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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1C_70/2018  
 
 
Urteil vom 3. Mai 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Karlen, präsidierendes Mitglied, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Mitarbeitende der Gemeinde Gaiserwald, 
Hauptstrasse 21, 9030 Abtwil, 
Beschwerdegegnerinnen, 
alle vertreten durch Rechtsanwalt Philip Schneider, 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, 
Untersuchungsamt Gossau, 
Sonnenstrasse 4a, 9201 Gossau. 
 
Gegenstand 
Ermächtigungsverfahren, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 11. Januar 2018 (AK.2017.389-AK). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der in Gaiserwald wohnhafte A.________ stellte am 3. Januar 2017 einen Antrag auf Sozialhilfe für sich, seine Ehefrau und seine beiden Kinder. Da einzig A.________ über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, der Rest der Familie nur über ein Touristenvisum, wurde dem Gesuch nur teilweise, in Bezug auf A.________ selber, entsprochen. Der Sohn von A.________, B.________, besuchte zeitweise die Schule. 
Am 16. November 2017 reichte A.________ bei der Anklagekammer des Kantons St. Gallen "Beschwerde gegen das Sozialamt Abtwil" und verschiedene Mitarbeiterinnen der Gemeinde Gaiserwald ein. Er machte im Wesentlichen geltend, das Sozialamt habe ihm zustehendes Geld nicht ausbezahlt und das Betreibungsamt habe ihn ungerechtfertigt gepfändet. Zudem sei sein Sohn unrechtmässig von der Schule abgemeldet worden, und das Einwohneramt Abtwil habe die Unterlagen zur Beantragung des Familiennachzugs nicht weitergeleitet. 
Mit Urteil vom 11. Januar 2018 erteilte die Anklagekammer keine Ermächtigung zur Eröffnung von Strafverfahren gegen die angezeigten Personen. 
 
B.   
Mit Beschwerde vom 7. Februar 2018 beantragt A.________ sinngemäss, diesen Entscheid der Anklagekammer aufzuheben und die Staatsanwaltschaft zu ermächtigen, Strafverfahren gegen C.________ vom Sozialamt Gaiserwald, D.________ vom Einwohnermeldeamt Gaiserwald und E.________ vom Betreibungsamt Gaiserwald zu eröffnen. 
 
C.   
Die Anklagekammer verzichtet auf Vernehmlassung. Die angezeigten Mitarbeiterinnen der Gemeinde Gaiserwald beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. 
A.________ hält in zwei Eingaben an der Beschwerde fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Nach Art. 17 Abs. 2 lit. b des St. Galler Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung vom 3. August 2010 entscheidet die Anklagekammer über die Eröffnung oder Nichtanhandnahme einer Strafuntersuchung gegen Behördenmitglieder oder Mitarbeitende des Kantons oder der Gemeinden wegen strafbarer Handlungen, die deren Amtsführung betreffen. Mit dem angefochtenen Entscheid hat es die Anklagekammer abgelehnt, die Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung der Beschwerdegegnerinnen wegen bestimmter Delikte zu ermächtigen. Damit fehlt es in Bezug auf diese Delikte an einer Prozessvoraussetzung für die Durchführung des Strafverfahrens, womit das Verfahren insoweit abgeschlossen ist. Angefochten ist damit ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), gegen den nach der Rechtsprechung die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist (BGE 137 IV 269 E. 1.3.1).  
 
1.2. Nach Art. 7 Abs. 1 StPO sind die Strafbehörden verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ein Verfahren einzuleiten und durchzuführen, wenn ihnen Straftaten oder auf Straftaten hinweisende Verdachtsgründe bekannt werden. Über die Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen Beamte entscheidet im Kanton St. Gallen die Anklagekammer (oben E. 1.1).  
Für den Entscheid über die Ermächtigung zur Strafverfolgung sind einzig strafrechtliche Gesichtspunkte massgeblich. Diese darf insbesondere nicht aus Gründen der Opportunität verweigert werden (vgl. BGE 137 IV 269 E. 2.4 S. 278 f.). Die Eröffnung einer Strafuntersuchung setzt einen "hinreichenden" Tatverdacht voraus (Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO). Da das Ermächtigungserfordernis Behördenmitglieder und Beamte namentlich vor mutwilliger Strafverfolgung schützen und dadurch das reibungslose Funktionieren staatlicher Organe sicherstellen soll, muss für die Erteilung der Ermächtigung vorausgesetzt werden, dass genügende Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung vorliegen bzw. eine gewisse minimale Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine solche stattgefunden hat (Urteile 1C_775/2013 vom 15. Januar 2014 E. 3.3 und 1C_382/2012 vom 10. Oktober 2012 E. 3.1). 
 
1.3. Die Anklagekammer ist im angefochtenen Entscheid zum Schluss gekommen, den Strafanzeigen seien weder genügend substantiierte Sachverhalte zu entnehmen, noch ergäbe sich aus den eingereichten Unterlagen ein entsprechender Tatverdacht.  
Der Beschwerdeführer setzt sich mit den Ausführungen der Anklagekammer dazu nicht sachgerecht auseinander und legt, was einzig zulässig ist, in der Beschwerdeschrift selber unter Verletzung seiner gesetzlichen Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.1; 133 II 396 E. 3.2; Urteil 1C_486/2014 vom 27. April 2016 E. 1.4) weder dar, inwiefern die Anklagekammer mit der Weigerung, die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung der angezeigten Personen zu erteilen, Bundesrecht verletzt noch inwiefern sich diese Personen durch konkrete Handlungen oder Unterlassungen strafbarer Handlungen verdächtig gemacht haben könnten. Der Beschwerdeführer macht vielmehr im Wesentlichen und überwiegend wenig folgerichtig bzw. kaum nachvollziehbar geltend, dass er von den angezeigten Gemeindemitarbeiterinnen in migrations-, sozialhilfe- und betreibungsrechtlichen Verfahren "diskriminiert" worden sei, indem sie nicht alle ihm seiner Auffassung nach zustehenden Forderungen erfüllten. Selbst wenn aber in diesen Verfahren fehlerhafte Verfügungen erlassen worden sein sollten, so beweist dies entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers offensichtlich nicht, dass sich die zuständigen Mitarbeiterinnen in strafrechtlicher Hinsicht etwas zu Schulden kommen liessen. Aus dem Umstand etwa, dass das Kreisgericht St. Gallen als Untere Aufsichtsbehörde am 3. Januar 2018 eine Pfändung des Betreibungsamtes Gaiserwald zu Gunsten des Beschwerdeführers abgeändert hat, weil es dessen Existenzminimum anders berechnete als das Betreibungsamt, lässt sich nicht ein strafrechtlich relevantes Verhalten der zuständigen Betreibungsbeamtin ableiten. Auf die Beschwerde ist wegen Verletzung der gesetzlichen Begründungspflicht im vereinfachten Verfahren nicht einzutreten. 
 
1.4. Es rechtfertigt sich vorliegend ausnahmsweise, auf die Erhebung von Gerichtskosten und die Zusprechung einer Parteientschädigung an die Beschwerdegegnerinnen zu verzichten (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das präsidierende Mitglied:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Gossau, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Mai 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Karlen 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi