Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_489/2025
Urteil vom 3. Oktober 2025
I. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Muschietti, als präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter von Felten,
Bundesrichterin Wohlhauser,
Gerichtsschreiberin Vonschallen.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Fäh,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh., Schützenstrasse 1A, 9100 Herisau,
2. B.________,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Sexuelle Nötigung; willkürliche Beweiswürdigung, rechtliches Gehör,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden, 1. Abteilung, vom 21. März 2025 (O1S 22 17).
Erwägungen:
1.
A.________ wird mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden vom 2. Juli 2020 sexuelle Nötigung, eventualiter sexuelle Belästigung zum Nachteil von B.________ vorgeworfen. Die Anklage geht von folgendem Sachverhalt aus: B.________ und A.________ hätten ein Treffen vereinbart, nachdem sie per WhatsApp Kontakt zu ihm aufgenommen habe. Die beiden hätten sich vor etwa zweieinhalb Jahren bei einem Termin am damaligen Wohnort von A.________ in U.________ durch einen Escortservice kennengelernt. B.________ sei am 5. Juni 2018 gegen 18.30 Uhr in der Wohnung von A.________ an der Strasse V.________ in W.________ eingetroffen. Sie habe in der Tiefgarage der Liegenschaft parkiert. Zunächst hätten sie Weisswein getrunken und die Geschäftsidee von B.________ besprochen. Danach sei es zu einvernehmlichem, vaginalem Geschlechtsverkehr im Schlafzimmer gekommen. Anschliessend hätten sich die beiden auf das Sofa begeben, geredet und Musik gehört. Hierauf soll A.________ B.________ trotz verbaler und körperlicher Gegenwehr (insbesondere Wegstossen mit den Füssen) auf dem Sofa mit dem Finger vaginal penetriert haben. Zudem soll er sie geküsst und so grob angefasst haben, dass der Monokini, den sie trug, an den Nähten riss.
2.
Am 1. November 2021 sprach die Einzelrichterin des Kantonsgerichts Appenzell Ausserrhoden A.________ vom Vorwurf der sexuellen Nötigung frei und stellte das Strafverfahren wegen sexueller Belästigung ein. Hiergegen erhob B.________ Berufung. Am 21. März 2025 verurteilte das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden A.________ wegen sexueller Nötigung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 70 Tagen, als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden vom 4. Februar 2021. Die Probezeit legte es auf vier Jahre fest. Gegen dieses Urteil erhebt A.________ Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt dem Bundesgericht einen Freispruch unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
3.
3.1. Die Beschwerde ist zu begründen, wobei anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern dieser Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGG). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten einschliesslich Willkür in der Sachverhaltsfeststellung bestehen qualifizierte Rügeanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG).
3.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 150 IV 389 E. 4.7.1 mit Hinweis). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 148 IV 409 E. 2.2, 356 E. 2.1; 147 IV 73 E. 4.1.2). Dies ist der Fall, wenn der angefochtene Entscheid geradezu unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht. Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.3.5; je mit Hinweisen). Für die Willkürrüge gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 97 Abs. 1 und BGE 148 V 366E. 3.3; 137 II 353E. 5.1 mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 150 IV 389 E. 4.7.1; 148 IV 409 E. 2.2, 356 E. 2.1, 39 E. 2.6). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel kommt im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot hinausgehende Bedeutung zu (BGE 148 IV 409E. 2.2; 146 IV 88E. 1.3.1).
4.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV), der wirksamen Verteidigung und der Teilnahmerechte (Art. 366 und Art. 407 StPO ).
4.1. Hat die Staatsanwaltschaft oder die Privatklägerschaft die Berufung im Schuld- oder Strafpunkt erklärt und bleibt die beschuldigte Person der Verhandlung unentschuldigt fern, so findet ein Abwesenheitsverfahren statt (Art. 407 Abs. 2 StPO). Dem für das Bundesgericht verbindlich festgestellten Sachverhalt des vorinstanzlichen Urteils lässt sich entnehmen, dass eine für den 9. Mai 2023 angesetzte Berufungsverhandlung zufolge Verhandlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers abgesetzt werden musste. Mit Verfügung vom 30. Mai 2024 wurden die Parteien erneut zur Berufungsverhandlung auf den 27. August 2024 vorgeladen. Da sowohl der Beschwerdeführer wie auch die Beschwerdegegnerin 2 dieser Verhandlung fernblieben, erfolgte eine erneute Vorladung auf den 22. Oktober 2024. Dem Beschwerdeführer wurde angedroht, die Berufungsverhandlung würde in seiner Abwesenheit stattfinden, sollte er dieser wiederum fernbleiben. An der Berufungsverhandlung vom 22. Oktober 2024 erschien nur die Beschwerdegegnerin 2, der Beschwerdeführer blieb der Verhandlung fern.
4.2. Aus den Erwägungen des vorinstanzlichen Urteils ergibt sich nicht, dass der Beschwerdeführer im Vorfeld der Berufungsverhandlung vom 22. Oktober 2024 erneut seine Verhandlungsunfähigkeit geltend gemacht oder sonstige Entschuldigungsgründe vorgebracht hätte. Der Beschwerdeführer behauptet denn auch in seiner Beschwerde nicht, er sei am 22. Oktober 2024 verhandlungsunfähig oder aus anderen Gründen an der Teilnahme an der Berufungsverhandlung verhindert gewesen. Es ist daher von seinem unentschuldigten Fernbleiben an der Berufungsverhandlung auszugehen, weshalb die Vorinstanz in Anwendung von Art. 407 Abs. 2 StPO in Verbindung mit Art. 366 Abs. 2 StPO die Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers durchführen durfte. Dass die Voraussetzungen von Art. 366 Abs. 4 StPO zur Durchführung eines Abwesenheitsverfahrens nicht erfüllt gewesen sein sollten, rügt der Beschwerdeführer nicht rechtsgenüglich (Art. 42 Abs. 2 BGG) und solcherlei ist auch nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer konnte sich mehrfach zum Tatvorwurf äussern, so letztmals anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung. Es liegt weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, der wirksamen Verteidigung noch der Bestimmungen über das Abwesenheitsverfahren (Art. 407 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 366 StPO) vor. Ebenso wenig liegt eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren ( Art. 6 Ziff. 1 und 3 lit. c EMRK ) vor. Die Beschwerde erweist sich diesbezüglich als unbegründet, soweit überhaupt auf sie eingetreten werden kann.
5.
5.1. Die Vorinstanz nahm eine ausführliche Beweiswürdigung anhand der objektiven Beweise und der Aussagen des Beschwerdeführers, der Beschwerdegegnerin 2 sowie einer Drittperson vor und erachtete demnach die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 als viel glaubhafter als jene des Beschwerdeführers. Sie erwog abschliessend, die Eindrücklichkeit der Schilderungen der Beschwerdegegnerin 2 vermöchten auch vereinzelte Unsicherheiten und Unklarheiten nicht zu trüben, umso mehr wenn man sich den unstreitig hohen Alkoholkonsum in jener Nacht vergegenwärtige. Im Gegensatz zur Beschwerdegegnerin 2, welche ihre Rolle im Geschehen in der ganzen Zeit freimütig geschildert und dabei auch ihre Gefühle offengelegt habe (zum Beispiel, dass sie die Eskalation des Geschehens bis heute nicht einordnen könne und wahrscheinlich den Ernst der Situation zuerst nicht begriffen habe), zeige sich beim Beschwerdeführer nach anfänglichen Zugaben unverkennbar die Tendenz, die Beschwerdegegnerin 2 schlecht zu machen und sein eigenes Handeln zu bagatellisieren. Auch wenn der chronologische Ablauf letztlich offenbleibe, ändere sich an diesem Ergebnis nichts. Denn das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verhalten, er habe die Privatklägerin auf dem Sofa im Wohnzimmer mit dem Finger penetriert, gegen ihren Willen geküsst und so grob angefasst, dass der Monokini an den Nähten gerissen sei, gehe klar aus der Anklageschrift hervor. Es bestünden somit keine Zweifel daran, was die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer vorwerfe. Ob sich der Vorfall vor oder nach dem Aufsuchen der Tiefgarage durch die Beschwerdegegnerin 2 ereignet habe, spiele für die Beurteilung der angeklagten sexuellen Nötigung keine Rolle. Es gelte somit als erstellt, dass der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin 2 in der Nacht vom 6. Juni 2018 in seiner Wohnung körperlich bedrängt habe, indem er sich auf dem Sofa im Wohnzimmer auf sie gelegt, sie mit dem Finger penetriert, sie geküsst, an der Brust angefasst und an ihrem Monokini gezerrt habe, bis die Nähte gerissen seien. Dies, obwohl die Beschwerdegegnerin 2 ihm wiederholt zu verstehen gegeben habe, dass sie das nicht wolle und ihn mit den Beinen wegzustossen versucht habe.
5.2. Was der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche Beweiswürdigung vorbringt, vermag keine Willkür zu begründen. Nach lediglich allgemeinen und abstrakten Darlegungen der Grundsätze der Beweiswürdigung und Erörterungen zur Verletzung des Willkürverbots sowie der Unschuldsvermutung fasst er seine eigenen Aussagen und jene der Beschwerdegegnerin 2 zusammen. Hernach präsentiert er seine eigene Einschätzung der Glaubhaftigkeit dieser Aussagen, um anschliessend auszuführen, es sei "in keiner Form nachvollziehbar, halte keiner objektiven Beweiswürdigung stand und sei damit im Ergebnis willkürlich, dass die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 bei der Glaubwürdigkeitsprüfung derart hoch gewichtet und zur materiellen Wahrheit erhoben" würden, was umso mehr zu gelten habe, wenn man sich die Prozessgeschichte vergegenwärtige. Damit argumentiert der Beschwerdeführer frei, wie in einem Plädoyer vor einem Sachgericht, ohne sich auch nur ansatzweise mit der Beweiswürdigung der Vorinstanz auseinanderzusetzen oder darauf Bezug zu nehmen. Dabei übersieht er, dass das Bundesgericht keine zweite Berufungsinstanz ist, die den Sachverhalt uneingeschränkt neu überprüft. Die Beschwerde erweist sich daher, soweit sie sich gegen die vorinstanzliche Beweiswürdigung richtet, als rein appellatorisch. Darauf kann nicht eingetreten werden. Gegen die rechtliche Würdigung und die Strafzumessung bringt der Beschwerdeführer keine konkreten Rügen vor, sodass sich diesbezüglich weitere Erwägungen erübrigen.
6.
Die Beschwerde erweist sich insgesamt als offensichtlich unbegründet, soweit überhaupt auf sie eingetreten werden kann. Sie ist daher nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin 2 sind im vorliegenden Beschwerdeverfahren keine Aufwendungen entstanden, so dass ihr keine Parteientschädigung zuzusprechen ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Oktober 2025
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Muschietti
Die Gerichtsschreiberin: Vonschallen