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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_57/2021  
 
 
Urteil vom 3. Februar 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Bundesrichterin Jametti, 
Bundesrichter Haag, Bundesrichter Müller, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Möri, 
 
gegen  
 
B.________, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Beeler, 
 
Gemeinderat Steinerberg, 
Sattelstrasse 12, 6416 Steinerberg, 
Amt für Raumentwicklung des Kantons Schwyz, 
Bahnhofstrasse 14, Postfach 1186, 6431 Schwyz, 
Regierungsrat des Kantons Schwyz, 
Bahnhofstrasse 9, Postfach 1260, 6431 Schwyz. 
 
Gegenstand 
Planungs- und Baurecht (nachträgliche Baubewilligung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des 
Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz, 
Kammer III, vom 9. Dezember 2020 (III 2020 132). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ ist Eigentümer der landwirtschaftlichen Parzelle Nr. 275 in Steinerberg, worauf ein Wohnhaus und ein Stall stehen. Am 28. Juni 2007 erteilte ihm der Kanton Schwyz und am 10. September 2007 der Gemeinderat Steinerberg die Bewilligung für einen Umbau des Stalls von einem Anbinde- zu einem Laufstall und für einen Anbau. Diese Baubewilligung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. 
Mit Schreiben vom 15. September 2017 verlangte A.________ von der Gemeinde Steinerberg wegen Abweichungen von den bewilligten Plänen den Erlass eines Baustopps. Er ist Eigentümer der nördlich und südlich an das Baugrundstück angrenzenden Parzellen Nrn. 268 und 289. Am 27. September 2017 hielt das Bauamt Steinerberg fest, ein Baustopp erübrige sich, die Bauarbeiten seien beendet. Es verlangte indes von B.________ die Einreichung eines nachträglichen Baugesuchs für die Abweichungen. 
Am 27. Oktober 2017 reichte B.________ das nachträgliche Baugesuch ein. A.________ erhob dagegen Einsprache. Mit Entscheid vom 10. September 2019 erteilte das kantonale Amt für Raumentwicklung (ARE/SZ) die kantonale Baubewilligung, wobei es festhielt, dass diese erst in Rechtskraft erwachse, wenn die Bauherrschaft über das erforderliche Fahrwegrecht verfüge. Die kantonale Baubewilligung wurde vom Gemeinderat Steinerberg eröffnet, der seinerseits mit Beschluss vom 21. Oktober 2019 die Einsprache abwies und die kommunale Baubewilligung erteilte. 
Der Regierungsrat des Kantons Schwyz wies mit Beschluss vom 30. Juni 2020 eine von A.________ hiergegen erhobene Beschwerde ab und hob zudem die erwähnte Passage betreffend den Aufschub der Rechtskraft der kantonalen Baubewilligung auf. 
In der Folge gelangte A.________ ans Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz. Dieses wies seine Beschwerde mit Entscheid vom 9. Dezember 2020 im Sinne der Erwägungen ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 29. Januar 2021 ans Bundesgericht beantragt A.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die Baubewilligung zu verweigern. 
Der Beschwerdegegner beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen; subeventualiter sei die Rechtskraft der Baubewilligung aufzuschieben, bis die Bauherrschaft über das erforderliche Wegrecht verfüge. Der Regierungsrat beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht und der Gemeinderat Steinerberg haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das ARE/SZ hat sich geäussert, ohne einen Antrag zu stellen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid aus dem Bereich des Baurechts. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich offen (Art. 82 ff. BGG). Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als Nachbar zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf seine Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Das Baugrundstück wird über den Neuenweg erschlossen, der an der Nolbergstrasse beginnt und zunächst über die Parzelle Nr. 289 führt. Der Beschwerdeführer, dem diese Parzelle gehört, ist der Auffassung, das Baugesuch hätte wegen der fehlenden Erschliessung nicht bewilligt werden dürfen: Zum einen fehle ein Wegrecht, zum andern sei der Weg zu schmal. Der Beschwerdegegner weist seinerseits darauf hin, dass der Beschwerdeführer seit Jahrzehnten die Benützung dieses Wegs toleriere, sich aber weigere, das Fuss- und Fahrwegrecht im Grundbuch einzutragen.  
 
2.2. Das Verwaltungsgericht führte dazu aus, dass grundsätzlich davon ausgegangen werden könne, dass die Erschliessungsfrage vor Erteilung der Baubewilligung im Jahr 2007 geprüft worden sei. Ein im Grundbuch eingetragenes Wegrecht bestehe aber nicht. Entscheidend sei, dass die nachträgliche Projektänderung erschliessungsrechtlich nicht relevant sei, weshalb diese Frage hier nicht erneut geprüft werden müsse. Die baulichen Änderungen seien relativ geringfügig und es sei keine Nutzungsänderung oder -intensivierung erkennbar. Vielmehr sei eher von einer Nutzungsreduktion auszugehen, da in der Baubewilligung als Auflage angeordnet worden sei, dass der Betrieb eines Magazins für Bauunternehmen nicht zulässig sei. Die fragliche Wegberechtigung sei auf dem Zivilweg zu klären oder mit der öffentlich-rechtlichen Erschliessungshilfe nach § 41 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Schwyz vom 14. Mai 1987 (SRSZ 400.100).  
 
2.3. Der Beschwerdeführer hält diese Ausführungen für unzutreffend. Das Erfordernis der genügenden Erschliessung sei gemäss Art. 22 Abs. 2 lit. b RPG (SR 700) bei jeder Baubewilligung zu prüfen. Dass keine Nutzungsintensivierung resultiere - was vorsorglich bestritten werde - spiele somit keine Rolle. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass sich in den letzten 14 Jahren, wie in fast allen Bereichen, erhebliche Veränderungen ergeben hätten und die heutigen Maschinen viel grösser und schwerer seien als noch 2007. Wenn das Verwaltungsgericht darauf hinweise, dass eher eine Nutzungsreduktion zu erwarten sei, übersehe es, dass die Nutzung als Magazin für eine Bauunternehmung ohne Bewilligung und illegal erfolgt sei. Daraus dürfe deshalb nichts zu Gunsten des Beschwerdegegners abgeleitet werden. Weiter sei auch nicht davon auszugehen, die Erschliessungsfrage sei 2007 geprüft worden, hätte doch sonst festgestellt werden müssen, dass es am Wegrecht mangle. Im Übrigen handle es sich nicht um eine Projektänderung, sondern um ein neues Projekt. Da die Erschliessung eine wesentliche Voraussetzung für die Baubewilligung sei und der Mangel offensichtlich, müsse die Baubewilligung von 2007 als nichtig betrachtet werden.  
 
3.  
 
3.1. Gemäss Art. 22 Abs. 2 lit. b RPG setzt die Erteilung einer Baubewilligung voraus, dass das Baugrundstück erschlossen ist. Nach Art. 19 Abs. 1 RPG ist Land erschlossen, wenn die für die betreffende Nutzung hinreichende Zufahrt besteht und die erforderlichen Wasser-, Energie- sowie Abwasserleitungen so nahe heranführen, dass ein Anschluss ohne erheblichen Aufwand möglich ist. Diese Regelung begnügt sich inhaltlich mit Minimalanforderungen, die sicherstellen, dass keine Bauten und Anlagen entstehen, die wegen fehlender Zufahrten sowie Versorgungs- und Entsorgungseinrichtungen feuer- oder gesundheitspolizeiliche Gefahren bieten oder sonstige öffentliche Interessen gefährden (Urteil 1C_627/2019 vom 6. Oktober 2020 E. 6.3 mit Hinweisen). Die Zufahrt muss spätestens im Zeitpunkt der Realisierung des Bauvorhabens tatsächlich und rechtlich gewährleistet sein (BGE 127 I 103 E. 7d; Urteile 1C_471/2020 vom 19. Mai 2021 E. 3.1; 1C_245/2014 vom 10. November 2014 E. 4; je mit Hinweisen). Es ist insofern ausreichend, wenn eine Baubewilligung mit der Bedingung versehen wird, wonach die Baubewilligung erst mit der Sicherstellung der strassenmässigen Erschliessung rechtswirksam wird (Urteil 1C_271/2011 vom 27. September 2011 E. 2.5 mit Hinweisen).  
 
3.2. Ist eine Baute gestützt auf eine rechtskräftige Baubewilligung errichtet oder umgebaut worden, so ist die damit bewilligte Nutzung formell rechtmässig, selbst wenn die Baubewilligung zu Unrecht erteilt worden sein sollte. Vorbehalten bleibt die Nichtigkeit der Baubewilligung. Die vom Beschwerdegegner vermutete fehlerhafte Beurteilung der Erschliessung des Baugrundstücks im Rahmen der Baubewilligung von 2007 hatte indessen nicht die Nichtigkeit, sondern bloss die Anfechtbarkeit zur Folge. Entscheide sind nur nichtig, wenn der ihnen anhaftende Mangel besonders schwer wiegt, wenn er sich als offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar erweist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Inhaltliche Mängel einer Entscheidung führen nur ausnahmsweise zur Nichtigkeit. Als Nichtigkeitsgründe kommen vorab funktionelle und sachliche Unzuständigkeit der entscheidenden Behörde sowie krasse Verfahrensfehler in Betracht (BGE 145 III 436 E. 4 S. 438 mit Hinweisen). Wie das Verwaltungsgericht dargelegt hat, kann der Mangel der hinreichenden Erschliessung nachträglich beseitigt werden. Der Beschwerdeführer macht zudem nicht geltend, dass der angeblich unzureichende Ausbau des Wegs eine Gefahr für Polizeigüter darstellen würde, weil etwa die Durchfahrt mit einem Feuerwehrfahrzeug unmöglich wäre. Auch wenn, wie oben dargelegt wurde, die Erschliessung bereits im Zeitpunkt der Baubewilligung sichergestellt sein muss, liegt unter diesen Umständen kein besonders schwer wiegender Mangel vor.  
 
3.3. Ob eine Baute, die dem geltenden Recht widerspricht, geändert, erweitert oder wiederaufgebaut werden darf, entscheidet sich nach dem Umfang der ihr zukommenden Besitzstandsgarantie. Der Umfang dieser Garantie ergibt sich für Bauten innerhalb der Bauzone in erster Linie aus dem kantonalen Recht, für Bauten ausserhalb der Bauzone dagegen in erster Linie aus dem Bundesrecht (BGE 113 Ia 119 E. 2a; Urteil 1C_550/2017 vom 6. Februar 2018 E. 3.4.1; RUDOLF MUGGLI, in: Praxiskommentar RPG: Bauen ausserhalb der Bauzone, 2017, N. 7 zu Art. 24c RPG; zur verfassungsrechtlichen Besitzstandsgarantie, die lediglich den sog. kleinen Unterhalt erfasst, s. Urteil 1P.418/2002 vom 16. Dezember 2002 E. 3.1.1). Indessen stützt sich das Erschliessungserfordernis in beiden Fällen auf Bundesrecht, nämlich Art. 22 Abs. 2 lit. b und Art. 19 Abs. 1 RPG (vgl. auch ALEXANDER RUCH, in: Praxiskommentar RPG: Baubewilligung, Rechtsschutz und Verfahren, 2020, N. 22 zu Art. 23 RPG; WALDMANN/HÄNNI, Raumplanungsgesetz, 2006, N. 1 zu Art. 23 RPG).  
Die das Bauen ausserhalb der Bauzone betreffenden Art. 24 ff. RPG regeln den vorliegenden Fall, in dem die Erweiterung einer ungenügend erschlossenen, aber zonenkonformen landwirtschaftlichen Baute zur Diskussion steht, allerdings nicht. Insbesondere lässt sich dafür auch nichts aus Art. 24c i.V.m. Art. 42 Abs. 1 RPV ableiten. Nach der Rechtsprechung zu diesen Bestimmungen ist für die Erneuerung, teilweise Änderung, massvolle Erweiterung und den Wiederaufbau bestehender zonenwidriger Bauten ausserhalb der Bauzonen erforderlich, dass keine neuen wesentlichen Auswirkungen auf die Erschliessung entstehen (Urteil 1C_179/2013 vom 15. August 2013 E. 2.5.2 mit Hinweis). Welche Bedeutung eine fehlende rechtlich hinreichende Zufahrt für den Umbau zonenkonformer Bauten hat, ergibt sich hieraus nicht. 
Die Zulässigkeit des vorliegend strittigen Umbaus des Stalls des Beschwerdegegners bemisst sich vielmehr direkt an den Vorgaben von Art. 22 Abs. 2 lit. b und Art. 19 Abs. 1 RPG. Vor dem Hintergrund des Zwecks dieser Bestimmungen ist ausschlaggebend, ob das Bauvorhaben für die Erschliessung überhaupt relevant ist. Ist dies nicht der Fall, steht eine mangelhafte Erschliessung dem Bauvorhaben nicht entgegen. Es verhält sich insofern ähnlich, wie wenn ein rechtskräftig bewilligtes, bestehendes Gebäude die geltenden Bestimmungen über die Gebäudemasse oder Grenzabstände nicht einhält: Es ist allgemein üblich, auch bei solchen Gebäuden innere Umbauten zuzulassen, ohne gleichzeitig eine Anpassung der Gebäudedimensionen an die geltenden Vorschriften zu verlangen (Urteil 1P.487/2004 vom 6. Juni 2005 E. 3.2; s. auch Urteil 1P.236/2000 vom 10. August 2000 E. 3c; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VB.2006.00181 vom 27. September 2006 E. 5.1 f.; je mit Hinweisen). 
Zwar bestreitet der Beschwerdeführer die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung, wonach der Stallumbau nicht zu einer qualitativ oder quantitativ intensiveren Nutzung des Zufahrtswegs über seine Parzelle führt. Die in diesem Zusammenhang angeführte Behauptung, es sei davon auszugehen, dass die heutigen Maschinen grösser und schwerer seien als noch im Jahr 2007, ist indessen nicht geeignet, den angefochtenen Entscheid insoweit als offensichtlich unrichtig erscheinen zu lassen (Art. 97 Abs. 1 BGG). Es verletzt vor dem Hintergrund des Ausgeführten deshalb kein Bundesrecht, wenn das Verwaltungsgericht zum Schluss kam, die mangelhafte Erschliessung stehe der Erteilung der Baubewilligung nicht entgegen. 
 
4.  
Die Beschwerde ist aus diesen Erwägungen abzuweisen. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer hat dem Beschwerdegegner eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer hat dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Steinerberg, dem Amt für Raumentwicklung des Kantons Schwyz, dem Regierungsrat des Kantons Schwyz und dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Februar 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold