Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_401/2022  
 
 
Urteil vom 2. November 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Hartmann, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Mösching. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Herr Marcel Wieser, 
 
gegen  
 
Volkswirtschaftsdepartement des Kantons St. Gallen, Davidstrasse 35, 9001 St. Gallen, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Härtefallmassnahmen Covid-19-Epidemie, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des 
Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen, Abteilung II, 
vom 30. März 2022 (B 2021/272). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die A.________ AG mit Sitz in U.________ bezweckt hauptsächlich die Führung gastronomischer Betriebe und Veranstaltungen. Sie betreibt die zwei Restaurants B.________ in U.________ und C.________ in V._______ bei U.________. Mit Gesuch vom 21. Januar 2021 beantragte die Gesellschaft eine finanzielle Härtefallunterstützung von Fr. 600'000.--. Mit Schreiben vom 12. Februar teilte das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons St. Gallen der A.________ AG mit, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine finanzielle Unterstützung nicht erfüllt seien. Nachdem die A.________ AG eine beschwerdefähige Verfügung verlangt hatte, wies das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons St. Gallen das Gesuch um wirtschaftliche Unterstützung im Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie mit Verfügung vom 18. Mai 2021 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass per 31. Dezember 2019 mit einem negativen Eigenkapital von Fr. 469'807.59 eine Überschuldung vorliege. 
 
B.  
Die dagegen von der A.________ AG erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid B 2021/128 vom 14. September 2021 gutgeheissen und die Angelegenheit zur weiteren Abklärung des Sachverhalts und zu neuer Verfügung an das Volkswirtschaftsdepartement zurückgewiesen. Mit Verfügung vom 13. Dezember 2021 wies das Volkswirtschaftsdepartement das Gesuch um wirtschaftliche Unterstützung im Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie ab, da der Nachweis der rückwirkenden Beseitigung der Überschuldung per 31. Dezember 2019 nach wie vor nicht erbracht worden sei. In der Folge gelangte die A.________ AG erneut an das Verwaltungsgericht, welches die Beschwerde mit Entscheid vom 30. März 2022 abwies. 
 
C.  
Die A.________ AG legt mit Eingabe vom 23. Mai 2022 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht ein. Sie beantragt, die Beschwerdegegnerin sei anzuweisen, der Beschwerdeführerin ohne Verzug eine Entschädigung nach Art. 26 Abs. 2 BV in Höhe von 415'445.90 oder nach Ermessen des Bundesgerichts auszuzahlen. Eventualiter sei der Entscheid der Vorinstanz vom 30. März 2022 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin sei anzuweisen, der Beschwerdeführerin ohne Verzug Härtefallunterstützung Covid-19 im Umfang von Fr. 202'658.--, eventualiter im Umfang von Fr. 180'000.--, als "à fonds perdu"-Beitrag oder nach Massgabe des Bundesgerichts auszuzahlen. Subeventualiter sei die Streitsache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen mit der Anweisung, eine Neubeurteilung der Härtefallunterstützung Covid-19 im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen vorzunehmen. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung hat eine Stellungnahme eingereicht ohne einen Antrag in der Sache zu stellen. Das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons St. Gallen hat sich nicht vernehmen lassen. Die Beschwerdeführerin hat am 12. August 2022 eine weitere Eingabe eingereicht. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit (Art. 29 Abs. 1 BGG) und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 141 II 113 E. 1). 
 
1.1. Das angefochtene Urteil wurde als Endentscheid (Art. 90 BGG) von einer letztinstanzlich zuständigen kantonalen Gerichtsbehörde erlassen. Es betrifft Härtefallmassnahmen des Staates und damit eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten steht somit grundsätzlich offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90 BGG). Indessen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide betreffend Subventionen, auf welche kein Anspruch besteht (Art. 83 lit. k BGG). Der Begriff der Subvention umfasst alle geldwerten Vorteile, welche Empfängern ausserhalb der Verwaltung gewährt werden, um die Erfüllung einer vom Empfänger gewählten Aufgabe zu fördern oder zu erhalten (BGE 140 I 153 E. 2.5.4; Urteile 2C_403/2021 vom 20. September 2021 E. 1.2; 2C_69/2020 vom 22. Oktober 2020 E. 2.1; vgl. auch Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 1990 über Finanzhilfen und Abgeltungen [SUG, SR 616.1]).  
 
1.2. Bei den vorliegend strittigen Beiträgen des Kantons zur Unterstützung des Gewerbes handelt es sich um solche Subventionen (vgl. Urteil 2C_8/2022 vom 28. September 2022 E. 1.2). Gestützt auf Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes (des Kantons St. Gallen) vom 18. Februar 2021 über die wirtschaftliche Unterstützung von Unternehmen sowie von durch die öffentliche Hand geführten öffentlichen Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung in Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie (sGS 571.3; Covid-Gesetz/SG) gewährt der Kanton geldwerte Vorteile an Unternehmen in Form von Solidarbürgschaften und/oder nicht rückzahlbaren Beiträgen, um damit den in Art. 4 Covid-Gesetz/SG definierten Unternehmen den Erhalt ihrer selbst gewählten Geschäftstätigkeit zu ermöglichen.  
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin führen zu keinem anderen Schluss. Weder spielt es eine Rolle, ob die gewählte Aufgabe (Betrieb eines Gastrounternehmens) in der Regel wirtschaftlich selbsttragend ist, noch verliert der gewährte geldwerte Vorteil seinen Charakter, wenn er für Zeiten ausgerichtet wird, in denen die Empfängerin - wie vorliegend während des Lockdowns - ihre gewählte Aufgabe vorübergehend nicht ausüben kann. Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin können auch geldwerte Vorteile, die für solche Zeiten gewährt werden, dazu dienen, die Erfüllung einer vom Empfänger gewählten Aufgabe zu fördern oder zu erhalten. 
 
