Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_531/2023
Urteil vom 3. Juli 2024
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Bundesrichterin Ryter,
Bundesrichter Kradolfer,
Gerichtsschreiber Marti.
Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Bosnien-Herzegowina,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Fricker,
gegen
Migrationsamt des Kantons Zürich,
Berninastrasse 45, 8090 Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Neumühlequai 10, 8090 Zürich.
Gegenstand
Familiennachzug,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 23. August 2023
(VB.2023.00215).
Erwägungen:
1.
1.1. A.A.________ (geb. 1987) ist Staatsangehöriger Bosnien und Herzegowinas. 2022 heiratete er in Bosnien und Herzegowina seine Landsfrau B.A.________ (geb. 1992). Diese verfügt in der Schweiz über die Niederlassungsbewilligung und ist im Kanton Zürich wohnhaft. Nach der Eheschliessung ersuchte A.A.________ am 21. Februar 2022 um Erteilung einer Einreise- bzw. Aufenthaltsbewilligung zwecks Verbleib bei seiner Ehefrau. Im November 2022 kam der Sohn von B.A.________ und A.A.________ zur Welt, der wie seine Mutter über eine Niederlassungsbewilligung verfügt.
1.2. Mit Verfügung vom 14. November 2022 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich das Gesuch um Familiennachzug aufgrund der Vorstrafen, die A.A.________ in Bosnien und Herzegowina erwirkt hatte, ab: Ein Gericht in U._______ verurteilte ihn am 13. Februar 2018 zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten wegen Raubs unter Mitführen einer Waffe. Am 13. August 2018 folgte eine Verurteilung zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen Veruntreuung im Dienst. Gestützt auf diese beiden Urteile erging gegen den Beschwerdeführer am 27. Februar 2019 eine Gesamtstrafe von drei Jahren und acht Monaten. Zuvor war A.A.________ zudem bereits zweimal zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.
1.3. Die gegen die Verfügung des Migrationsamts vom 14. November 2022 auf kantonaler Ebene erhobenen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion vom 23. März 2023; Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. August 2023).
1.4. Mit Beschwerde vom 29. September 2023 gelangt A.A.________ ans Bundesgericht. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und ihm sei eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Sein Gesuch, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen, wies das präsidierende Mitglied mit Verfügung vom 3. Oktober 2023 als gegenstandslos ab. Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen; auf einen Schriftenwechsel wurde verzichtet.
2.
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Endentscheid des Verwaltungsgerichts vom 23. August 2023 (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG ). Auf dem hier betroffenen Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 lit. a BGG) nur zulässig, wenn auf die angestrebte Aufenthaltsbewilligung ein bundes- oder völkerrechtlicher Anspruch besteht (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Die Ehefrau des Beschwerdeführers verfügt über eine Niederlassungsbewilligung in der Schweiz, womit ein potenzieller Anspruch auf Familiennachzug betreffend den Beschwerdeführer ausgewiesen ist (Art. 43 Abs. 1 AIG [SR 142.20]). Da auch die übrigen Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 42, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG ), ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einzutreten.
3.
3.1. Mit der Beschwerde kann namentlich die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden ( Art. 95 lit. a und b BGG ). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 147 I 73 E. 2.1). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). In der Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 149 I 248 E. 3.1; 149 I 105 E. 2.1; 148 I 104 E. 1.5; 147 II 44 E. 1.2).
3.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Von den tatsächlichen Grundlagen ihres Urteils weicht es nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.2 mit Hinweisen). Offensichtlich unrichtig heisst willkürlich (Art. 9 BV; BGE 141 IV 317 E. 5.4 mit Hinweisen). Entsprechende Mängel sind in der Beschwerdeschrift klar und detailliert aufzuzeigen (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.2; 144 V 50 E. 4.2). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1; 140 III 264 E. 2.3; 139 II 404 E. 10.1).
4.
Der Streitgegenstand im letztinstanzlichen Verfahren umfasst die Frage, ob dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Familie in der Schweiz zu erteilen ist. Vor Bundesgericht beruft sich der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung zur Neubeurteilung der Situation einer straffälligen Person, die einen Aufenthaltstitel verloren hat. Vorliegend geht es jedoch um die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an eine sich im Ausland befindliche Person. Die Vorbringen in der Beschwerde gehen daher über weite Strecken am angefochtenen Entscheid vorbei. Das Rechtsmittel erweist sich als offensichtlich unbegründet, weshalb es mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt werden kann.
5.
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer durch seine Vorstrafen in Bosnien und Herzegowina den Widerrufsgrund von Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG (Verurteilung zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe) erfüllt. Gemäss Art. 51 Abs. 2 lit. b AIG erlischt damit sein Anspruch nach Art. 43 Abs. 1 AIG auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Familie. Streitig ist dagegen, ob die Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung an den Beschwerdeführer verhältnismässig ist. Er rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Art. 8 EMRK.
5.1. Die Nichterteilung einer Aufenthaltsbewilligung muss verhältnismässig sein (vgl. Art. 96 Abs. 1 AIG). Soweit ein Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegt, verlangt auch Art. 8 Abs. 2 EMRK eine Verhältnismässigkeitsprüfung, wobei sich diese mit der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 96 AIG deckt (BGE 139 I 31 E. 2.3.2; Urteil 2C_224/2023 vom 19. Januar 2024 E. 5.2). Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit sind die individuellen Interessen des Betroffenen und seiner Angehörigen, ihre Beziehung - trotz Straffälligkeit - im Land leben zu können, und die öffentlichen Interessen an einer Fernhaltung der betroffenen Person sorgfältig gegeneinander abzuwägen (vgl. BGE 142 II 35 E. 6.1; Urteile 2C_224/2023 vom 19. Januar 2024 E. 5.3 m.w.H.; 2C_826/2020 vom 4. Juni 2021 E. 3.3).
5.2. Der angefochtene Entscheid (Art. 109 Abs. 3 BGG) berücksichtigt die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Beurteilung der Verhältnismässigkeit für den Fall eines straffällig gewordenen Ausländers, dessen Ehefrau und Kinder in der Schweiz niedergelassen sind (vgl. BGE 144 I 91 E. 5.2; 139 I 145 E. 2.4; Urteile 2C_224/2023 vom 19. Januar 2024 E. 5.3; 2C_4/2022 vom 11. August 2022 E. 7.1 m.w.H.; 2C_826/2020 vom 4. Juni 2021 E. 3.3; Urteil des EGMR vom 23. November 2021
S.N.
und
M.B.N. gegen Schweiz [Nr. 12937/20] §§ 100, 103 f.). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien erwog die Vorinstanz, dass sich die Nichterteilung einer Aufenthaltsbewilligung an den Beschwerdeführer aufgrund der von ihm begangenen Delikte - trotz seiner familiären Beziehungen in der Schweiz - als verhältnismässig erweise (angefochtenes Urteil E. 5). Entgegen den Einwänden des Beschwerdeführers und wie nachfolgend erläutert wird, ist diese Beurteilung nicht zu beanstanden.
5.2.1. Der Beschwerdeführer wurde in Bosnien und Herzegowina unter anderem wegen Raubs unter Mitführen einer Waffe sowie wegen Veruntreuung im Dienst zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, besteht aufgrund der Schwere der begangenen Delikte und der Höhe der ausgesprochenen Strafen ein gewichtiges öffentliches Interesse daran, dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung zu verweigern. Es mag zutreffen, dass seine letzte Straftat - gemäss eigenen Angaben aus dem Jahr 2017 - schon einige Jahre zurückliegt. Die Vorinstanz wies indes zu Recht darauf hin, dass seit der Haftentlassung des Beschwerdeführers erst knapp zwei Jahre vergangen sind und ein Wohlverhalten im Strafvollzug bzw. unter dem Druck eines hängigen ausländerrechtlichen Verfahrens grundsätzlich erwartetet werden kann (vgl. Urteile 2C_644/2022 vom 18. Dezember 2023 E. 7.2.3; 2C_568/2021 vom 17. August 2022 E. 5.2.5 m.w.H.). Wenn die Vorinstanz deshalb vor dem Hintergrund der mehrfachen und mitunter schweren Delinquenz des Beschwerdeführers im Ergebnis davon ausgeht, aktuell sei eine relevante Rückfallgefahr nicht auszuschliessen, ist dies nicht zu beanstanden. Denn bei schwerer und wiederholter Straffälligkeit, wie sie hier u.a. mit der Verurteilung wegen bewaffneten Raubs vorliegt, muss selbst ein geringes Restrisiko weiterer Delinquenz nicht in Kauf genommen werden. Zudem kann bei ausländischen Personen, die - wie der Beschwerdeführer - nicht in den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommens (FZA; SR 0.142.112.681) fallen, auch generalpräventiven Gesichtspunkten Rechnung getragen werden (vgl. BGE 139 I 145 E. 2.5; Urteil 2C_41/2023 vom 1. März 2024 E. 6.5 m.w.H.). Die Ehe des Beschwerdeführers und die Geburt seines Sohnes mögen als stabilisierende familiäre Faktoren gelten, reichen indes nicht aus, um die von der Vorinstanz in einer Gesamtschau zu Recht verneinte biografische Kehrtwende bzw. eine hinreichend positive Prognose darzutun.
5.2.2. Das nach Gesagtem erhebliche öffentliche Interesse an einer Fernhaltung vermag der Beschwerdeführer nicht mit dem Einwand zu relativieren, dass er sich besuchsweise gleichwohl in der Schweiz aufhalten könne und diesfalls - mangels (beruflicher) Integration - sogar ein höheres Risiko einer Straffälligkeit bestehe. Zum einen kann die vom Beschwerdeführer bei Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht mit derjenigen gleichgesetzt werden, welche im Rahmen von Besuchen bestünde. Zum anderen kann der Beschwerdeführer, wie er selbst vorbringt, unter gewissen Voraussetzungen einen Anspruch auf Neubeurteilung geltend machen (s. dazu Urteil 2C_749/2022 vom 17. August 2023 E. 5.2 m.w.H.). Er hat demnach so oder anders ein besonderes Interesse daran, sich künftig wohl zu verhalten. Nicht ins Gewicht fallen kann in diesem Zusammenhang, dass dem Beschwerdeführer eine Integration in der Schweiz mit zunehmender Zeit schwerer fallen werde. Auch ein allfälliges Risiko, dass die Ehefrau in Zukunft auf staatliche Unterstützung angewiesen sein könnte, vermag das Interesse einer Fernhaltung gestützt auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers hier nicht infrage zu stellen. Der Vorwurf einer falschen Gewichtung des öffentlichen Interesses stösst somit ins Leere.
5.2.3. Dass dem erheblichen öffentlichen Interesse an einer Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung überwiegende private bzw. familiäre Interessen entgegenstehen, ist schliesslich nicht ersichtlich: Der Beschwerdeführer hielt sich bislang noch nie länger in der Schweiz auf. Eine vertiefte Integration liegt trotz hier geknüpfter Kontakte nicht vor. Er ist in Bosnien und Herzegowina geboren und lebt dort. Mit den dortigen Verhältnissen ist er entsprechend vertraut. Zwar sind seine Ehefrau und der gemeinsame Sohn in der Schweiz niedergelassen. Selbst wenn diesen aber eine Übersiedlung nach Bosnien und Herzegowina zusammen mit dem Beschwerdeführer nicht ohne weiteres zuzumuten wäre, überwiegt vorliegend das öffentliche Fernhalteinteresse. Wie die Vorinstanz richtig ausführt, sind die familiären Beziehungen erst nach der Verurteilung und dem Strafvollzug des Beschwerdeführers entstanden. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau mussten folglich damit rechnen, dass ein Familiennachzug des Beschwerdeführers in die Schweiz nicht möglich sein würde. Im Übrigen kann auf die sorgfältige Interessenabwägung der Vorinstanz (angefochtenes Urteil E. 5) verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).
5.3. Die Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung erweist sich demnach als verhältnismässig. Eine Verletzung von Art. 8 EMRK ist nicht auszumachen.
6.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde offensichtlich unbegründet. Sie ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen.
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet ( Art. 68 Abs. 1 und 3 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
Lausanne, 3. Juli 2024
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Der Gerichtsschreiber: C. Marti