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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.383/2005 /sza 
 
Urteil vom 3. Februar 2006 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Nyffler, 
Gerichtsschreiber Arroyo. 
 
Parteien 
X.________ GmbH, 
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Advokat Andreas Béguin, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Advokat Lukas Polivka. 
 
Gegenstand 
Mietvertrag; Ausweisung, 
 
Berufung gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, 
vom 15. September 2005. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die X.________ GmbH (Beklagte und Berufungsklägerin) bezweckt den Betrieb von Restaurants. Mit Vertrag vom 20. März 2002 mietete sie von der Y.________ (Klägerin und Berufungsbeklagte) Geschäftsräumlichkeiten in der Liegenschaft "X.________" an der Z.________strasse in Basel. A.________ ist im Handelsregister als Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift der Beklagten eingetragen. 
1.1 Am 22. November 2004 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit der Beklagten wegen Zahlungsrückständen auf den 31. Dezember 2004. Nach ihrer Darstellung hat sie mit Schreiben vom 14. Oktober 2004 die ausstehenden Mietzinsen unter Androhung der Kündigung abgemahnt. Die Beklagte bestreitet, diese Mahnung erhalten zu haben und insbesondere den Empfang der Postsendung durch ihren Geschäftsführer A.________. 
1.2 Nachdem die Beklagte die Kündigung bei der Schlichtungsbehörde angefochten hatte, stellte die Klägerin beim Zivilgericht Basel-Stadt ein Räumungsbegehren, so dass die Verfahren gemäss Art. 274g Abs. 1 lit. a OR beim Zivilgerichtspräsidium vereinigt wurden. An einer ersten Verhandlung vom 15. März 2005 stellte der Zivilgerichtspräsident das Verfahren aus, um als zusätzliches Beweismittel eine amtliche Erkundigung bei der Post einzuholen. Am 9. Mai 2005 verurteilte das Zivilgericht Basel-Stadt die Beklagte, die Mieträumlichkeiten innert 14 Tagen zu verlassen. 
1.3 Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt wies die von der Beklagten gegen das Urteil des Zivilgerichts erhobene Beschwerde am 15. September 2005 ab. Das Gericht kam zum Schluss, dass der Brief der Klägerin, den diese am 14. Oktober 2004 mit eingeschriebener Post aufgegeben hatte, am 18. Oktober 2004 in den Besitz der Beklagten gelangte und die eingeschriebene Sendung die Mahnung mit Kündigungsandrohung enthielt. Das Gericht wies das neu eingelegte Schreiben von B.________ (der nach Behauptung der Beklagten als Gast ihres Restaurants die eingeschriebene Sendung am 18. Oktober 2004 entgegennahm) als verspätet aus dem Recht und wies auch den Antrag auf Einvernahme von B.________ als Zeugen als verspätet ab; ausserdem hielt das Gericht fest, dass ein Antrag auf ein graphologisches Gutachten nicht (rechtzeitig) gestellt worden sei. Das Gericht erachtete eventuell die verspäteten Beweismittel antizipiert als ungeeignet, an seiner Überzeugung etwas zu ändern und wies in vorweggenommener Würdigung auch den Antrag auf Einvernahme von Zeugen zur Behauptung der Beklagten ab, dass ihr Geschäftsführer A.________ am Vormittag des 18. Oktober 2004 nicht am Geschäftsdomizil anwesend gewesen sei. 
1.4 Die Beklagte hat gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 15. September 2005 sowohl eidgenössische Berufung wie auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Mit Berufung beantragt sie, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Abklärung des Sachverhalts und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie rügt, die Vorinstanz habe die bundesrechtlichen Beweisvorschriften von Art. 274d Abs. 3 OR und Art. 8 ZGB verletzt. 
Die Klägerin schliesst in der Antwort auf Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei. 
2. 
Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, wenn sie nicht offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen (Art. 63 Abs. 2 OG) oder im Hinblick auf den Tatbestand einer anwendbaren Sachnorm ergänzungsbedürftig sind (Art. 64 OG). Werden solche Ausnahmen geltend gemacht, so hat die Partei, welche den Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen (Art. 55 Abs. 1 lit. c und d OG; BGE 130 III 102 E. 2.2 S. 106 mit Hinweisen). Die Beklagte macht derartige Ausnahmen geltend, indem sie die Verletzung Art. 274d Abs. 3 OR und Art. 8 ZGB rügt. 
2.1 Nach Art. 274d Abs. 3 OR stellen in Mietstreitigkeiten die Schlichtungsbehörde und der Richter den Sachverhalt von Amtes wegen fest und würdigen die Beweise nach freiem Ermessen; die Parteien müssen ihnen alle für die Beurteilung des Streitfalles notwendigen Unterlagen vorlegen. Diese Bestimmung entbindet die Parteien nicht von ihrer Mitwirkungspflicht und hindert die Kantone nicht daran, die Kognition der zweiten Instanz durch ein Novenverbot zu beschränken (BGE 125 III 231 E. 4a mit Verweisen). Die Bestimmung begründet mit der Anweisung, die Beweise nach freiem Ermessen zu würdigen, aber auch keinen bundesrechtlichen Anspruch auf freie Überprüfung der Beweiswürdigung im Berufungsverfahren. Das Gebot freier Beweiswürdigung steht vielmehr der Beachtung von Regeln entgegen, welche die Berücksichtigung bestimmter Beweismittel verbieten oder Beweismittel ihrer Art nach bewerten (Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Aufl., Bern 2006, S. 265 f.; Hohl, Procédure civile, Bern 2001, Bd. I, N 1101 ff.). Die Vorschrift freier Beweiswürdigung schreibt dem Sachgericht aber ebenso wenig wie Art. 8 ZGB vor, wie die Beweise zu würdigen sind (Urteil 4C. 264/2002 vom 25. August 2003, E. 4.2 in fine, in SJ 2004 Bd. I S. 93). Führt die Würdigung der erhobenen und die vorweggenommene Würdigung der nicht erhobenen Beweise das kantonale Gericht zu einem positiven Beweisergebnis, so ist das Bundesgericht an die Feststellungen gebunden. Bundesrechtliche Beweisvorschriften sind durch die Beweiswürdigung nicht verletzt (BGE 130 III 321 E. 5 S. 327). Blosse Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung ist im Berufungsverfahren unzulässig (BGE 127 III 73 E. 6a; 126 III 10 E. 2b S. 13 mit Hinweisen). 
2.2 Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil die von der Beklagten bestrittene Behauptung umfassend geprüft, dass ein bevollmächtigtes Organ der Beklagten die Zahlungsaufforderung mit Kündigungsandrohung, welche die Klägerin am 14. Oktober 2004 der Post übergeben hatte, am 18. Oktober 2004 tatsächlich in Empfang nahm (vgl. BGE 119 II 147 E. 2 S. 149). Die Vorinstanz hat in Würdigung der erhobenen Beweise und unbestrittenen Tatsachen geschlossen, dass die Beklagte (bzw. ihr Organ A.________) die Mahnung am Vormittag des 18. Oktober 2004 tatsächlich entgegen genommen hat. Sie hat die Abnahme weiterer Beweismittel nicht in Beachtung irgendwelcher Beweisregeln ausgeschlossen, sondern weil sie diese in vorweggenommener Würdigung für untauglich hielt, die bereits gewonnene richterliche Überzeugung noch umzustossen. Damit hat sie den Grundsatz der Beweiswürdigung nach freiem Ermessen im Sinne von Art. 274d Abs. 3 OR beachtet. Die Beklagte verkennt die Tragweite der bundesrechtlichen Beweisvorschriften, wenn sie unter Berufung darauf die Nichtabnahme offerierter Beweismittel kritisiert. Die Beweislastverteilung im Sinne von Art. 8 ZGB ist durch die - teils antizipierte - Würdigung der Beweise gegenstandslos geworden und der Grundsatz freier Beweiswürdigung ist durch die Nichtabnahme von Beweisen nicht berührt, die nach Überzeugung des Gerichts am Beweisergebnis nichts zu ändern vermöchten. 
3. 
Die Berufung ist abzuweisen, soweit darauf überhaupt einzutreten ist. Diesem Verfahrensausgang entsprechend hat die Beklagte die Gerichtsgebühr zu bezahlen (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie hat überdies der anwaltlich vertretenen Klägerin die Parteikosten zu ersetzen (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beklagten auferlegt. 
3. 
Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'500.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 3. Februar 2006 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: