Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1P.851/2005 /sza
Urteil vom 3. März 2006
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Nay, Aeschlimann,
Gerichtsschreiber Kessler Coendet.
Parteien
A. und B. X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt Zwyssig,
gegen
Politische Gemeinde Hergiswil, 6052 Hergiswil NW, Beschwerdegegnerin, vertreten durch den Gemeinderat, dieser vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Beat Zelger,
Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, Rathausplatz 1, 6371 Stans.
Gegenstand
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, vom 21. November 2005.
Sachverhalt:
A.
A. und B. X.________ sind Eigentümer der Parzelle Nr. 1'040, Grundbuch Hergiswil. Das Grundstück misst 281 m2; ein Anteil von 29 m2 entfällt auf die Sonnhaldenstrasse, die über das Grundstück verläuft. Dabei handelt es sich um eine öffentliche Strasse privater Eigentümer. Mit Beschluss vom 11. Dezember 2001 verpflichtete der Regierungsrat des Kantons Nidwalden unter anderem A. und B. X.________, ihren Anteil an der Privatstrasse - gemäss Enteignungsplan vom 27. Juni 2001 - an die Politische Gemeinde Hergiswil abzutreten. Die von A. und B. X.________ eingelegten Rechtsmittel wurden abgewiesen, in letzter Instanz vom Bundesgericht (Urteil 1P.235/2003 vom 30. Juni 2003).
B.
In der Folge leitete die Enteignungskommission des Kantons Nidwalden das Schätzungsverfahren ein. Am 5. Februar 2004 fand die Einigungsverhandlung statt; eine Einigung kam nicht zustande. Innert angesetzter Frist erhoben A. und B. X.________ am 10. März 2004 Klage bei der Enteignungskommission; sie verlangten damit im Wesentlichen eine Entschädigung von Fr. 500.--/m2. Mit Entscheid vom 13. Januar 2005 setzte die Enteignungskommission die Entschädigung auf Fr. 100.--/m2 fest. Das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden wies den hiergegen erhobenen Rekurs von A. und B. X.________ mit Urteil vom 21. November 2005 ab.
C.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts haben A. und B. X.________ am 20. Dezember 2005 staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Urteils und rügen eine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) sowie des Willkürverbots (Art. 9 BV). Am 3. Januar 2006 haben sie eine Beschwerdeergänzung eingereicht.
Das Verwaltungsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. Der Gemeinderat Hergiswil ersucht um Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts ist kantonal letztinstanzlich (Art. 86 Abs. 1 OG). Die Beschwerdeführer sind als Eigentümer der Strassenfläche, die in das Eigentum der Gemeinde überführt werden soll, in rechtlich geschützten Interessen betroffen und nach Art. 88 OG zur Beschwerdeführung legitimiert.
1.2 Zusätzlich zur Beschwerdeschrift vom 20. Dezember 2005 haben die Beschwerdeführer am 3. Januar 2006 eine Ergänzung nachgereicht. Dieser Nachtrag ist rechtzeitig eingereicht worden (Art. 89 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 34 Abs. 1 lit. c OG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.
1.3 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss in der Beschwerdeschrift insbesondere dargelegt werden, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene Rügen, die soweit möglich zu belegen sind. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 262; 129 I 113 E. 2.1 S. 120, je mit Hinweisen).
2.
Im angefochtenen Urteil verwies das Verwaltungsgericht teilweise auf die Ausführungen des Entscheids der Enteignungskommission. Dabei stützte sich das Gericht auf Art. 84 Abs. 2 der Nidwaldner Zivilprozessordnung vom 20. Oktober 1999 (ZPO/NW; NG 262.1) in Verbindung mit Art. 34 Abs. 5 des Nidwaldner Enteignungsgesetzes vom 27. April 1975 (EntG/NW; NG 266.1). Die Beschwerdeführer beklagen, das Gericht habe in der Sache keine eigene Begründung verfasst; dies sei willkürlich. Dabei setzen sie sich jedoch in keiner Weise mit den angeführten kantonalen Gesetzesbestimmungen auseinander; der Willkürvorwurf erweist sich als ungenügend begründet (E. 1.3).
3.
Zur Hauptsache wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Höhe der Entschädigung für die enteignete Fläche.
3.1 Nach der Enteignungskommission, auf deren Begründung das Gericht insoweit verweist, entsteht den Beschwerdeführern durch die Enteignung kein finanzieller Nachteil. Das betreffende Strassenstück sei mit zahlreichen Fahrwegrechten belastet. Die Beschwerdeführer würden die Fläche in diesem Rahmen bisher als Parkplatz nutzen; eine solche Nutzung sei grundsätzlich auch nach der Enteignung möglich. Dass die Beschwerdegegnerin nach der Übernahme ein Anhalte- bzw. Parkverbot anordnen könnte, sei lediglich Spekulation. Der Verlust an Parzellenfläche habe auch keine Auswirkungen auf die bauliche Ausnützungsziffer. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer mit der Abtretung keinen über den verbleibenden Gemeingebrauch hinausgehenden Nutzen einbüssen würden. Dabei führte die Kommission ein Urteil des Bundesgerichts vom 17. September 1969 an (BGE 95 I 453). Im Ergebnis wurde den Beschwerdeführern dennoch eine Entschädigung von Fr. 100.--/m2 zugesprochen. Dies geschah, weil die Beschwerdegegnerin diesen Betrag anerkannt hatte.
3.2 Den soeben erwähnten Bundesgerichtsentscheid erachten die Beschwerdeführer als einseitig und überholt. Sie berufen sich im Wesentlichen auf die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV); im Verhältnis dazu kommt dem ebenfalls angerufenen Willkürverbot (Art. 9 BV) keine eigenständige Bedeutung zu. Die Beschwerdeführer machen geltend, für die nach Art. 26 Abs. 2 BV gebotene volle Entschädigung sei an sich von Baulandpreisen auszugehen. Die umstrittene Fläche gehe von ihrem Grundstück ab; dessen Verkehrswert verringere sich entsprechend. Immerhin beschränken sie sich darauf, einen Landwert zu verlangen, den sie aus der kantonalen Steuereinschätzung für 2002 herleiten. Im Übrigen habe auch die Nutzung der Fläche als Parkplatz einen finanziellen Wert, der die zugesprochene Entschädigung übersteige.
3.3 Laut BGE 95 I 453 E. 4 S. 456 behält der bisherige Eigentümer bei der Überführung eines Privatwegs in das öffentliche Eigentum für den Regelfall alle mit dem Weg verbundenen Vorteile und wird von gewissen Nachteilen entlastet. Der Wert des enteigneten Grundstücks vermindere sich durch die Abtretung von privatem Strassenland dann, wenn der Eigentümer eine bestimmte Nutzungsmöglichkeit einbüsse. Konkret ging es um die Enteignung eines mit zwei Wegdienstbarkeiten belasteten Privatwegs. Das Bundesgericht erachtete die Feststellung des Berner Verwaltungsgerichts nicht als willkürlich, dass das Vermögen des Enteigneten sich in dieser Konstellation nicht vermindere (a.a.O. S. 457). Weiter erwog das Bundesgericht, eine Privatstrasse habe nur dann einen Verkehrswert, wenn sie anderweitig nutzbar sei, d.h. ein Käufer damit rechnen dürfe, dass er aus dem Grundstück einen über den verbleibenden Gemeingebrauch hinausgehenden Nutzen ziehen oder das Strassengebiet sonst anderweitig verwenden könne (a.a.O., E. 5 S. 458).
In einem jüngeren Entscheid, der ein Urteil des Solothurner Verwaltungsgerichts betraf, hat das Bundesgericht bekräftigt, eine mit Fahrwegrechten belastete Privatstrasse besitze in der Regel keinen Verkehrswert (Urteil 1P.318/2001 vom 17. August 2001, E. 2b/cc, in: ZBGR 84/2003 S. 163); einen selbstständigen Wert weise die private Verkehrsanlage nur auf, wenn sie vermögenswerte Nutzungsmöglichkeiten biete (a.a.O., E. 2c/cc). Das Bundesgericht hat es in einem weiteren Solothurner Fall geschützt, dass bei einer formellen Enteignung für die private Strassenfläche kein Baulandpreis, sondern eine Entschädigung von Fr. 10.--/m2 vergütet wurde (unveröffentlichtes Urteil 1P.349/2003 vom 27. Oktober 2003, E. 2).
Die Vorbringen der Beschwerdeführer sind nicht geeignet, die gefestigten Grundsätze der bundesgerichtlichen Rechtsprechung infrage zu stellen. Die Beschwerdeführer gehen somit fehl, wenn sie den Bodenwert, der in der Steuereinschätzung für die gesamte Liegenschaft festgelegt wurde, auf die umstrittene Fläche übertragen.
3.4 Unbehelflich ist ferner der Einwand, auch die Nutzung als Autoabstellplatz rechtfertige eine höhere Entschädigung. Es ist alles andere als willkürlich, wenn die kantonalen Instanzen bezüglich der bisherigen Parkierungsmöglichkeit Parallelen zum Sachverhalt von BGE 95 I 453 gezogen haben. Die Strasse endet rund 100 Meter nach der Liegenschaft der Beschwerdeführer. Die zahlreichen Wegdienstbarkeiten sind zugunsten der hinterliegenden, grösstenteils ebenfalls überbauten Grundstücke eingetragen. Diese Sachlage haben die kantonalen Instanzen keineswegs verkannt. Die auf kantonaler Ebene geäusserte Befürchtung, die Beschwerdegegnerin könnte nach der Übernahme das Parkieren auf der Strasse einschränken, greifen die Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren nicht mehr auf.
3.5 Die Enteignungskommission holte bei der Güterschatzungskommission des Kantons Nidwalden eine Verkehrswertschatzung über die umstrittene Strassenfläche ein. Die Beschwerdeführer beanstanden diese Schatzung; sie erheben ausserdem Vorwürfe gegen die kommunalen Behörden bezüglich der Praxis zu den Pflichtparkplätzen im Rahmen von Baubewilligungen und machen zusätzliche Angaben zur Bezifferung ihrer Forderung. So führen sie unter anderem aus, wie hoch die Erstellungskosten des Strassenabschnitts und der Wert eines Parkplatzes seien. Diese Tatsachenbehauptungen und Vorwürfe haben die Beschwerdeführer einerseits vor dem Verwaltungsgericht nicht vorgebracht. Es handelt sich um Noven, die im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde grundsätzlich unzulässig sind (BGE 129 I 49 E. 3 S. 57 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass hier eine von der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme von diesem Grundsatz gegeben wäre. Anderseits wird aus den Vorwürfen nicht klar, welche verfassungsmässigen Rechte dabei im Einzelnen verletzt sein sollen. Es fehlt insoweit an einer hinreichenden Beschwerdebegründung (E. 1.3). Darauf ist nicht weiter einzugehen.
4.
Schliesslich verlangen die Beschwerdeführer, im Rahmen der Entschädigung seien die bisher aufgelaufenen Anwaltskosten zu ersetzen; die Beschwerdegegnerin habe sämtliche Verfahrenskosten zu tragen. In anderem Zusammenhang bemängeln die Beschwerdeführer, die Regelung in Art. 56 Abs. 1 und 2 EntG /NW über Verfahrenskosten und Parteientschädigung stehe im Widerspruch zum Gebot der vollen Entschädigung. Insofern machen sie geltend, dieses Gebot sei nicht nur in Art. 26 Abs. 2 BV, sondern auch in Art. 7 der Verfassung des Kantons Nidwalden vom 10. Oktober 1965 gewährleistet. Diese Rügen begründen sie einzig mit dem Satz, der Enteignete sei immer der Unterlegene. Diese unklare Begründung erfüllt die Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht, soweit die Vorbringen nicht ohnehin unzulässige Noven darstellen (E. 3.5).
5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang haben die Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen und die Beschwerdegegnerin angemessen zu entschädigen ( Art. 156 und 159 OG ; vgl. Urteil 1P.235/2003 vom 30. Juni 2003, E. 4).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. März 2006
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: