Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_256/2024
Urteil vom 2. Dezember 2024
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann, Beusch,
Gerichtsschreiber Nabold.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Bauer,
Beschwerdeführer,
gegen
Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Mehrwertsteuer, Steuerperiode 2009,
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2024 (A-581/2023).
Sachverhalt:
A.
A.________ ist Inhaber des Einzelunternehmens C.________ und war einzelzeichnungsberechtigter Präsident des Verwaltungsrates der D.________ AG und einzelzeichnungsberechtigtes Mitglied des Verwaltungsrates der E.________ AG. Im Rahmen einer Mehrwertsteuerkontrolle bei diesen drei Unternehmen stellte die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) verschiedene Unregelmässigkeiten fest. Aufgrund dieser Feststellungen eröffnete die ESTV am 16. Juli 2016 ein (Verwaltungs-) Strafverfahren gegen A.________ und teilte ihm mit Schlussprotokoll vom 8. Mai 2018 mit, dass sie mehrere Straftatbestände als erfüllt erachte. Mit Verfügung vom 25. Oktober 2021 und Einspracheentscheid vom 15. Dezember 2022 verpflichtete die ESTV den Steuerpflichtigen für das Jahr 2009 zur Zahlung eines Betrages von Fr. 21'789.-, zuzüglich Verzugszinsen ab dem 15. Oktober 2009 (mittleres Verfallsdatum).
B.
Die von A.________ hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 22. März 2024 teilweise - im Umfang von Fr. 1'766.- - gut, wies sie indessen im Übrigen (mithin im Umfang von Fr. 20'023.- zuzüglich Zinsen) ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, es sei unter Aufhebung des angefochtenen Urteils von der Erhebung einer "Nachsteuerforderung" für das Jahr 2009 abzusehen, eventuell sei die Sache zur Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Beschwerdegegnerin, subeventuell an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen.
Die ESTV verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein Endentscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG ). Auf die form- und fristgerechte Eingabe (Art. 42 und Art. 100 Abs. 1 BGG ) des legitimierten Beschwerdeführers (Art. 89 Abs. 1 BGG) ist einzutreten.
2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 148 V 209 E. 2.2). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG ).
3.
Streitig und zu prüfen ist, ob das Bundesverwaltungsgericht Recht im Sinne von Art. 95 BGG verletzte, als es den Beschwerdeführer für das Jahr 2009 zu einer Mehrwertsteuernachzahlung in der Höhe von Fr. 20'023.- zuzüglich Zinsen verpflichtete.
4.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die entsprechende Nachforderung sei verjährt.
4.1. Gemäss Art. 112 Abs. 1 Satz 2 des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer vom 12. Juni 2009 (MWSTG, SR 641.20) richtet sich die Verjährung von Steuerforderungen, welche vor dessen Inkrafttreten entstanden sind, weiterhin nach Art. 49 und 50 des Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (aMWSTG; AS 2000 1300).
4.2. In Anwendung von Art. 49 Abs. 4 aMWSTG verjährt die Steuerforderung in jedem Fall 15 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem sie entstanden ist. Es steht fest und ist unbestritten, dass diese absolute Verjährung vorliegend noch nicht eingetreten ist.
4.3. Nach Art. 49 Abs. 1 aMWSTG verjährt die Steuerforderung fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden ist. Die Verjährung wird durch jede Einforderungshandlung und durch jede Berichtigung durch die zuständige Behörde unterbrochen (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 aMWSTG).
Die Einforderungshandlung im Sinne von Art. 49 Abs. 2 Satz 1 aMWSTG ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung an keine besondere Form gebunden. Der Begriff der Einforderungshandlung ist daher weit zu fassen: Verjährungsunterbrechende Wirkung kommt bereits der blossen Mitteilung zu, mit welcher eine spätere Veranlagung erst in Aussicht gestellt wird (vgl. BGE 126 II 1 E. 2; Urteil 2C_426/2008 vom 18. Februar 2009 E. 6.3). Dies gilt insbesondere auch für ein Schreiben, mit welchem die Durchführung einer Revision bekanntgegeben wird (Urteil 2C_146/2010 vom 15. August 2012 E. 3.1.2).
4.4. Gemäss den grundsätzlich verbindlichen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts kündigte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 4. November 2014, adressiert an die F.________ AG, eine Mehrwertsteuerkontrolle für die Zeit ab dem 24. November 2014 an. Diese Kontrolle sollte gemeinsam mit der Kontrolle der D.________ AG, der E.________ AG und des Einzelunternehmens des Beschwerdeführers stattfinden. Da dieser die betroffenen Unternehmen, die alle in einem Büro untergebracht waren, operativ leitete, wurde die Verjährungsfrist auch gegenüber dem Steuerpflichtigen unterbrochen. Daran ändert nichts, dass er keine Kenntnis von diesem Schreiben gehabt haben will. Zwar trifft es zu, dass sich in den Akten kein direkter Beweis für dessen Versand findet. Aufgrund des Schreibens der ESTV vom 25. Februar 2015, mit welchem diese vom Beschwerdeführer weitere Unterlagen fordert, steht jedoch fest, dass die Kontrolle jedenfalls vor Versand dieses Schreibens begonnen hatte. Vor dem Hintergrund erscheint es nicht willkürlich, wenn die Vorinstanz der Darstellung der Beschwerdegegnerin, die Kontrolle sei angekündigt gewesen und habe planmässig am 24. November 2014 begonnen werden können, gefolgt ist. Selbst wenn im Übrigen das Schreiben vom 4. November 2014 nie versendet worden sein sollte, so wäre die Verjährungsfrist auch mit dem - letztinstanzlich nicht bestrittenen - Beginn der Kontrolle am 24. November 2014 noch rechtzeitig unterbrochen worden.
4.5. Wurde die relative Verjährungsfrist im November 2014, sowie in der Folge durch weitere unbestrittene Verfahrensschritte im Mai 2018 und im Oktober 2021 unterbrochen, so hat das Bundesverwaltungsgericht zu Recht eine Verjährung der Steuernachforderung verneint.
5.
Der Beschwerdeführer macht im Weiteren verschiedene Verletzungen seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend.
5.1. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör des Beschwerdeführers nicht dadurch verletzt hat, dass es nicht näher auf die rechtlichen Ausführungen in der Beschwerde zur Thematik der Unterbrechung der Verjährungsfristen gemäss aMWSTG eingegangen ist, sondern lediglich auf die diesbezügliche gefestigte bundesgerichtliche Rechtsprechung verwiesen hat. Der Beschwerdeführer bringt denn auch letztinstanzlich nichts vor, was zu einer näheren Überprüfung dieser Praxis (vgl. zu den Voraussetzungen für eine Praxisänderung: BGE 149 II 381 E. 7.3.1; 147 V 342 E. 5.5.1) Anlass geben würde.
5.2. Weiter hat das Bundesverwaltungsgericht entgegen den Ausführungen in der Beschwerde keinen Überraschungsentscheid im Sinne der Rechtsprechung (vgl. Urteil 2C_179/2023 vom 4. Juni 2024 E. 4, zur Publikation vorgesehen) gefällt. Dem Beschwerdeführer musste bewusst sein, dass die Vorinstanz seine Rechtsposition bezüglich Verjährung verwerfen und daher den Anspruch materiell beurteilen könnte. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich hierbei nicht auf einen anderen Sachverhalt gestützt, als die Parteien vorgebracht haben.
5.3. Als unbegründet erweist sich sodann die Rüge des Beschwerdeführers betreffend eine ungenügende Aktenführung durch die Beschwerdegegnerin. Gemäss den vorinstanzlichen Erwägungen sind die Akten nachvollziehbar geordnet und abgelegt, grundsätzlich nummeriert und mit einem Verzeichnis versehen (vgl. auch Urteil 2C_327/2010 vom 19. Mai 2011 E. 3.2; nicht publiziert in BGE 137 I 247). Auch wenn sich der Beschwerdeführer einen grösseren Detaillierungsgrad des Verzeichnisses und der Nummerierung gewünscht haben mag, ist nicht ersichtlich, dass er aufgrund einer "unangemessenen Aktenführung" in der Wahrnehmung seiner Parteirechte gehindert worden wäre. Eine diesbezügliche Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.
5.4. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Weiteren zutreffend erkannt hat, stellte es keine unheilbare Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, dass die Beschwerdegegnerin nicht im Einspracheentscheid, sondern erst in der Vernehmlassung an das Bundesverwaltungsgericht aufzeigt, wo die Unterlagen, auf welche sie sich betreffend den Umsatzrückvergütungen gestützt hatte, in den Akten zu finden waren. Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers führte dies für ihn nicht zu einem Instanzverlust, hatte er doch Gelegenheit, sich diesbezüglich im Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht zu äussern. Entsprechend ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz den Einspracheentscheid wegen dieses Begründungsmangels nicht aufgehoben, sondern die Verletzung des rechtlichen Gehörs als geheilt betrachtete (vgl. BGE 142 II 218 E. 2.8.1; 137 I 195 E. 2.3.2) und daher lediglich bei der Festlegung der Kostenfolgen berücksichtigt hat.
6.
In materieller Hinsicht bringt der Beschwerdeführer einzig vor, das Bundesverwaltungsgericht habe hinsichtlich den Voraussetzungen für die Ermessensveranlagung zu Unrecht nicht nach dem Regelbeweismass, sondern nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit geurteilt. Auch wenn die Vorinstanz diesbezüglich eine mehrdeutige Formulierung wählte, so ergibt sich doch aus dem Gesamtzusammenhang ohne Weiteres, dass sie nicht nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit urteilte, sondern vielmehr im Sinne eines Vollbeweises davon überzeugt war, dass diverse Einnahmen des Beschwerdeführers in den Büchern des Einzelunternehmens nicht oder nicht richtig verbucht worden sind. Damit erweist sich die Beschwerde auch diesbezüglich als unbegründet.
7.
Zusammenfassend vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun, dass die Vorinstanz Recht im Sinne von Art. 95 BGG verletzt hätte, als sie ihn für das Jahr 2009 zu einer Mehrwertsteuernachzahlung in der Höhe von Fr. 20'023.- zuzüglich Zinsen verpflichtete. Die Beschwerde ist demgemäss abzuweisen.
8.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 2. Dezember 2024
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Parrino
Der Gerichtsschreiber: Nabold