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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_272/2023  
 
 
Urteil vom 2. Oktober 2024  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter von Felten, 
Gerichtsschreiber Roux-Serret. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Erster Staatsanwalt, 
Rohanstrasse 5, 7000 Chur, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Ronny Pers, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Mehrfache grobe Verletzung der Verkehrsregeln, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts 
von Graubünden, I. Strafkammer, vom 8. April 2022 
(SK1 19 50). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 19. Juni 2018 fuhr A.________ um 07:34 Uhr mit einem Personenwagen Aston Martin GB Rapide S über die Autobahn A13 von Chur Richtung Thusis. Nach dem Signal "Ende der Autobahn" mit der Distanztafel "800 m" überholte er einen Personenwagen, der bereits auf der linken Fahrspur Richtung Thusis eingespurt war, auf der rechten Fahrspur. Danach schwenkte er ebenfalls auf die linke Fahrspur und überholte einen sich auf der rechten Fahrspur befindenden Personenwagen. Kurz danach wechselte ein Lastwagen von der rechten auf die linke Spur in Richtung Süden. A.________ lenkte deshalb sein Fahrzeug wieder auf die Normalspur, überholte den Lastwagen auf der rechten Fahrspur und lenkte sein Fahrzeug vor den Lastwagen wieder auf die Spur Richtung Thusis. Kurz danach lenkte er sein Fahrzeug wieder auf die Fahrspur Richtung Flims, um einen Personenwagen, der sich auf der Fahrbahn Richtung Thusis befand, rechts zu überholen. Danach wechselte A.________ erneut den Fahrstreifen Richtung Thusis und setzte seine Fahrt fort. 
 
B.  
Mit Urteil vom 28. Mai 2019 sprach das Regionalgericht Imboden A.________ der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln wegen Rechtsüberholens schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 1'000.-- sowie einer Busse von Fr. 6'000.-- als Verbindungsbusse. Dagegen erhob A.________ Berufung. 
 
C.  
Das Kantonsgericht von Graubünden sprach diesen mit Urteil vom 8. April 2022 der mehrfachen Verletzung der Verkehrsregeln schuldig (Dispositiv Ziffer 1) und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 650.-- (Dispositiv Ziffer 2). 
 
D.  
Die Staatsanwaltschaft Graubünden führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, Ziffer 1 und Ziffer 2 des Urteils des Kantonsgerichts seien aufzuheben und A.________ sei der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig zu sprechen und mit einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu Fr. 1'000.-- sowie einer Busse von Fr. 6'000.-- zu bestrafen, wobei die Ersatzfreiheitsstrafe bei schuldhafter Nichtbezahlung der Busse auf 6 Tage festzulegen sei. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne des Hauptantrags an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Kantonsgericht von Graubünden hat sich nicht vernehmen lassen. A.________ beantragt mit Vernehmlassung vom 13. September 2023 die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 90 Abs. 1 SVG und Art. 90 Abs. 2 SVG. Sie macht im Wesentlichen geltend, die Vorinstanz würdige den erstellten Sachverhalt zu Unrecht nicht als grobe Verkehrsregelverletzung.  
 
1.2. Der Vorinstanz zufolge sei am 1. Januar 2021 die Regelung von Art. 36 Abs. 5 VRV in Kraft getreten, nach welcher der Fahrzeugführer neu bei Kolonnenverkehr auf dem linken oder mittleren Fahrstreifen mit der gebotenen Vorsicht rechts an den Fahrzeugen vorbeifahren dürfe (sog. passives Rechtsüberholen). Weiterhin verboten bleibe zwar das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen, jedoch könne dieses gemäss der neuen Regelung auch als einfache Verletzung der Verkehrsregeln mit einer Ordnungsbusse von Fr. 250.-- geahndet werden. Mit der Einführung dieses Ordnungsbussentatbestandes solle zum Ausdruck gebracht werden, dass nicht alle Fälle von Rechtsüberholen als grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG respektive als schwere Widerhandlung im Sinne von Art. 16c SVG zu qualifizieren seien und somit nicht zwingend zu einem Führerausweisentzug führen müssten.  
Im vorliegenden Fall habe der Beschwerdegegner bei einwandfreien Strassen- und Sichtverhältnissen und normalem Verkehrsaufkommen mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mehrere Fahrzeuge rechts überholt. Dass ein ruhiger Verkehrsfluss geherrscht habe, zeige sich auch auf den Videoaufnahmen. Sein Verhalten stelle sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage ein unerlaubtes Rechtsüberholen dar, was zumindest einen Schuldspruch nach Art. 90 Abs. 1 SVG nach sich ziehe. Nach altem Recht und der diesbezüglichen Rechtsprechung wäre ein solches Verhalten grundsätzlich als grobe Verkehrsregelverletzung zu qualifizieren gewesen. Unter Anwendung des neuen Rechts sei dies nur der Fall, wenn konkret eine erhöhte abstrakte Gefährdung oder gar eine Verletzung nahe liege. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus den Angaben der Zeugen nicht, dass es infolge des Rechtsüberholens durch den Beschwerdegegner zu gefährlichen Situationen gekommen wäre. Nach neuer Rechtslage sei das Rechtsüberholen im konkreten Fall somit nur als einfache Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Abs. 1 SVG zu beurteilen. Damit erweise sich das neue, am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Recht (Art. 36 Abs. 5 lit. a und c VRV) als milder als die zur Tatzeit geltende Regelung. Die Gesetzesänderung habe explizit bezweckt, das Rechtsüberholen in gewissen Konstellationen weniger schwer zu bestrafen. Der Beschwerdegegner sei deshalb gemäss der neueren, für ihn milderen Bestimmung zu verurteilen und er sei bloss der einfachen Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Abs. 1 SVG schuldig zu sprechen. 
 
1.3.  
 
1.3.1. Den Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG erfüllt, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. In objektiver Hinsicht setzt die grobe Verkehrsregelverletzung voraus, dass der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Dabei genügt eine erhöhte abstrakte Gefährdung. Wesentliches Kriterium für die Annahme einer erhöhten abstrakten Gefahr ist die Nähe der Verwirklichung. Die allgemeine Möglichkeit der Verwirklichung einer Gefahr genügt demnach nur zur Erfüllung von Art. 90 Abs. 2 SVG, wenn in Anbetracht der Umstände der Eintritt einer konkreten Gefährdung oder gar einer Verletzung naheliegt (BGE 148 IV 374 E. 3.1; 143 IV 508 E. 1.3; 142 IV 93 E. 3.1; Urteile 6B_1235/2021 vom 23. Mai 2022 E. 1.4.2; 6B_417/2021 vom 14. April 2022 E. 3.2.1; je mit Hinweisen).  
Mit dem Wortlaut ("hervorruft oder in Kauf nimmt") erfasst der Vergehenstatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG insbesondere vorsätzliches und eventualvorsätzliches Verhalten. Gestützt auf Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG ist der Tatbestand nach konstanter Rechtsprechung indes auch bei fahrlässiger Begehung anwendbar (BGE 142 IV 93 E. 3.1; 126 IV 192 E. 2c; Urteile 6B_1235/2021 vom 23. Mai 2022 E. 1.4.2; 6B_870/2018 vom 29. April 2019 E. 1). Subjektiv erfordert Art. 90 Abs. 2 SVG ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend verkehrsregelwidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässiger Begehung mindestens grobe Fahrlässigkeit (BGE 148 IV 374 E. 3.1; 142 IV 93 E. 3.1; 131 IV 133 E. 3.2 mit Hinweisen). Diese ist zu bejahen, wenn sich der Täter der allgemeinen Gefährlichkeit seiner Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kommt aber auch in Betracht, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht, also unbewusst fahrlässig handelt. Die Annahme einer groben Verkehrsregelverletzung setzt in diesem Fall voraus, dass das Nichtbedenken der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht. Rücksichtslos ist unter anderem ein bedenkenloses Verhalten gegenüber fremden Rechtsgütern. Dieses kann auch in einem blossen (momentanen) Nichtbedenken der Gefährdung fremder Interessen bestehen (BGE 131 IV 133 E. 3.2; Urteil 6B_1235/2021 vom 23. Mai 2022 E. 1.4.2). Je schwerer die Verkehrsregelverletzung objektiv wiegt, desto eher wird Rücksichtslosigkeit subjektiv zu bejahen sein, sofern keine besonderen Gegenindizien vorliegen (BGE 142 IV 93 E. 3.1; Urteil 6B_1235/2021 vom 23. Mai 2022 E. 1.4.2; je mit Hinweisen). Grundsätzlich ist von einer objektiv groben Verletzung der Verkehrsregeln auf ein zumindest grobfahrlässiges Verhalten zu schliessen. Die Rücksichtslosigkeit ist ausnahmsweise zu verneinen, wenn besondere Umstände vorliegen, die das Verhalten subjektiv in einem milderen Licht erscheinen lassen (BGE 142 IV 93 E. 3.1; Urteile 6B_1235/2021 vom 23. Mai 2022 E. 1.4.2; 6B_1039/2021 vom 14. Januar 2022 E. 1.3.1; 6B_300/2021 vom 14. Juli 2021 E. 3.2.1; 6B_1439/2019 vom 2. Dezember 2020 E. 1.1; je mit Hinweisen). 
 
1.3.2. Nach Art. 35 Abs. 1 SVG ist links zu überholen, woraus sich das Verbot des Rechtsüberholens ergibt. Dieses Verbot wird seit dem 1. Januar 2021 durch Satz 1 des geänderten Art. 36 Abs. 5 VRV als Sonderregel für Autobahnen und Autostrassen zusätzlich zu Art. 8 Abs. 3 VRV ausdrücklich festgehalten. Überholen liegt vor, wenn ein schnelleres Fahrzeug ein in gleicher Richtung langsamer vorausfahrendes einholt, an ihm vorbeifährt und vor ihm die Fahrt fortsetzt, wobei weder das Ausschwenken noch das Wiedereinbiegen eine notwendige Voraussetzung des Überholens bildet (BGE 148 IV 374 E. 3.1; 142 IV 93 E. 3.2; 133 II 58 E. 4; 126 IV 192 E. 2a; Urteile 6B_1/2020 vom 6. Mai 2021 E. 4.2; 6B_208/2019 vom 13. September 2019 E. 1.2.1; 6B_1423/2017 vom 9. Mai 2018 E. 2.1.2; je mit Hinweisen).  
Die per 1. Januar 2021 eingeführte Ziff. 314.3 des Anhangs 1 zur Ordnungsbussenverordnung vom 16. Januar 2019 (OBV; SR 314.11) sieht für ein Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen auf Autobahnen und Autostrassen mit mehreren Fahrstreifen eine Busse von Fr. 250.-- vor. 
 
1.3.3. Das Bundesgericht hält in langjähriger Rechtsprechung fest, dass es sich beim Verbot des Rechtsüberholens um eine für die Verkehrssicherheit objektiv wichtige Vorschrift handelt, deren Missachtung eine erhebliche Gefährdung der Verkehrssicherheit mit beträchtlicher Unfallgefahr nach sich zieht und daher objektiv schwer wiegt. Das Rechtsüberholen auf der Autobahn, wo hohe Geschwindigkeiten gefahren werden, stellt unter dieser Praxis stets eine erhöhte abstrakte Gefährdung dar, die daher regelmässig als grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG zu qualifizieren ist (vgl. noch BGE 148 IV 374 E. 3.1 mit diversen Hinweisen).  
 
1.4. Die rechtliche Würdigung im angefochtenen Urteil erweist sich als unzutreffend.  
 
1.4.1. Aus dem verbindlich festgestellten Sachverhalt geht hervor, dass der Beschwerdegegner nach dem Signal "Ende der Autobahn" mit der Distanztafel "800 m" mit der zulässiger Höchstgeschwindigkeit insgesamt drei auf der linken Spur in Richtung Thusis fahrende Fahrzeuge rechts (auf der Richtung Flims führenden Spur) überholte, wobei er dazwischen jeweils wieder links einspurte. Der Beschwerdegegner vollzog seine Manöver mithin bei (wenn auch nicht exzessiver) so doch hoher Fahrgeschwindigkeit im Bereich einer weniger als 800 Meter langen Ausspurstrecke, wo - wie von der Beschwerdeführerin zu Recht hervorgehoben - vermehrt mit Spurwechseln zu rechnen ist. Diesbezüglich ist entgegen dem Beschwerdegegner keine unzulässige Ausdehnung des Anklagesachverhalts erkennbar. Im Falle des Ausscherens resp. Spurwechsels eines der überholten Fahrzeuge (oder anderer Verkehrsteilnehmer) hätte es dabei ohne Weiteres zu gefährlichen Bremsmanövern resp. einer Kollision kommen können.  
Dem Gesagten zufolge - und entgegen der Vorinstanz - schuf der Beschwerdegegner durch sein Verhalten eine erhöhte abstrakte Gefährdung und erfüllte somit den objektiven Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG. Daran vermögen bei diesen Gegebenheiten weder gute Strassen- und Sichtverhältnisse noch ein normales Verkehrsaufkommen bzw. ein ruhiger Verkehrsfluss etwas zu ändern. Unbehelflich ist auch, dass der Beschwerdegegner die erlaubte Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten habe. Ob er nach seinen Überholmanövern "in einem Zug" wieder auf die linke Spur zurückschwenkte, resp. ob sein Fahrzeug "plötzlich und unvermittelt" aufgetaucht sei, ist ebenfalls nicht von Belang. Schliesslich kann der Beschwerdegegner auch aus dem Umstand, dass sich die von ihm geschaffenen Gefährdungen nicht verwirklicht hätten, nichts zu seinen Gunsten ableiten. 
Zu keinem anderen Schluss führt das vom Beschwerdegegner zitierte Urteil 1C_105/2022 vom 14. Februar 2023. Eine Bewertung und Ahndung von Rechtsüberholen auf der Autobahn als Ordnungswidrigkeit kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wobei ein strenger Massstab anzuwenden ist (vgl. zum Ganzen BGE 149 II 96 E. 5.5; Urteil 1C_105/2022 vom 14. Februar 2023 E. 6.4). Eine solche Ausnahme liegt angesichts der vom Beschwerdegegner vorliegend geschaffenen Gefährdung (vgl. supra 1.4.1) nicht vor. 
 
1.4.2. Zum subjektiven Tatbestand finden sich im angefochtenen Urteil bis auf allgemeine Erwägungen keinerlei Ausführungen. Jedoch verweist die Vorinstanz auf den Strafbefehl vom 19. Oktober 2018 und erwägt im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung abschliessend: " Es [sei] somit auf die Sachverhaltsdarstellung im Strafbefehl vom 19. Oktober 2018 [...] abzustellen. " Letzterer zufolge schuf der Beschwerdegegner mit seiner Fahrweise, wie er gewusst habe, eine besondere Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer. Diese Feststellung blieb unangefochten, womit sie für das Bundesgericht bindend ist. Somit war dem Beschwerdegegner die allgemeine Gefährlichkeit seiner Fahrweise bewusst. Besondere Umstände, die das Verhalten subjektiv in einem milderen Licht erscheinen liessen, stellt die Vorinstanz keine fest. Nach dem Gesagten ist vorliegend - und entgegen den Ausführungen in der Vernehmlassung - zumindest auf grobfahrlässiges Verhalten zu schliessen (vgl. supra E. 1.3.1).  
 
1.4.3. Damit erfüllte der Beschwerdegegner den Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG. Die vorinstanzliche Verurteilung wegen Art. 35 Abs. 1 SVG und Art. 36 Abs. 5 VRV in Verbindung mit Art. 90 Abs. 1 SVG sowie die gestützt darauf erfolgte Bestrafung mit einer Busse in Höhe von Fr. 650.-- verletzen Bundesrecht.  
Entsprechend erweist sich das neue (am 1. Januar 2021 in Kraft getretene) Recht im konkreten Fall nicht als milder und der Beschwerdegegner ist nach der zum Tatzeitpunkt geltenden gesetzlichen Regelung zu bestrafen, was sich in casu jedoch nicht auswirkt (vgl. dazu BGE 148 IV 374 E. 2.1 ff.). 
 
1.5. Die Beschwerde ist gutzuheissen. Das vorinstanzliche Urteil ist aufzuheben und die Sache der Vorinstanz zur neuen Entscheidung und Strafzumessung im Sinne der Erwägungen zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdegegner kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführerin ist keine Entschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 8. April 2022 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. Oktober 2024 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Roux-Serret