1.3. Das Recht des Kantons St. Gallen (Art. 5 Abs. 3 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Covid-Gesetz/SG) räumt dabei der Beschwerdeführerin, die einen Umsatz von weniger als 5 Mio. Franken erzielt, keinen Anspruch auf Härtefallmassnahmen ein, wie das Bundesgericht bereits festgehalten hat (Urteil 2C_8/2022 vom 28. September 2022 E. 1.3.3). Auch aus Bundesrecht ergibt sich keine Verpflichtung der Kantone, Härtefallmassnahmen zu gewähren (vgl. Art. 49 BV), der zu einem entsprechenden (direkten) Anspruch der Beschwerdeführerin führt (Urteil des Bundesgerichts 2C_8/2022 vom 28. September 2022 E. 1.3.4 und E. 1.4). Es liegt somit ein Ausschlussgrund gemäss Art. 83 lit. k BGG vor und auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist nicht einzutreten.  
 
2.  
Die Beschwerdeführerin hat auch subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben, die nach den Voraussetzungen von Art. 113 ff. BGG zulässig ist. 
 
2.1. Zur Verfassungsbeschwerde ist gemäss Art. 115 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Das nach Art. 115 lit. b BGG erforderliche rechtlich geschützte Interesse kann durch kantonales oder eidgenössisches Gesetzesrecht oder aber unmittelbar durch ein spezielles Grundrecht begründet sein (vgl. BGE 140 I 285 E. 1.2; 135 I 265 E. 1.3; Urteil 2C_200/2017 vom 14. Juli 2017 E. 1.2.3).  
Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG). Die Verletzung von Grundrechten prüft das Bundesgericht nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und genügend begründet worden ist (vgl. Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG; Rügeprinzip); hierfür gelten qualifizierte Begründungsanforderungen (vgl. BGE 145 I 121 E. 2.1; 137 II 305 E. 3.3; Urteil 1C_293/2020 vom 22. Juni 2020 E. 2.1). 
 
2.2. Soweit sich die Beschwerdeführerin sinngemäss auf das Willkürverbot (Art. 9 BV) beruft, ist sie - aufgrund des nicht vorgesehenen Rechtsanspruchs auf die beantragten Subventionen - zur subsidiären Verfassungsbeschwerde nicht legitimiert, fehlt es ihr doch am gemäss Art. 115 lit. b BGG erforderlichen rechtlich geschützten Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 138 I 305 E. 1.3; 133 I 185 E. 3 ff.). In diesem Umfang kann daher auch auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht eingetreten werden.  
Hingegen hat die Beschwerdeführerin insofern ein rechtlich geschütztes Interesse, als sie geltend macht, das angefochtene Urteil verletze Art. 26 Abs. 2 BV und verstosse gegen den Vorrang des Bundesrechts. Die Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen (vgl. Art. 115 lit. a BGG) und die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingereicht (vgl. Art. 42, Art. 117 i.V.m. Art. 100 Abs. 1 BGG), sodass insoweit auf sie einzutreten ist. 
 
3.  
Für das Bundesgericht massgebend ist der Sachverhalt, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 116 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 118 Abs. 2 BGG). 
 
4.  
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Eigentumsgarantie und verlangt eine Entschädigung aus materieller Enteignung (Art. 26 Abs. 2 BV). 
 
4.1. Eine materielle Enteignung liegt vor, wenn der Eigentümerin der Gebrauch einer Sache untersagt oder in einer Weise eingeschränkt wird, die besonders schwer wiegt, weil der betroffenen Person eine wesentliche, aus dem Eigentum fliessende Befugnis entzogen wird. Geht der Eingriff weniger weit, so wird gleichwohl eine materielle Enteignung angenommen, falls einzelne Personen so betroffen werden, dass ihr Opfer gegenüber der Allgemeinheit unzumutbar erscheint und es mit der Rechtsgleichheit nicht vereinbar wäre, wenn hierfür keine Entschädigung geleistet würde (sog. Sonderopfer; BGE 131 II 728 E. 2; Urteil 2C_461/2011 vom 9. November 2011 E. 4.1).  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin erblickt in den durch die "Lockdowns" erfolgten Betriebsschliessungen eine "befristete materielle Enteignung". Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist jedoch ausschliesslich die verweigerte Härtefallunterstützung in Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie durch den Kanton St. Gallen, auf welche kein Anspruch besteht. Mit deren Verweigerung wird der Beschwerdeführerin der Gebrauch einer Sache weder untersagt noch eingeschränkt, weshalb diesbezüglich eine materielle Enteignung nicht vorliegen kann.  
 
5.  
Wie bereits erwähnt (vorne E. 1.2), räumt das Bundesrecht der Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Härtefallmassnahmen ein, sondern überlässt es den Kantonen, ob und unter welchen Voraussetzungen sie Härtefallmassnahmen gewähren. Die Regelung des Kantons St. Gallen, welche keinen Rechtsanspruch auf die Härtefallmassnahmen einräumt, steht folglich in Einklang mit den bundesrechtlichen Vorgaben und ein Verstoss gegen Art. 49 BV liegt nicht vor (Urteil 2C_8/2022 vom 28. September 2022 E. 5). 
 
6.  
Im Ergebnis ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde erweist sich als unbegründet; sie ist daher abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
7.  
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung II, und dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. November 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: F. Mösching