Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
U 327/05
Urteil vom 3. Januar 2006
II. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiber Hadorn
Parteien
F.________, 1963, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dominik Zehntner, Spalenberg 20, 4051 Basel,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel
(Entscheid vom 15. Juni 2005)
Sachverhalt:
F.________ (geb. 1963) war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) freiwillig gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 11. November 1995 erlitt er einen Unfall. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 23. Juli 2003 stellte sie diese auf Ende des selben Monats ein, da kein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den heutigen Leiden mehr gegeben sei. Daran hielt die SUVA mit Einspracheentscheid vom 2. März 2004 fest.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 15. Juni 2005 ab.
F.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es seien ihm die gesetzlichen Leistungen auszurichten. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Verbeiständung.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Vorschriften zum Begriff des Unfalls (Art. 4 ATSG) und die Voraussetzungen zur Leistungspflicht (Art. 6 Abs. 1 UVG), namentlich bei Taggeldern (Art. 16 UVG) sowie die Rechtsprechung zum natürlichen (BGE 119 V 335 Erw. 2b) und adäquaten Kausalzusammenhang, insbesondere von psychischen Leiden mit dem Unfall (BGE 115 V 133 Erw. 6) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die SUVA auch über den Juli 2003 hinaus Leistungen zu erbringen hat.
2.1 Gemäss der Expertise des Zentrums für medizinische Begutachtung (ZMB) vom 6. November 2002 besteht ein leichtgradiges, rechtsbetontes Zervikalsyndrom. Orthopädisch, neurologisch und neurootologisch seien praktisch keine Befunde festgestellt worden. Rein somatisch sei lediglich das erwähnte Zervikalsyndrom noch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 11. November 1995 zurückzuführen, aus neurologischer Sicht möglicherweise eine Teilkomponente des chronischen Kopfwehs. Die anderen somatischen Affektionen seien dagegen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unfallfremd und teilweise vorbestehend. Die Kopfschmerzen seien entweder ätiologisch ungeklärt oder Teil der somatoformen Schmerzstörung, deren Auftreten zu jenem Zeitpunkt nicht weggedacht werden könne, ohne auch den Unfall wegzudenken. Dass sich die Kopfschmerzproblematik im Verlaufe der Jahre nach dem Unfall verstärkt habe, spreche für eine multikausale Komponente. Die Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit dem typischen Beschwerdebild nach HWS-Distorsionstrauma träten gegenüber psychischen Leiden ganz in den Hintergrund.
2.2 Auf die Expertise des ZMB kann abgestellt werden, da sie den Erfordernissen der Rechtsprechung an solche Gutachten (BGE 125 V 352 f. Erw. 3) genügt. Was der Beschwerdeführer hiegegen einwendet, ist nicht stichhaltig. Die Expertise der Klinik X.________ vom 28. Oktober 1998 ist zu alt, als dass damit ein Leistungsanspruch von Mitte 2003 zuverlässig beurteilt werden könnte. Ausserdem ist sie im Auftrag der Invalidenversicherung erstellt worden, welche im Unterschied zur Unfallversicherung nicht nur die unfallkausalen, sondern sämtliche Leiden zu berücksichtigen hat. Die Experten dieser Klinik wurden denn auch nicht zur Unfallkausalität der einzelnen Beschwerden befragt und äusserten sich nicht speziell dazu. Sodann hat die Vorinstanz richtig erwogen, dass der Beizug der Strafakten keinen Einfluss auf die Einschätzung der ZMB-Gutachter hatte. Das Strafverfahren findet nur kurz Erwähnung in der Expertise. Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Gutachter sind nicht ersichtlich, zumal die in Frage stehenden Delikte bereits lange zurückliegen und das Strafverfahren eingestellt worden ist. Der psychiatrische Experte verwies nicht nur auf die Strafakten, sondern auf weitere, übereinstimmende Berichte der Rehabilitationsklinik Y.________ und der Psychiaterin Frau Dr. med. H.________. Einer Oberexpertise bedarf es nicht, da der Gesundheitszustand des Versicherten bereits vielfach und eingehend abgeklärt worden ist.
2.3 Gestützt auf das Gutachten des ZMB ist rechtsgenüglich erstellt, dass kaum noch somatische Befunde vorliegen und insofern keine Leistungspflicht der SUVA mehr besteht. Ein Zusammenhang der Kopfschmerzen mit dem Unfall ist nach der Expertise und entgegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur möglich, aber nicht überwiegend wahrscheinlich, weshalb auch diesbezüglich keine SUVA-Leistungen mehr geschuldet sind. Es überwiegen die psychischen Beschwerden. Für diese hat die Unfallversicherung nur dann weiterhin aufzukommen, wenn sowohl der natürliche als auch der adäquate Kausalzusammenhang erfüllt sind. Selbst wenn der natürliche Zusammenhang allenfalls, namentlich angesichts der Beweislastsituation, bejaht werden könnte, ist der adäquate jedenfalls nicht gegeben. Beim Ereignis vom 11. November 1995 handelt es sich um einen mittelschweren Unfall. Der adäquate Kausalzusammenhang wäre somit nur erfüllt, wenn die entsprechenden Kriterien in gehäufter oder ein einzelnes Kriterium in besonderer Weise erfüllt wären. Dabei kann nicht zweifelhaft sein, dass die Rechtsprechung nach BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa und nicht diejenige nach BGE 117 V 367 Erw. 6a zur Anwendung kommt. Denn im Gutachten des ZMB wird die Frage, ob die HWS-Distorsionssymptome gegenüber den psychischen Beschwerden ganz in den Hintergrund träten, eindeutig bejaht. Das Ereignis vom 11. November 1995 war weder besonders eindrücklich noch erfolgte es unter dramatischen Begleitumständen. Die Art der erlittenen Verletzungen war nicht besonders schwer. Der Versicherte zog sich eine Schürfung des Hinterkopfes sowie eine commotio cerebris, eventuell eine commotio auris zu. Solche Verletzungen sind nicht geeignet, psychische Fehlentwicklungen auszulösen. Die Behandlung der körperlichen Unfallfolgen dauerte nicht ungewöhnlich lange. Aus physischen Gründen war der Versicherte nicht während langer Zeit arbeitsunfähig. Vielmehr beruht die Arbeitsunfähigkeit auf psychischen Gründen, was nach den Kriterien gemäss BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa nicht massgebend ist. Ärztliche Fehlbehandlungen, welche die Unfallfolgen verschlimmert hätten, sind nicht eingetreten. Wie die Vorinstanz richtig festgestellt hat, kann einzig das Kriterium der Dauerschmerzen wegen des Kopfwehs bejaht werden. Die angeblich langdauernde medizinische Behandlung bestand - wie die Vorinstanz richtig festgestellt hat - im Wesentlichen aus Konsultationen zwecks Sachverhaltsabklärungen. Damit treten die massgebenden Kriterien weder gehäuft auf, noch ist ein einzelnes Kriterium in besonders eindrücklicher Weise erfüllt. Daher fehlt es am adäquaten Kausalzusammenhang zwischen den heutigen Leiden und dem Ereignis vom 11. November 1995, weshalb die SUVA ihre Leistungen zu Recht eingestellt hat.
3.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 134 OG).
3.1 Nach Gesetz (Art. 152 OG) und Praxis sind in der Regel die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung erfüllt, wenn der Prozess nicht aussichtslos erscheint, die Partei bedürftig und die anwaltliche Verbeiständung notwendig oder doch geboten ist (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen).
3.2 Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet (BGE 129 I 135 Erw. 2.3.1, 128 I 236 Erw. 2.5.3 mit Hinweis).
3.3 Dem Anwalt des Versicherten musste angesichts der Expertise des ZMB klar sein, dass die Rechtsprechung nach BGE 115 V 140 und nicht diejenige nach BGE 117 V 367 anwendbar ist. Damit stand auch fest, dass der adäquate Kausalzusammenhang nicht bejaht werden kann. Unter solchen Umständen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als aussichtslos zu werten, weshalb die unentgeltliche Verbeiständung nicht gewährt werden kann.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 3. Januar 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
i.V.