Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6S.258/2006 /hum
Urteil vom 3. November 2006
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Kolly, Karlen,
Gerichtsschreiber Boog.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Eric Stern,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich.
Gegenstand
Erschleichung einer falschen Beurkundung
(Art. 253 Abs. 1 StGB),
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer,
vom 10. März 2006.
Sachverhalt:
A.
Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte X.________ mit Urteil vom 10. März 2006 in zweiter Instanz der Erschleichung einer falschen Beurkundung schuldig und verurteilte sie zu 21 Tagen Gefängnis unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit von 2 Jahren.
B.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz mit der Weisung beantragt, sie von Schuld und Strafe freizusprechen. Ferner ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
C.
Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. Eine Vernehmlassung der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich wurde nicht eingeholt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz stellt für den Kassationshof folgenden verbindlichen Sachverhalt fest (Art. 277bis Abs. 1 BStP):
Die Beschwerdeführerin reiste am 28. Juli 2001 von Ghana in die Schweiz ein, um den ebenfalls aus Ghana stammenden, in der Zwischenzeit in der Schweiz eingebürgerten A.________ zu heiraten. Der 1989 geborene gemeinsame Sohn B.________ zog am 19. Oktober 2001 zum Verbleib bei der Mutter ebenfalls in die Schweiz zu. Da der Vater in der Schweiz als A.________ aufgetreten war und sich unter diesem Namen hatte einbürgern lassen, auf dem Geburtsschein als Vater des Sohnes B.________ aber C.________ angegeben war, rechneten die Eltern bei korrekter Angabe der Verwandtschaftsverhältnisse mit Schwierigkeiten beim Nachzug ihres Sohnes. Aus diesem Grund unterschrieb die Beschwerdeführerin am 6. August 2001 auf dem Notariat Thalwil eine wahrheitswidrige eidesstattliche Erklärung (Affidavit). Sie gab darin an, dass der leibliche Vater ihres Sohnes B.________, geb. 6. August 1991, C.________ aus Ghana sei, dass sie mit diesem nicht verheiratet sei, ihn seit zehn Jahren nicht mehr gesehen habe und nicht wisse, wo er lebe. Ferner gab sie wahrheitswidrig an, keine weiteren Kinder zu haben.
2.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist rein kassatorischer Natur; sie führt im Falle der Gutheissung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Rückweisung der Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz (Art. 277ter Abs. 1 BStP), nicht aber zu einer Entscheidung des Bundesgerichts in der Sache selbst. Soweit die Beschwerdeführerin mehr als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids beantragt, kann auf ihre Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 118 IV 277 E. 1).
3.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildet allein die Frage, ob die Beschwerdeführerin mit ihrer Vorgehensweise das objektive Tatbestandselement des unrichtigen Beurkundens gemäss Art. 253 Abs. 1 StGB erfüllt hat.
3.1 Die Vorinstanz geht davon aus, dass der Notar bei sog. Affidavits, d.h. eidesstattlichen Erklärungen, wie sie im angloamerikanischen Rechtskreis üblich sind, grundsätzlich nur beglaubige, dass die betreffende Person vor ihm erschienen ist und die verurkundeten Aussagen gemacht hat. Dagegen sei es ihm naturgemäss nicht möglich, den Wahrheitsgehalt der abgegebenen Erklärungen zu überprüfen. Dementsprechend bestätige er auch nicht, dass die fraglichen Aussagen zuträfen. Allerdings stellten die Migrationsbehörden in Fällen, in denen keine zuverlässigen amtlichen Dokumente beigebracht werden könnten, in konstanter Praxis als Grundlage für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auf eidesstattliche Erklärungen zum Nachweis des Familienstandes ab. Damit würden diese trotz ihrer offensichtlichen materiellen Unzuverlässigkeit faktisch zu einem voll wirksamen Beweismittel. Eine solche Situation habe auch im vorliegenden Fall bestanden, wo den Behörden für den Sohn der Beschwerdeführerin zwei Geburtsscheine vorgelegt wurden, die in wesentlichen Punkten voneinander abwichen. Die Beschwerdeführerin habe gewusst, dass ihrem Sohn die Einreise nur ermöglicht werde, wenn sie die fragliche Erklärung vor dem Notar abgebe. Die Beurkundung habe ein fehlendes offizielles Dokument ersetzen sollen und sich daher auch auf die Richtigkeit ihrer Erklärung bezogen. Da diese in wesentlichen Teilen unwahr gewesen sei, erfülle das Verhalten der Beschwerdeführerin den objektiven Tatbestand von Art. 253 Abs. 1 StGB.
3.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die kantonalen Migrationsbehörden könnten durch ihre Praxis den Straftatbestand von Art. 253 Abs. 1 StGB nicht auf Sachverhalte ausdehnen, die nach dem Willen des eidgenössischen Strafgesetzgebers nicht darunter fielen. Einer vom Notar inhaltlich in keiner Weise geprüften Erklärung könne, selbst wenn sie als Affidavit bezeichnet werde und einen Hinweis auf die strafrechtlichen Konsequenzen gemäss Art. 253 StGB enthalte, kein Urkundencharakter zukommen.
4.
4.1 Gemäss Art. 253 Abs. 1 StGB wird wegen Erschleichung einer falschen Beurkundung bestraft, wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine unrichtige Abschrift beglaubigt. Art. 253 Abs. 1 StGB regelt einen Spezialfall der mittelbaren Falschbeurkundung. Die Tathandlung besteht im Bewirken einer inhaltlich unwahren Beurkundung durch Täuschung, wobei die Täuschung den Vorsatz der Urkundsperson ausschliessen muss.
Als Urkunden gelten Schriftstücke und Zeichen, welche die in Art. 110 Ziff. 5 StGB genannten Erfordernisse erfüllen. Urkunden sind also nicht nur Schriftstücke und Zeichen, die vom Gesetz selber als solche bezeichnet werden, sondern alle jene, die bestimmten Kriterien entsprechen. Der Einwand der Beschwerdeführerin, Art. 253 Abs. 1 StGB könne sich nicht auf das sog. Affidavit erstrecken, da dieses vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich als Urkunde in Betracht gezogen worden sei, entbehrt daher der Grundlage. Es fragt sich allein, ob das fragliche Dokument im Blick auf seine Eigenschaften als Urkunde zu qualifizieren ist oder nicht.
4.2 Nach der Rechtsprechung liegt eine Falschbeurkundung nur vor, wenn dem Schriftstück mit dem unzutreffenden Inhalt eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt und der Adressat ihr daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt. Dies ist der Fall, wenn allgemein gültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten (BGE 132 IV 12 E. 8.2 S. 15). Beim Affidavit der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine öffentliche Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 Abs. 2 StGB, da sie von einem Notar in Ausübung seines Amtes ausgestellt wurde. Öffentliche Urkunden erbringen für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhalts nachgewiesen ist (Art. 9 Abs. 1 ZGB). Allerdings beschränkt sich die verstärkte Beweiskraft gemäss der genannten Norm in der Regel auf das von der Urkundsperson als richtig Bescheinigte. Was der Notar weder wissen noch bescheinigen kann, erlangt durch die blosse Beurkundung keine erhöhte Beweiskraft (BGE 110 II 1 E. 3a S. 2 f.). In diesem Umfang fehlen die von der erwähnten Rechtsprechung verlangten objektiven Garantien für die Wahrheit der Erklärung.
4.3 Die Vorinstanz übersieht nicht, dass der Notar die Richtigkeit des Inhalts der hier zu beurteilenden eidesstattlichen Erklärung nicht überprüfen konnte. Die Migrationsbehörden verlangten ja gerade eine solche Erklärung, weil keine zuverlässigen sonstigen Dokumente und Angaben über die Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin erhältlich waren. Dieser Umstand spricht für sich allein genommen, wie in der Beschwerde zu Recht ausgeführt wird, gegen die erhöhte Glaubwürdigkeit und besondere Vertrauenswürdigkeit des Inhalts der fraglichen Erklärung und damit gegen dessen urkundlichen Charakter.
Die Abgrenzung zwischen der Falschbeurkundung und der nicht strafbaren blossen schriftlichen Lüge ist indessen nach der Rechtsprechung für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu ziehen (BGE 125 IV 273 E. 3a/aa S. 277). Wie die Vorinstanz zutreffend darlegt, kommt dem hier zu beurteilenden Affidavit eine besondere Funktion zu. Obwohl der Notar die Wahrheit des Inhalts der Erklärung der Beschwerdeführerin nicht überprüfen konnte, erfolgte diese, um deren Glaubwürdigkeit - durch die Wahl der eidesstattlichen Form - zu erhöhen. Würde dem Affidavit diese erhöhte Glaubwürdigkeit auch mit Bezug auf seinen Inhalt abgesprochen, wäre es praktisch wertlos, und die Migrationsbehörden müssten sich, wie die Vorinstanz zu Recht hervorhebt, mit blossen schriftlichen Erklärungen der Gesuchsteller begnügen. Die notarielle Beglaubigung erscheint hingegen bei objektiver Betrachtung durchaus geeignet, die Glaubwürdigkeit der in diesem Rahmen gemachten Aussagen zu steigern (so auch BGE 102 IV 29 E. 2a S. 34). Aus diesem Grund betrachten denn auch die Migrationsbehörden nach den vorinstanzlichen Feststellungen die eidesstattlichen Erklärungen in Fällen, in denen keine anderen zuverlässigen Unterlagen bestehen, als vollwertige Beweismittel. Unter diesen besonderen Umständen sind die von der Rechtsprechung verlangte erhöhte Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit auch für den Inhalt der verurkundeten Erklärung zu bejahen. Die Vorinstanz geht daher zu Recht davon aus, dass die Beschwerdeführerin den Tatbestand von Art. 253 Abs. 1 StGB erfüllt hat.
5.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Kosten (Art. 278 Abs. 1 BStP). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gemäss Art. 152 OG kann bewilligt werden, da von der Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin auszugehen und diese ausreichend belegt ist (vgl. BGE 125 IV 161 E. 4) und sie den angefochtenen Entscheid überdies mit vertretbaren Argumenten in Frage gestellt hat (vgl. BGE 124 I 304 E. 2 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführerin werden deshalb keine Kosten auferlegt. Ihrem Vertreter wird aus der Bundesgerichtskasse eine angemessene Entschädigung ausgerichtet.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, Herrn Rechtsanwalt Eric Stern, wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. November 2006
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: