang des allgemein Üblichen, sodass sich die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers ohne eine entsprechende Anordnung mit einem erheblichen Kostenrisiko konfrontiert sähe und möglicherweise auf das Erstellen der Kopien verzichten müsste. Der geltend gemachte Ansatz von 25 Rappen pro kopierter Seite sei üblich und angemessen. In Aufhebung der angefochtenen Verfügung vom 12. April 2011 verpflichtete das Kantonsgericht die Staatsanwaltschaft deshalb, der Rechtsvertreterin von X.________ sämtliche Verfahrensakten während einer ausreichenden Dauer zum Erstellen von Kopien zur Verfügung zu stellen und eine Kostenvergütung von 25 Rappen pro kopierter Seite auszurichten. 
 
C. 
Mit Eingabe vom 22. Juli 2011 führt die Staatsanwaltschaft Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht mit den Rechtsbegehren, der Beschluss des Kantonsgerichts vom 7. Juni 2011 sei abzuändern, und die Beschwerde von X.________ sei vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Kantonsgericht stellt Antrag auf Beschwerdeabweisung. Die Rechtsvertreterin von X.________ beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei diese abzuweisen. 
Die Stellungnahmen wurden der Beschwerdeführerin zur Kenntnisnahme zugestellt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der bei ihm erhobenen Beschwerden von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 135 II 30 E. 1 S. 31). 
 
1.1 Der angefochtene Beschluss der Vorinstanz ist ein Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG). Er betrifft ein Gesuch um Akteneinsicht respektive um Leistung einer Kostengutsprache im Rahmen eines Strafverfahrens. Dieser Beschluss, mit welchem die Vorinstanz die Verfügung der Beschwerdeführerin vom 12. April 2011 aufgehoben und die Sache an diese zurückgewiesen hat, schliesst das Strafverfahren nicht ab. Es handelt sich somit um einen Zwischenentscheid. 
Vorbehältlich der hier nicht gegebenen Fälle von Art. 92 BGG ist die Beschwerde gegen einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid nur zulässig, wenn dieser einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder - was vorliegend ausser Betracht fällt - die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Die Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG sollen das Bundesgericht entlasten; dieses soll sich möglichst nur einmal mit einer Sache befassen müssen (BGE 135 II 30 E. 1.3.2 S. 34). Die Ausnahmevoraussetzungen sind deshalb strikt zu handhaben. Kein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist nach der Praxis des Bundesgerichts anzunehmen, wenn es einer Partei bloss darum geht, eine Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens zu verhindern (BGE 135 II 30 E. 1.3.4 S. 36). 
 
1.2 Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, der nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bestehe in der ihr von der Vorinstanz auferlegten Verpflichtung, der amtlichen Verteidigerin eine Kostengutsprache für das Kopieren der gesamten Verfahrensakten zu leisten. Das erstinstanzliche Gericht entscheide am Ende des Verfahrens über die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin und sei an diese Kostengutsprache nicht gebunden. Falle die vom erstinstanzlichen Gericht als angemessen erachtete Entschädigung tiefer aus als der durch die Kostengutsprache gedeckte Betrag, müsse die Staatsanwaltschaft den Differenzbetrag aus ihrer Kasse bezahlen. 
 
1.3 Folgt man der Argumentation der Beschwerdeführerin, hat sie zum jetzigen Zeitpunkt keinen finanziellen Schaden, sondern ein solcher könnte ihr einzig durch einen vom angefochtenen Beschluss der Vorinstanz vom 7. Juni 2011 abweichenden Endentscheid des erstinstanzlichen Gerichts erwachsen. Diesfalls aber könnte sie diesen für sie nachteiligen Endentscheid anfechten, sodass nicht einsichtig ist, inwiefern der angefochtene Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könnte. 
Mit ihrer Argumentation verkennt die Beschwerdeführerin aber ohnehin, dass der Beschluss der Vorinstanz als oberste rechtsprechende Behörde des Kantons nicht nur für sie (die Beschwerdeführerin), an welche die Sache zurückgewiesen worden ist, sondern ebenso für das urteilende erstinstanzliche Gericht, welches der Vorinstanz unterstellt ist, zumindest im Ergebnis verbindlich ist (vgl. hierzu § 8 des Gesetzes über die Organisation der Gerichte des Kantons Basel-Landschaft vom 22. Februar 2001 [Gerichtsorganisationsgesetz, GOG/BL; SG 170] und § 14 f. des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung des Kantons Basel-Landschaft vom 12. März 2009 [EG StPO/BL; SG 250]). Aufgrund dieser Bindungswirkung ist es der Beschwerdeführerin wie auch dem erstinstanzlichen Gericht mithin verwehrt, einen abweichenden Kostenentscheid zu treffen (zur vergleichbaren Thematik der Bindungswirkung bundesgerichtlicher Rückweisungsentscheide vgl. BGE 135 III E. 2 S. 335). Würde sich das 
erstinstanzliche Gericht nicht daran halten, so müsste die Vorinstanz auf Beschwerde hin eine entsprechende Korrektur anordnen. 
Klarstellend ist im Weiteren darauf hinzuweisen, dass es der Beschwerdeführerin unbenommen wäre, den Beschluss der Vorinstanz mit Beschwerde gegen den (in Bezug auf die Kostengutsprache mit dem angefochtenen Beschluss übereinstimmenden) erstinstanzlichen Endentscheid anzufechten. Dies gilt auch, wenn das Verfahren in der Hauptsache mit einem für die Beschwerdeführerin befriedigenden Entscheid enden sollte und sie diesbezüglich kein Rechtsmittel mehr zu ergreifen bräuchte. Sie würde bei einer solchen Ausgangslage, ohne den Instanzenzug ausschöpfen zu müssen, die Eröffnung des erstinstanzlichen Endentscheids als fristauslösendes Ereignis für die Anfechtung der von der Vorinstanz im Zwischenentscheid vom 7. Juni 2011 beschlossenen Kostengutsprache betrachten und unmittelbar ans Bundesgericht gelangen können (vgl. BGE 135 III 329; 133 V 645 E. 2 S. 647 f.; Urteil 2C_759/2008 vom 6. März 2009 E. 2.3 - 2.7, in: ASA 79 S. 595). 
 
2. 
Da der angefochtene Zwischenentscheid folglich keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken kann, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Der Beschwerdeführerin sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat sie den Beschwerdegegnern eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Der Kanton Basel-Landschaft, Staatsanwaltschaft, hat den Beschwerdegegnern eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu entrichten. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 2. September 2011 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Stohner