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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_212/2013  
   
   
 
 
 
 
Urteil vom 3. Juni 2013  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Denys, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________,  
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Vollzugs- und Bewährungsdienst des Kantons Zug, An der Aa 6, 6300 Zug,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Bedingte Entlassung aus der Verwahrung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, vom 30. Januar 2013. 
 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
 X.________ wird vorgeworfen, am 24. Oktober 1998 seine Ehefrau vor den Augen seiner beiden unmündigen Kinder mit einem Bajonett und einem Wurfmesser durch mehrere Stiche und Hiebe getötet zu haben. Das Strafgericht des Kantons Zug sprach ihn mit Urteil vom 7. November 2003 von der Anschuldigung des Mordes an seiner Ehefrau wegen Unzurechnungsfähigkeit gemäss Art. 10 aStGB frei und ordnete gestützt auf Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB die Verwahrung an. Die dagegen eingereichten Rechtsmittel von X.________ blieben ohne Erfolg (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1P.479/2004 vom 9. Dezember 2004). 
Am 12. September 2007 entschied das Strafgericht des Kantons Zug gestützt auf Ziff. 2 Abs. 2 SchlBestStGB namentlich angesichts der fehlenden Erfolgsaussichten einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB, die altrechtliche Verwahrung nach neuem Recht (Art. 64 StGB) weiterzuführen. 
Der Vollzugs- und Bewährungsdienst des Kantons Zug lehnte am 29. November 2012 die bedingte Entlassung von X.________ aus der Verwahrung ab. Die dagegen erhobene Beschwerde von X.________ leitete der Regierungsrat des Kantons Zug zuständigkeitshalber an das kantonale Verwaltungsgericht, welches die Beschwerde am 30. Januar 2013 abwies. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, bedingt aus der Verwahrung entlassen zu werden. Er habe das ihm vorgeworfene Delikt nicht begangen. Deshalb bestehe auch keine Rückfallgefahr. Er "hätte 2007 mit dem neuen Strafgesetzbuch entlassen werden müssen". Der "Artikelwechsel von Art. 43 auf Art. 64" sei ungesetzlich. Die Berichte über ihn seien einseitig, parteiisch und wenig aufschlussreich. Die Gutachten stützten sich auf die jüdische Kultur, er hingegen sei katholisch und stehe dazu. 
 
2.  
 
 Streitgegenstand bildet ausschliesslich die Verweigerung der bedingten Entlassung aus der Verwahrung. Zu beurteilen sind die Bewährungsaussichten eines nach Art. 64 Abs. 1 StGB verwahrten Täters in Freiheit. Soweit der Beschwerdeführer die Rechtmässigkeit der nach neuem Recht weitergeführten Verwahrung bezweifelt, ist auf seine Beschwerde nicht einzutreten. Diese Frage bildet nicht Gegenstand des Verfahrens. 
 
3.  
 
 Nach Art. 64a Abs. 1 StGB wird der Täter aus der Verwahrung bedingt entlassen, sobald zu erwarten ist, dass er sich in der Freiheit bewährt. Die in Art. 64a Abs. 1 StGB vorausgesetzte Erwartung der Bewährung bezieht sich auf Straftaten im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB. Dies ergibt sich sowohl aus Art. 64a Abs. 2 StGB betreffend die Fortführung der Bewährungshilfe und der Weisungen als auch aus Art. 64a Abs. 3 StGB betreffend die Rückversetzung, welche ausdrücklich die ernsthafte Erwartung von weiteren Straftaten im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB voraussetzen. Nach Sinn und Zweck der Bestimmung ist die Bewährung nach Art. 64a Abs.1 StGB demnach so auszulegen, dass die Gefahr von weiteren Delikten gemäss Art. 64 Abs. 1 StGB zu verneinen ist. Ein anderweitiges mögliches Fehlverhalten ist nicht relevant (vgl. 135 BGE IV 49 E. 1.1.2.2; Urteil 6B_232/2011 vom 17. November 2011 E. 2.2). 
Nach Art. 64b Abs. 1 lit. a StGB prüft die zuständige Behörde, auf Gesuch hin oder von Amtes wegen, mindestens einmal jährlich, und erstmals nach Ablauf von zwei Jahren, ob und wann der Täter aus der Verwahrung bedingt entlassen werden kann. Gemäss Art. 64b Abs. 2 lit. b StGB trifft sie ihren Entscheid über die bedingte Entlassung u.a. gestützt auf eine unabhängige sachverständige Begutachtung im Sinne von Art. 56 Abs. 4 StGB
 
4.  
 
 Die Vorinstanz führt aus, es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass sich der Beschwerdeführer in Freiheit bewähren werde. Er leide nach wie vor an einer schweren chronisch verlaufenden paranoiden Schizophrenie. Es bestehe keine Krankheitseinsicht. Selbst unter einer regelmässigen neuroleptischen Medikation halte die wahnhafte psychotische Symptomatik mit auch körperbetonten Wahnideen an. Unter diesen Umständen sei keine Deliktsaufarbeitung möglich. Aus den Akten ergebe sich klar, dass der Beschwerdeführer nach wie vor davon ausgehe, es habe kein Anlassdelikt gegeben. Seiner Logik entsprechend gebe es folglich nichts aufzuarbeiten. Unter diesen Umständen sei in Anbetracht des Anlassdelikts, der schweren psychischen Erkrankung und der völlig fehlenden Krankheitseinsicht des Beschwerdeführers eine bedingte Entlassung aus der Verwahrung ausgeschlossen (Entscheid, S. 7). 
 
5.  
 
 Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ist unbehelflich. Die Vorinstanz verweist im angefochtenen Entscheid (S. 5) auf den Therapiebericht vom 19. Oktober 2012, der seinerseits auf das psychiatrische Gutachten vom 30. Juli 1999 und das Zusatzgutachten vom 23. Juli 2003 Bezug nimmt. Inwiefern diese Gutachten und Therapieberichte einseitig, parteiisch und wenig aufschlussreich sein könnten, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Sie sind im Gegenteil sachlich und ausgewogen und befassen sich eingehend mit dem Geisteszustand des Beschwerdeführers, seiner Behandelbarkeit sowie seiner Legalprognose. 
Nach den Gutachten ist die Legalprognose des Beschwerdeführers für weitere Gewaltstraftaten deutlich belastet, sofern die diagnostizierte schwere Schizophrenieerkrankung fortbesteht (Gutachten vom 30. Juli 1999, S. 41 f.; Zusatzgutachten vom 23. Juli 2003, S. 18). Medizinisch ist durch den Therapiebericht des Psychiaters Y.________ vom 19. Oktober 2012 erstellt, dass der Beschwerdeführer auch unter neuroleptischer Medikation nach wie vor an einer stark ausgeprägten chronisch verlaufenden psychotischen Störung mit anhaltenden auch körperbezogenen Wahnideen leidet und sein Erleben und Verhalten stark von seinem Wahnsystem beeinflusst ist. Die Wahndynamik habe unter der etablierten Medikation zwar etwas nachgelassen, sie scheine aktuell offensichtlich aber keine stärkere Verhaltensrelevanz zu haben. Aufgrund der fehlenden Krankheitseinsicht ist es dem Beschwerdeführer nach ärztlicher Einschätzung nicht möglich, sein Verhalten zu reflektieren, und ist eine Deliktsaufarbeitung unter diesen Umständen ausgeschlossen. 
Aufgrund der fortbestehenden ausgeprägten medizinischen Grundproblematik des Beschwerdeführers und seiner mangelnden Krankheitseinsicht ist auch in legalprognostischer Hinsicht, also in Bezug auf die Rückfallgefahr, von unveränderten Verhältnissen auszugehen. Die Ablehnung der bedingten Entlassung aus der Verwahrung ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. 
Die Vorinstanz merkt jedoch zu Recht an, dass im Hinblick auf die gestützt auf Art. 64b Abs. 1 lit. b StGB zu prüfende Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme ein neues forensisch-psychiatrisches Gutachten erforderlich ist. Sie führt aus, dass dieses im Verlaufe dieses Jahres in Auftrag zu geben ist (Entscheid, S. 8). 
 
 
 
6.  
 
 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Auf die Erhebung von Gerichtskosten kann verzichtet werden. 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Juni 2013 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill