Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1B_619/2021
Verfügung vom 2. September 2022
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Haag, als Einzelrichter,
Gerichtsschreiber Schurtenberger.
Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin,
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern.
Gegenstand
Strafverfahren; Gutachten,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 11. Oktober 2021 (BK 21 300 + 301).
Sachverhalt:
A.
Die kantonale Staatsanwaltschaft für besondere Aufgaben des Kantons Bern (nachfolgend Staatsanwaltschaft) führt ein Strafverfahren gegen unbekannte Täterschaft wegen eines aussergewöhnlichen Todesfalls (Suizid in Polizeigewahrsam). B.________ und A.________, die Eltern des verstorbenen C.________ sel., haben sich im Strafverfahren als Privatkläger konstituiert und der verfahrensleitenden Staatsanwaltschaft zahlreiche Beweisanträge gestellt, namentlich den Antrag auf Aktenbeizug sowie, im Hinblick auf ein zu erstellendes Gutachten, die Abänderung des Fragenkatalogs respektive die Zulassung von Ergänzungsfragen.
B.
Gegen die Ablehnung der vorgenannten Beweisanträge gelangten B.________ und A.________ an das Obergericht des Kantons Bern. Mit Beschluss vom 11. Oktober 2021 wurde die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde.
C.
Dagegen erheben B.________ und A.________ mit Eingabe vom 12. November 2021 Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Zulassung der durch sie gestellten Ergänzungsfragen. Weiter verlangen sie die Zusprechung einer Parteientschädigung für das vorinstanzliche Verfahren.
Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdeführer haben mit Eingabe vom 29. November 2021 eine (sprachlich) bereinigte Beschwerdeschrift nachgereicht, darüber hinaus aber auf weitere Eingaben zur Sache verzichtet.
D.
Mit Eingabe vom 25. März 2022 haben die Beschwerdeführer das Bundesgericht darüber in Kenntnis gesetzt, dass in der Zwischenzeit das Gutachten erstellt worden sei, die streitigen Fragen indessen allenfalls noch als Ergänzungsfragen nachgereicht werden könnten. Dies könne die Gegenstandslosigkeit des Verfahrens zur Folge haben, weshalb die Sistierung des Verfahrens beantragt wurde. Das Obergericht verzichtete diesbezüglich auf eine Vernehmlassung, die Staatsanwaltschaft teilte mit Eingabe vom 13. April 2022 mit, sie widersetze sich dem Sistierungsantrag nicht. Entsprechend wurde das Verfahren mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 27. April 2022 bis auf Weiteres ausgesetzt.
Mit Schreiben vom 29. Juli 2022 beantragen die Beschwerdeführer die Abschreibung des Verfahrens. Das Gutachten liege bereits vor und ihnen sei mittlerweile auch die Möglichkeit eingeräumt worden, die gewünschten Ergänzungsfragen zu stellen, weshalb der Prozess sich in der Essenz als gegenstandslos erweise. Das Obergericht hat sich zur Frage der Gegenstandslosigkeit des Verfahrens nicht vernehmen lassen. Die Staatsanwaltschaft hat mit Eingabe vom 10. August 2022 Stellung genommen und beantragt, die Verfahrenskosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in Strafsachen setzt ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids voraus (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). Dieses muss aktuell sein; es muss also nicht nur im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung, sondern auch noch im Zeitpunkt der Urteilsfällung bestehen (BGE 137 I 296 E. 4.2). Mit diesem Erfordernis soll sichergestellt werden, dass das Gericht konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet (BGE 140 IV 74 E. 1.3.1). Fällt das schutzwürdige Interesse im Laufe des Verfahrens dahin, wird die Sache grundsätzlich als erledigt erklärt (BGE 142 I 135 E. 1.3.1). Das Bundesgericht berücksichtigt Tatsachen, welche zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens führen, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Eintretens und von Amtes wegen (Urteil 1B_121/2022 vom 7. Juni 2022 E. 2 mit Hinweisen).
2.
Der vorinstanzliche Entscheid ist einzig insoweit angefochten, als die von den Beschwerdeführern gewünschten Zusatzfragen an den Gutachter streitig waren. Mit der Erstellung des Gutachtens und der nachträglichen Zulassung dieser Fragen als Ergänzungsfragen ist das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführer, wie letztere selbst vorbringen, dahingefallen und das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren somit gegenstandslos geworden. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die sich jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnten, ohne dass im Einzelfall rechtzeitig eine höchstrichterliche Prüfung stattfinden könnte (vgl. BGE 140 IV 74 E. 1.3.3.), stellen sich vorliegend nicht. Demzufolge ist das Verfahren vom Instruktionsrichter als Einzelrichter (Art. 32 Abs. 2 BGG) als gegenstandslos abzuschreiben (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP).
3.
Bei Gegenstandslosigkeit des Verfahrens entscheidet der Einzelrichter mit summarischer Begründung über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). In erster Linie ist somit auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen. Dabei geht es nicht darum, die Prozessaussichten im Einzelfall zu prüfen und dadurch weitere Umtriebe zu verursachen. Auf dem Weg über den Kostenentscheid soll nicht ein materielles Urteil gefällt und unter Umständen der Entscheid in einer heiklen Rechtsfrage präjudiziert werden (zum Ganzen BGE 142 V 551 E. 8.2; Urteil 1B_67/2022 vom 23. Mai 2022 E. 4 mit Hinweis). Lässt sich der mutmassliche Ausgang eines Verfahrens im konkreten Fall nicht ohne Weiteres feststellen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auf allgemeine zivilprozessrechtliche Kriterien zurückzugreifen. Danach wird in erster Linie jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig, die das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst oder bei der die Gründe eingetreten sind, die zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens geführt haben (Urteile 1B_121/2022 vom 7. Juni 2022 E. 2; 1B_67/2022 vom 23. Mai 2022 E. 4; je mit Hinweisen).
3.1. Nach der hiervor zitierten Rechtsprechung ist für die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen nur dann auf den mutmasslichen Ausgang des Verfahrens abzustellen, wenn sich dieser ohne Weiteres feststellen lässt. Dies ist vorliegend nicht der Fall: Sowohl die Fragen nach der prozessualen Zulässigkeit (vgl. Art. 81 Abs. 1 lit. 5 und Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ) als auch der materiellen Begründetheit der über 40-Seitigen Beschwerde, mit welcher in erster Linie die Verletzung von Konventionsrecht gerügt wird (insb. Art. 2, Art. 6 und Art. 13 EMRK ), bedürften einer eingehenden bundesgerichtlichen Prüfung und Abwägung.
3.2. Für die Bestimmung der Kostenfolgen ist demnach auf das Verursacherprinzip abzustellen. Vorliegend wurde das streitige Gutachten trotz hängiger Beschwerde erstellt. Im Anschluss wurden die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden (zunächst nicht berücksichtigten) Zusatzfragen der Beschwerdeführer gemäss ihrer unbestrittenen gebliebener Darstellung nachträglich von der Staatsanwaltschaft als Ergänzungsfragen zugelassen. Die Staatsanwaltschaft hat somit die Gründe zu verantworten, die zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens geführt haben. Demnach sind ihr als Verursacherin die Verfahrenskosten zu überbinden (vgl. Urteil 1B_67/2022 vom 23. Mai 2022 E. 4.2 mit Hinweis).
Die Staatsanwaltschaft handelte in ihrem amtlichen Wirkungskreis, weshalb für das bundesgerichtliche Verfahren keine Gerichtskosten zu erheben sind (Art. 66 Abs. 4 BGG). Indessen sind die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer angemessen zu entschädigen (Art. 68 BGG).
Demnach verfügt der Einzelrichter:
1.
Das Verfahren 1B_619/2021 wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Bern hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- zu bezahlen.
4.
Diese Verfügung wird den Beschwerdeführern, der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. September 2022
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Einzelrichter: Haag
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger