Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 352/05 
 
Urteil vom 2. November 2005 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiberin Kopp Käch 
 
Parteien 
G.________, 1949, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Maron, Schaffhauserstrasse 345, 8050 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 4. April 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1949 geborene G.________ war vom 1. September 1985 bis 31. Oktober 2001 als Hilfsarbeiter bei der Firma R.________ tätig. Am 10. Dezember 2001 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte Auskünfte der Arbeitgeberin, Berichte der behandelnden Ärzte sowie einen Auszug aus dem individuellen Konto ein und liess den Versicherten bei der medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) polydisziplinär begutachten (Gutachten vom 15. Oktober 2003). Mit Verfügung vom 12. Januar 2004 sprach die IV-Stelle G.________ ab 1. Oktober 2002 ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 54% eine halbe Invalidenrente zu. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 29. März 2004 fest. 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher G.________ die Zusprechung einer Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 72% beantragen liess, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 4. April 2005 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt G.________ beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei in dem Sinne abzuändern, dass ihm mit Wirkung ab 1. Januar 2004 eine Dreiviertel-Invalidenrente zuzusprechen sei. Er legt ein Gutachten des Dr. med. L.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 24. Februar 2005 auf. Zudem lässt er um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung ersuchen. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG). 
 
Massgebend für die Beurteilung des Rentenanspruchs ist der Sachverhalt, der bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Einspracheentscheids eingetreten war (BGE 129 V 169 Erw. 1 mit Hinweis). Im Rahmen der erweiterten Kognition sind auch neue Tatsachenbehauptungen und Beweismittel zulässig. 
2. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung sowie Art. 28 Abs. 1 IVG in der ab 1. Januar 2004 anwendbaren Fassung), die Invaliditätsbemessung nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) sowie den Beweiswert von medizinischen Berichten (BGE 125 V 352 Erw. 3a) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. Zu präzisieren ist, dass bei der Prüfung eines schon vor dem In-Kraft-Treten des ATSG auf den 1. Januar 2003 entstandenen Anspruchs auf eine Rente der Invalidenversicherung die allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln heranzuziehen sind, gemäss welchen grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei Verwirklichung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhalts galten. Demzufolge ist bis Ende 2003 die Anspruchsberechtigung auf eine Rente unter dem Gesichtspunkt der bis dahin geltenden Fassung des IVG, ab 1. Januar 2004 bis zum Erlass des Einspracheentscheids unter jenem der 4. IV-Revision zu beurteilen (vgl. BGE 130 V 445 mit Hinweisen). 
3. 
Für die Frage der Zusprechung einer Invalidenrente sind zunächst der Gesundheitszustand und die funktionelle Leistungsfähigkeit des Versicherten massgebend. 
3.1 Nach sorgfältiger Würdigung der medizinischen Unterlagen hat die Vorinstanz wie bereits die IV-Stelle in erster Linie auf das Gutachten der MEDAS vom 15. Oktober 2003 abgestellt. Dieses basiert auf einer ausführlichen Anamnese, einer Wiedergabe der wichtigsten Vorakten sowie einer internistischen, rheumatologischen und psychosomatischen Untersuchung. Die Abklärungen führten zum Ergebnis, der Versicherte leide 1. an einem chronischen zervikobrachialen bis intermittierenden zervikocephalen Syndrom rechts bei/mit beginnenden degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschetten beidseits rechtsbetont, diskreter Impingementsymptomatik rechts, degenerativen Veränderungen der HWS, mehrsegmentaler Dysfunktion sowie muskulärer Dysbalance, 2. an einem diskreten intermittierenden lumbovertebralen bis lumbospondylogenem Syndrom links bei/mit degenerativen Veränderungen der LWS sowie Wirbelsäulenfehlhaltung/Dekonditionierung und 3. an einer Symptomausweitung bei Diagnosen 1. und 2. bei psychosozialer Problemkonstellation. Bezüglich Arbeitsfähigkeit gelangte die interdisziplinäre Konsens-Konferenz zum Schluss, dem Beschwerdeführer seien im zuletzt ausgeübten Beruf in der Metallverarbeitung keine Tätigkeiten mehr zumutbar. Bei leicht bis mittelschwer belastenden Tätigkeiten bestünden aus rheumatologischer Sicht keine Einschränkungen, wohingegen auf dem Hintergrund der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und des depressiven Zustandsbildes von einer Arbeitsfähigkeit von 60% für leichte Tätigkeiten wie Botengänge, leichte Büroarbeiten, Lagerist etc. auszugehen sei. Die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bestehe seit Ende Oktober 2001. Diese Ausführungen sind nachvollziehbar und in Bezug auf die Folgerungen schlüssig. Der Sinn einer derartigen multidisziplinären Abklärung besteht nicht zuletzt darin, die kombinierten Auswirkungen verschiedener Symptomkreise zu ermitteln, so dass - wie das kantonale Gericht darlegt - nicht auf einzelne Arbeitsfähigkeitsbeurteilungen, sondern auf die einleuchtende Beurteilung der interdisziplinären Konsens-Konferenz abzustellen ist. 
3.2 Das MEDAS-Gutachten vom 15. Oktober 2003 steht lediglich mit der Beurteilung durch Dr. med. H.________ vom 27. Juli 2002 in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit in einer behinderungsangepassten Tätigkeit in Widerspruch, da der Hausarzt dem Beschwerdeführer auch dafür eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit attestiert hat. Diesbezüglich ist jedoch einerseits zu berücksichtigen, dass Dr. med. H.________ ohne jegliche Erklärung festgehalten hat, es sei keine Tätigkeit mehr zumutbar, wohingegen die im MEDAS-Gutachten attestierte Restarbeitsfähigkeit überzeugend begründet worden ist, und andrerseits der Erfahrungstatsache Rechnung zu tragen ist, dass Hausärzte mitunter im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung in Zweifelsfällen eher zugunsten ihrer Patienten aussagen (BGE 125 V 353 Erw. 3b/cc mit Hinweisen). In Anbetracht dieser Umstände ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz von einer zumutbaren Arbeitsfähigkeit von 60% für eine behinderungsangepasste Tätigkeit ausgegangen ist. 
3.3 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der Versicherte ein von der IV-Stelle im Rahmen eines Revisionsverfahrens eingeholtes psychiatrisches Gutachten des Dr. med. L.________ vom 24. Februar 2005 auflegen, welches eine weitergehende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit als das MEDAS-Gutachten dokumentieren soll. Gestützt auf die bisherigen Akten sowie eigene Untersuchungen und Beobachtungen kam Dr. med. L.________ zur psychiatrischen Diagnose einer leichten depressiven Episode mit somatischem Syndrom bei v.a. anhaltender somatoformer Schmerzstörung. Die Symptomatik bestehe, so der Facharzt, in dieser Ausprägung seit etwa September 2003. Das depressive Zustandsbild habe sich gegenüber der MEDAS-Abklärung nicht verschlechtert. Im Aufgabenbereich als Metallarbeiter sei der Beschwerdeführer als nicht mehr arbeitsfähig einzustufen, wohingegen für eine behinderungsangepasste leichte körperliche Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von 50% bestehe. Dieses neu aufgelegte Gutachten vermag für den massgebenden Zeitpunkt des Einspracheentscheids keine andere Festsetzung der zumutbaren Restarbeitsfähigkeit zu rechtfertigen, obschon es sich auf den Zeitraum ab "etwa September 2003" bezieht. Zum Einen hat Dr. med. L.________ den Versicherten knapp 1 ½ Jahre nach diesem Zeitpunkt und knapp ein Jahr nach Erlass des Einspracheentscheides zum ersten Mal gesehen und untersucht, zum Andern deckt sich die Diagnose im Wesentlichen mit derjenigen der MEDAS-Begutachtung. Wenn Dr. med. L.________ die zumutbare Arbeitsfähigkeit in einer behinderungsangepassten Tätigkeit gegenüber der MEDAS um 10% reduziert und auf 50% festsetzt, handelt es sich dabei lediglich um eine andere Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhaltes, hält doch der Experte selber fest, das depressive Zustandsbild habe sich gegenüber der MEDAS-Abklärung nicht verschlechtert. 
3.4 Der Vollständigkeit halber kann mit der Vorinstanz darauf hingewiesen werden, dass die Festsetzung der Restarbeitsfähigkeit in einer behinderungsangepassten Tätigkeit auf 60% mit Blick auf die durch die neuere Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur invalidenversicherungsrechtlichen Relevanz somatoformer Schmerzstörungen (BGE 131 V 50 Erw. 1.2 mit Hinweisen) für den Beschwerdeführer als grosszügig zu betrachten ist. 
4. 
Was die erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens anbelangt, hat die Vorinstanz für das Jahr 2002 das Valideneinkommen gestützt auf den Arbeitgeberbericht vom 2. April 2002 auf Fr. 61'490.- festgesetzt und anhand der Tabelle TA1 der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) 2002 unter Berücksichtigung eines leidensbedingten Abzuges von 20% ein Invalideneinkommen von Fr. 27'364.- ermittelt. Die Gegenüberstellung von Validen- und Invalideneinkommen ergab einen Invaliditätsgrad von rund 55%. 
 
Die Ermittlung des Invalideneinkommens ist korrekt erfolgt und wird im vorliegenden Verfahren auch nicht mehr bestritten. Bezüglich Valideneinkommen macht der Beschwerdeführer geltend, dieses sei mit der IV-Stelle auf Fr. 62'289.- festzusetzen, da er bei der letzten Arbeitgeberfirma längst nicht mehr die ursprüngliche Funktion innegehabt und regelmässig mehr verdient habe. Selbst wenn das Valideneinkommen antragsgemäss unter Berücksichtigung der Auszüge aus dem individuellen Konto abweichend von den Angaben des Arbeitgebers vom 2. April 2002 auf Fr. 62'289.- festgesetzt wird, ergibt sich aus der Gegenüberstellung mit dem Invalideneinkommen von Fr. 27'364.- ein Invaliditätsgrad von rund 56% , was auch ab 1. Januar 2004 keinen Anspruch auf eine höhere Invalidenrente zu begründen vermag. 
5. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung kann entsprochen werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Jürg Maron, Zürich, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 2. November 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: