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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1C_86/2019  
 
 
Urteil vom 3. Juni 2019  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Karlen, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwältin Maja Saputelli, 
 
gegen  
 
Zürcher Heimatschutz ZHV, 
Beschwerdegegner, 
 
Gemeinderat Höri, 
 
Regierungsrat des Kantons Zürich. 
 
Gegenstand 
Inventarentlassung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts 
des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, 
vom 19. Dezember 2018 (VB.2018.00315). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Baute Vers.-Nr. 357 auf dem Grundstück Kat.-Nr. 310 an der X.________strasse "..." liegt in der Kernzone der Gemeinde Höri. Sie ist im kommunalen Inventar der schützenswerten Bauten unter der Objekt-Nr. 11/357 aufgeführt und befindet sich im Perimeter des Quartierplans Sonnenbühl-Schoren-Grund. 
Im Zusammenhang mit einem im Jahr 2015 beabsichtigten Verkauf der Liegenschaft beauftragte der Gemeinderat den Architekten Ernst Denzler, die Schutzwürdigkeit des Gebäudes abzuklären. Dieser kam mit Stellungnahme vom 12. März 2015 zum Schluss, die Hauptstruktur, der Gewölbekeller und Teile der Dachkonstruktion könnten als schützenswert bezeichnet werden. 
 
B.   
Am 31. August 2016 ersuchte die A.________ AG als neue Eigentümerin das Bauamt Höri um Entlassung der Baute aus dem Inventar und um Anpassung des Kernzonenplans. Dieses Schreiben nahm das Bauamt Höri als Provokationsbegehren gemäss § 213 Abs. 1 des Zürcher Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975 (PBG/ZH; ZGS 700.1) entgegen. 
Mit Schreiben vom 5. September 2017 bat die A.________ AG den Gemeinderat, den Nichtunterstellungsentscheid vorzunehmen, nachdem nun die Verwirkungsfrist von einem Jahr gemäss § 213 Abs. 3 PBG abgelaufen sei. 
Am 7. November 2017 beschloss der Gemeinderat Höri, das Gebäude Vers.-Nr. 357 werde nicht unter Schutz gestellt. In den Erwägungen wurde ausgeführt, der Gemeinderat erachte die Liegenschaft nach wie vor als schutzwürdig und strebe weiterhin eine Erhaltung an; aufgrund des Fristablaufs gemäss § 213 Abs. 3 PBG könne jedoch formell keine Schutzverfügung mehr erlassen werden. Die Nichtunterschutzstellung wurde am 17. November 2017 im Amtsblatt des Kantons Zürich publiziert. 
 
C.   
Dagegen erhob der Zürcher Heimatschutz ZHV Rekurs beim Baurekursgericht des Kantons Zürich. Dieses hiess den Rekurs mit Entscheid vom 19. April 2018 teilweise gut, hob den Beschluss des Gemeinderats Höri vom 7. November 2017 auf und wies die Sache zu ergänzender Untersuchung und neuer Entscheidung bezüglich der Schutzwürdigkeit der Baute an den Gemeinderat Höri zurück. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde der A.________ AG am 19. Dezember 2018 ab. 
 
D.   
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat die A.________ AG am 8. Februar 2019 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, die Entscheide des Verwaltungsgerichts und des Baurekursgerichts seien aufzuheben und der Beschluss des Gemeinderats Höri betreffend Inventarentlassung zu bestätigen. Eventualiter sei die Angelegenheit an die Gemeinde Höri zur Einholung eines neutralen Gutachtens und zum Entscheid über die Inventarentlassung oder Schutzwürdigkeit des Objekts zurückzuweisen, mit der Instruktion, ihr Ermessen zugunsten der Beschwerdeführerin auszuüben. 
 
E.   
Das Verwaltungsgericht und der Zürcher Heimatschutz beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Baudirektion hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Die Gemeinde Höri verzichtet auf eine Vernehmlassung und erwartet, dass die Entscheide der Vorinstanzen bestätigt werden. 
 
F.   
Im weiteren Schriftenwechsel halten die Beteiligten an ihren Anträgen fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der angefochtene Entscheid bestätigt einen Rückweisungsentscheid des Baurekursgerichts; er schliesst daher das Verfahren nicht ab, sondern ist als Zwischenentscheid zu qualifizieren. Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Vorliegend könnte durch die Gutheissung der Beschwerde ein Endentscheid herbeigeführt werden, der weitere Abklärungen über die Schutzwürdigkeit des Wohnhauses erübrigen würde. 
Da die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht - einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens - gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten (einschliesslich die willkürliche Anwendung von kantonalem Recht) prüft es dagegen nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und genügend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen). Im Folgenden ist nur auf diejenigen Rügen näher einzugehen, die diesen Begründungsanforderungen genügen. 
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 und Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
Neu sind vorliegend die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur angeblich von der Gemeinde während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgeschlagenen Begutachtung durch die Firma Vestigia GmbH. Darauf ist vorliegend nicht einzugehen. Die Beschwerdeführerin wird (sofern es bei der Rückweisung an die Gemeinde bleibt) Gelegenheit haben, im kommunalen Verfahren Einwendungen gegen die in Aussicht genommene Gutachterin zu erheben. 
 
3.   
§ 213 PBG/ZH räumt dem Grundeigentümer das Recht ein, jederzeit vom Gemeinwesen einen Entscheid über die Schutzwürdigkeit seines Grundstücks und über den Umfang allfälliger Schutzmassnahmen zu verlangen, wenn er ein aktuelles Interesse glaubhaft macht (Abs. 1). Das Begehren ist schriftlich beim Gemeinderat einzureichen (Abs. 2). Gemäss Abs. 3 entscheidet das zuständige Gemeinwesen spätestens innert Jahresfrist; in Ausnahmefällen kann es vor Fristablauf dem Grundeigentümer anzeigen, dass die Behandlungsdauer sich um höchstens ein weiteres Jahr erstrecke. Liegt vor Fristablauf kein Entscheid vor, kann eine Schutzmassnahme nur bei wesentlich veränderten Verhältnissen angeordnet werden. 
Das Zürcher Verwaltungsgericht erachtet diese Frist in ständiger Praxis als Verwirkungsfrist für das Gemeinwesen. Folge des Ablaufs der Verwirkungsfrist ist jedoch nicht die definitive, unanfechtbare Nichtunterschutzstellung. Lässt die Behörde die Frist nach § 213 Abs. 3 PBG verstreichen, muss der daraus resultierende Nichtunterschutzstellungsentscheid in geeigneter Weise den zur Anfechtung legitimierten Nachbarn und Vereinigungen mitgeteilt werden, damit diese von ihren Rechten Gebrauch machen und den Entscheid materiell anfechten können (vgl. dazu Urteil 1C_68/2009 vom 17. Juli 2009 E. 3, in: ZBl 112/2011 S. 499). 
 
4.   
Im vorliegenden Fall erhob der ZHV Rekurs gegen die Nichtunterschutzstellung. Das Baurekursgericht hiess den Rekurs gut und wies die Sache an die Gemeinde zurück, weil wesentliche Elemente für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit der Baute fehlten. Dies wurde vom Verwaltungsgericht bestätigt: Die Untätigkeit des Gemeinwesens werde gesetzlich mit der Rechtsfolge der Nichtunterschutzstellung geregelt, führe aber nicht zur Verweigerung des Rechtsschutzes. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass das Baurekursgericht die Sache an die Gemeinde zurückgewiesen habe, obwohl es über eine umfassende Ermessenskontrolle verfüge: Es sei Aufgabe der Gemeinde, unter mehreren infrage kommenden Objekten bzw. Schutzanordnungen eine Auswahl zu treffen; dabei bestünden in verschiedener Hinsicht Beurteilungsspielräume, welche in erster Linie von ihr auszufüllen seien. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin liege auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Gemeinde vor. 
 
4.1. Die Beschwerdeführerin stellt den Sachverhalt aus ihrer Sicht dar, ohne indessen substanziiert darzulegen, inwiefern das Verwaltungsgericht den entscheiderheblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt habe. Soweit sie geltend macht, ein Provokationsbegehren sei spätestens am 14. Januar 2015 vom früheren Eigentümer gestellt worden, weshalb die Verwirkungsfrist schon am 14. Januar 2016 abgelaufen sei, legt sie nicht dar, inwiefern dies zu einem anderen Ausgang des Verfahrens geführt hätte. Dies ist auch nicht ersichtlich, da es für die Anfechtbarkeit durch den ZHV auf den Zeitpunkt der Publikation der Nichtunterschutzstellung ankommt, die unstreitig erst am 17. November 2017 erfolgt ist.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin wirft der Gemeinde Höri rechtsmissbräuchliches und willkürliches Verhalten vor. Der Gemeinderat habe in seiner Verfügung vom 7. November 2017 unwahre Behauptungen hinsichtlich Veränderungsverbot und Gutachtensauftrag gemacht und ohne jegliche materielle Beurteilung geschrieben, er erachte das Objekt nach wie vor als schutzwürdig. Die Beschwerdeführerin könne deshalb nicht darauf vertrauen, dass im weiteren Verfahren ein korrektes und unabhängiges Gutachten in Auftrag gegeben werde bzw. dieses nicht zu ihren Ungunsten ausgelegt werde. Unter diesen Umständen wäre das Baurekursgericht verpflichtet gewesen, selbst ein Gutachten in Auftrag zu geben, die Interessenabwägung vorzunehmen und einen Endentscheid herbeizuführen.  
Der Gemeinderat hat in den Erwägungen des Nichtunterstellungsbeschlusses vom 7. November 2017 festgehalten, dass er die streitige Baute - gestützt auf die Stellungnahme von Ernst Denzler - nach wie vor als schutzwürdig erachte. Gleichzeitig brachte er aber zum Ausdruck, dass die Beurteilung Ernst Denzlers nicht den Anforderungen an ein Gutachten entspreche, d.h. die Schutzwürdigkeit der Baute mithilfe eines Fachgutachtens näher abgeklärt werden müsse. Aus dem Kontext ergibt sich daher, dass es sich um eine bloss vorläufige Einschätzung des Gemeinderats handelt, gestützt auf den damaligen Kenntnisstand. Dem Gemeinderat kann daher zugetraut werden, nach Gutheissung des Rekurses des ZHV ein neutrales Fachgutachten einzuholen und auf dieser Grundlage unvoreingenommen über die Schutzwürdigkeit der Baute zu entscheiden. Sollte dies wider Erwarten nicht der Fall sein, stünden der Beschwerdeführerin dagegen Rechtsmittel zur Verfügung. Es ist daher aus bundesrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, wenn das Baurekursgericht die Sache an den Gemeinderat zurückgewiesen hat, anstatt einen eigenen Sachentscheid zu fällen. 
Daran ändern auch gewisse Ungenauigkeiten der Verfügung vom 7. November 2017 zum Veränderungsverbot nichts (dieses wurde von der Gemeinde nicht gemäss § 209 PBG/ZH angeordnet, sondern sie ging davon aus, dass bereits der Quartierplanbann gemäss § 150 Abs. 1 PBG/ZH Veränderungen ausschliesse). Gleiches gilt für die Frage, ob vor Ablauf der Verwirkungsfrist bereits ein Gutachten eingeholt oder dies lediglich beabsichtigt wurde. 
 
4.3. Für das Eventualbegehren der Beschwerdeführerin, die Gemeinde sei anzuweisen, ihr Ermessen maximal zu Gunsten der Beschwerdeführerin, d.h. gegen eine Unterschutzstellung, auszuüben, fehlt eine rechtliche Grundlage. Wie das Bundesgericht bereits im Urteil 1C_68/2009 vom 17. Juli 2009 E. 3 (in ZBl. 112/2011 S. 499) ausführte, haben beschwerdeberechtigte Dritte und Verbände, zu denen namentlich der ZHV gehört, Anspruch auf ein faires Verfahren und auf einen Art. 33 RPG genügenden Rechtsschutz. Wird die Unterschutzstellungsverfügung wegen mangelhafter Abklärung der Schutzwürdigkeit aufgehoben, haben alle Parteien Anspruch darauf, dass der Sachverhalt soweit notwendig ergänzt wird - hier durch Einholung eines neutralen Fachgutachtens - und der Gemeinderat gestützt darauf neu entscheidet, unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben und - soweit ein Handlungsspielraum besteht - gestützt auf eine umfassende Interessenabwägung. Eine Anweisung an die Gemeinde, ihren Beurteilungs- oder Ermessensspielraum in die eine oder andere Richtung auszuüben, würde im Übrigen auch der Gemeindeautonomie widersprechen.  
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin wird damit § 213 Abs. 3 PBG/ZH nicht "ad absurdum" geführt. Diese Bestimmung schützt den Eigentümer vor überlangen Verfahren sowie - nach Ablauf der Verwirkungsfrist - gegen die Anordnung von Schutzmassnahmen, sofern keine veränderten Verhältnisse vorliegen. Dieser - bereits sehr weit gehende - Schutz des Grundeigentümers steht jedoch unter dem Vorbehalt von Rechtsmitteln Dritter, namentlich der Heimatschutzverbände. Ergreifen diese Rekurs, muss daher die Schutzwürdigkeit der Baute umfassend überprüft werden, ungeachtet der Verwirkungsfolge von § 213 Abs. 3 PBG/ZH. 
 
5.   
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 BGG). Der ZHV wird von seinem Präsidenten vertreten und hat daher praxisgemäss nur bei Vorliegen besonderer Verhältnisse Anspruch auf eine Parteientschädigung (BGE 129 III 276 nicht publ. E. 4; THOMAS GEISER, in: Basler BGG-Kommentar, 3. Aufl., 2018, N. 5 zu Art. 68). Solche besonderen Verhältnisse sind vorliegend nicht dargetan. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Höri, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Juni 2019 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber