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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1C_627/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 3. März 2015  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Karlen, 
Gerichtsschreiberin Pedretti. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch ACCESSZ Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten, 
 
gegen  
 
Staatssekretariat für Migration, Abteilung Bürgerrecht, Quellenweg 6, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Nichtigerklärung der Einbürgerung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 18. November 2014 des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung III. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1975 geborene Libyer A.________ stellte am 15. September 2004 ein Asylgesuch, welches am 28. Januar 2005 erstinstanzlich abgewiesen wurde. Auf die von ihm erhobene Beschwerde trat die Asylrekurskommission am 8. April 2005 nicht ein, woraufhin eine Ausreisefrist angesetzt wurde. 
 
B.   
Am 28. November 2005 heiratete A.________ im Kanton Zürich die 1959 geborene Schweizer Bürgerin B.________. Daraufhin erhielt er eine Aufenthaltsbewilligung. 
 
C.   
Am 2. November 2009 stellte A.________ ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung. Im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens unterzeichneten die Eheleute am 11. März 2011 eine gemeinsame Erklärung zum Bestand der ehelichen Gemeinschaft. Gleichzeitig bestätigten sie zur Kenntnis genommen zu haben, dass die Verheimlichung des Fehlens einer tatsächlichen ehelichen Gemeinschaft zur Nichtigkeit der Einbürgerung gemäss Art. 41 des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz, BüG; SR 141.0) führen könne. A.________ wurde am 16. Mai 2011 erleichtert eingebürgert und erwarb die Bürgerrechte des Kantons Luzern und der Gemeinde Römerswil. Die Ehe blieb kinderlos. 
 
D.   
In der Zeitspanne zwischen Anfang November 2011 und Ende Januar 2012 haben sich die Eheleute getrennt. Am 30. Dezember 2011 reichten sie ein gemeinsames Scheidungsbegehren ein. Die Ehe wurde am 24. Februar 2012 geschieden. 
 
E.   
A.________ heiratete am 19. März 2012 in Libyen die 1984 geborene Landsfrau C.________. Nach Rückkehr in die Schweiz stellte er am 9. Mai 2012 für sie ein Gesuch um Familiennachzug. 
 
F.   
Am 3. September 2012 leitete das Bundesamt für Migration (BFM; heute Staatssekretariat für Migration, SEM) ein Verfahren betreffend Nichtigkeit der erleichterten Einbürgerung gemäss Art. 41 BüG ein. Nach der Zustimmung des Heimatkantons Luzern erklärte das BFM die erleichterte Einbürgerung am 18. Februar 2014 für nichtig. 
 
 Eine von A.________ gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht am 18. November 2014 ab. 
 
G.   
Mit "Rekurs" beim Bundesgericht vom 22. Dezember 2014 beantragt A.________ die Aufhebung der Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung. In prozessualer Hinsicht wird um unentgeltliche Prozessführung und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ersucht. 
 
H.   
Das SEM beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 Der Beschwerdeführer hat auf eine Replik verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG). Auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 27 Abs. 1 BüG kann ein Ausländer nach der Eheschliessung mit einer Schweizerin ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn er insgesamt fünf Jahre in der Schweiz gewohnt hat, seit einem Jahr hier wohnt und seit drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit der Schweizerin lebt. Art. 26 Abs. 1 BüG setzt ferner in allgemeiner Weise voraus, dass der Bewerber in der Schweiz integriert ist (lit. a), die schweizerische Rechtsordnung beachtet (lit. b) und die innere und äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet (lit. c). Alle Einbürgerungsvoraussetzungen müssen sowohl im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung als auch in demjenigen der Einbürgerungsverfügung erfüllt sein (BGE 140 II 65 E. 2.1 S. 67).  
 
2.2. Nach Art. 41 Abs. 1 BüG kann die Einbürgerung vom Bundesamt mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. Das blosse Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen genügt nicht. Die Nichtigerklärung der Einbürgerung setzt vielmehr voraus, dass diese "erschlichen", das heisst mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist (BGE 132 II 113 E. 3.1 S. 115). Arglist im Sinne des strafrechtlichen Betrugstatbestands ist nicht erforderlich. Immerhin ist notwendig, dass der Betroffene bewusst falsche Angaben macht bzw. die Behörde bewusst in einem falschen Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich zieht, es unterlassen zu haben, die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu informieren (BGE 135 II 161 E. 2 S. 165; 132 II 113 E. 3.1 S. 115).  
 
 Bei der Nichtigerklärung einer erleichterten Einbürgerung ist deshalb von der Behörde zu untersuchen, ob die Ehe im massgeblichen Zeitpunkt der Gesuchseinreichung und der Einbürgerung tatsächlich gelebt wurde. Im Wesentlichen geht es dabei um innere Vorgänge, die der Behörde oft nicht bekannt und schwierig zu beweisen sind. Sie kann sich daher veranlasst sehen, von bekannten Tatsachen (Vermutungsbasis) auf unbekannte (Vermutungsfolge) zu schliessen. Es handelt sich dabei um Wahrscheinlichkeitsfolgerungen, die aufgrund der Lebenserfahrung gezogen werden (BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 485 f.). Der Betroffene ist bei der Sachverhaltsabklärung mitwirkungspflichtig (BGE 135 II 161 E. 2 S. 166; 130 II 482 E. 3.2 S. 486). 
 
2.3. Die tatsächliche Vermutung betrifft die Beweiswürdigung und bewirkt keine Umkehrung der Beweislast (BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 486). Begründet die kurze Zeitspanne zwischen der erleichterten Einbürgerung einerseits und der Trennung oder Einleitung einer Scheidung andererseits die tatsächliche Vermutung, es habe schon bei der Einbürgerung keine stabile eheliche Gemeinschaft mehr bestanden, so muss der Betroffene deshalb nicht das Gegenteil beweisen. Es genügt, wenn er einen Grund anführt, der es als plausibel erscheinen lässt, dass er bei der Erklärung, wonach er mit seiner Schweizer Ehepartnerin in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft lebt, nicht gelogen hat. Bei diesem Grund kann es sich um ein ausserordentliches, nach der Einbürgerung eingetretenes Ereignis handeln, welches zum raschen Scheitern der Ehe führte, oder um das fehlende Bewusstsein des Gesuchstellers bezüglich bestehender Eheprobleme im Zeitpunkt der Einbürgerung (BGE 135 II 161 E. 3 S. 166 mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Nach dem Ausgeführten ist massgebend, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einbürgerung einen intakten Ehewillen besass und ob er auf das Fortbestehen einer stabilen ehelichen Gemeinschaft vertrauen durfte. Angesichts der kurzen zeitlichen Abfolge der Ereignisse ging das Bundesverwaltungsgericht zu Recht von der Vermutung aus, dass bei der Einbürgerung keine stabile, auf die Zukunft gerichtete eheliche Gemeinschaft mehr bestand.  
 
3.2. Es führte dazu aus, der Beschwerdeführer habe nur wenige Monate nach dem erfolglosen Asylverfahren eine deutlich ältere Schweizerin geheiratet. Siebeneinhalb Monate nach seiner erleichterten Einbürgerung hätten die Eheleute ein gemeinsames Scheidungsbegehren eingereicht und sich im selben Zeitraum getrennt. Nur sechs Tage nachdem die Scheidung rechtskräftig geworden sei, habe der Beschwerdeführer erneut geheiratet und daraufhin in der Schweiz ein Gesuch um Familiennachzug gestellt.  
Das Bundesverwaltungsgericht erwog zudem, der Beschwerdeführer habe das Einbürgerungsgesuch zu einem frühen Zeitpunkt gestellt und keine Bemühungen an den Tag gelegt, seine Ehe zu retten. Überdies bestehe zwischen ihm und seiner damaligen Ehefrau ein Altersunterschied von 16 Jahren. Dies im Gegensatz zu seiner jetzigen Frau, die neun Jahre jünger sei und mit der er sich in relativ kurzer Zeit verheiratet habe. Der vom Beschwerdeführer aufgezeigte alternative Geschehensablauf für das eheliche Zerwürfnis (Ausbruch des Bürgerkriegs in Libyen, innerfamiliäre Probleme, beidseitige Entfremdung aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen über die Familienplanung, Religion und Niederlassung sowie der gemeinsame Erwerb einer Eigentumswohnung) sei wenig glaubwürdig und könne die Vermutung, dass keine tatsächlich gelebte Ehe mehr bestanden habe, nicht umstossen. 
 
3.3. Der Beschwerdeführer bringt hiergegen vor, das Bundesverwaltungsgericht habe verkannt, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen in Libyen, mitunter die Bombardierung seiner Familie, sich schwerwiegend auf seine Psyche ausgewirkt hätten. Dadurch habe sich sein Verhalten verändert, was zum Zerfall der zuvor intakten ehelichen Beziehung und schliesslich zur Scheidung geführt habe. Ferner sei die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts widersprüchlich, da es zwar anerkenne, dass ein Krieg im Heimatland eines Gatten geeignet sei, die Ehe zu belasten, dies aber im vorliegenden Falle verneint habe.  
 
3.4. Im Prinzip können die psychischen Belastungen, die kriegerische Auseinandersetzungen für die Betroffenen haben, durchaus ein Grund für das Scheitern der Ehe sein. Vorliegend erscheint dies aber angesichts des prozessualen Verhaltens des Beschwerdeführers und seiner Ex-Ehefrau als vorgeschoben. Anlässlich seiner ersten Stellungnahme am 24. September 2012 nannte der Beschwerdeführer die aussereheliche Beziehung seiner damaligen Ehefrau als den entscheidenden Auslöser für die Trennung und Scheidung. Dies blieb auch in seiner zweiten Stellungnahme am 26. November 2012 der Hauptgrund. Am Ende dieser Stellungnahme fügte er noch an, dass es ihm seit dem Kriegsausbruch in Libyen schlecht ginge, denn seine Familie und Verwandtschaft lebe in unmittelbarer Nähe eines Militärstützpunktes. In seiner Beschwerdeeingabe an das Bundesverwaltungsgericht führte er neben anderen Gründen aus, dass die Entfremdung von seiner Ehefrau und der Kriegsausbruch in Libyen eine grosse Rolle für die Trennung und Scheidung gespielt hätten. Erst vor Bundesgericht wurden die kriegerischen Auseinandersetzungen und deren Auswirkungen auf seine Familie und ihn als Hauptgrund für das eheliche Zerwürfnis und die Scheidung angeführt. Ähnlich verhält es sich mit der Darstellung der Ereignisse durch die Ehefrau. Sie wies erst anlässlich ihrer zweiten Befragung am 8. April 2013 darauf hin, dass der Krieg in Libyen einen wichtigen Einfluss auf die Verfassung des Beschwerdeführers gehabt habe.  
 
 Angesichts der schwerwiegenden Folgen und Traumatisierungen, welche Kriegsgeschehnisse bei direkt Betroffenen und Angehörigen hervorrufen können, wäre zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer diesen Grund bereits in seiner ersten Stellungnahme als ausschlaggebendes Ereignis angegeben hätte. Er erwähnte aber allein die aussereheliche Beziehung seiner Gattin - ein Grund, den er im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorbrachte. Wäre der Krieg in Libyen tatsächlich ein derart einschneidendes Ereignis im Leben des Beschwerdeführers gewesen, leuchtet nicht ein, weshalb er dies nicht von Anfang an und während des ganzen Verfahrens geltend gemacht hat. Ebenso fällt auf, dass die Beschreibung der Auswirkungen des Krieges auf seine Familie und die daraus resultierende psychische Belastung für ihn bloss generischer Natur ist und Detailangaben vermissen lässt. 
 
3.5. Folglich ist kein plausibler Grund für das plötzliche Scheitern einer zuvor angeblich intakten Ehe ersichtlich. Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt, indem sie davon ausging, dass die Einbürgerung erschlichen wurde. Das angefochtene Urteil erscheint auch nicht widersprüchlich. An diesem Ergebnis vermögen die weiteren, summarischen Vorbringen des Beschwerdeführers zum gemeinsamen Erwerb einer Liegenschaft, seiner Integration, der Respektierung der schweizerischen Rechtsordnung und der eingetretenen Entfremdung zwischen den Ehegatten nichts zu ändern. Das Argument, eine Ehe könne trotz Entfremdung stabil sein, ist nicht nachvollziehbar, da sich die Eheleute im vorliegenden Fall ja gerade haben scheiden lassen.  
 
4.   
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. 
 
 Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung. Da die Aussichten eines Obsiegens im vorliegenden Fall beträchtlich geringer waren als die Verlustgefahren, war die Beschwerde aussichtslos. Das Gesuch ist demnach abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es sind ihm die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Gesuch um unentgeltliche Prozessführung wird nicht stattgegeben. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Staatssekretariat für Migration und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. März 2015 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Die Gerichtsschreiberin: Pedretti