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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_809/2009 
 
Urteil vom 3. Dezember 2009 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Maillard, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Parteien 
S.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Senti, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Kantonale Arbeitslosenkasse Schwyz, 
Bahnhofstrasse 15, 6430 Schwyz, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Insolvenzentschädigung, Rückerstattung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 18. August 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1974 geborene S.________ war seit 1. Oktober 2003 als Finanz- und Wirtschaftsberater für die T.________ AG tätig. Mit Schreiben vom 6. August 2004 kündigte der Rechtsvertreter der T.________ AG sämtliche Vertragsverhältnisse und Vereinbarungen mit S.________ fristlos. Am 29. September 2004 wurde über die T.________ AG der Konkurs eröffnet. 
S.________ beantragte am 18. Oktober 2004 Insolvenzentschädigung für einen Lohnausstand von Fr. 25'356.40 (inklusive Ferienabgeltung). Die Arbeitslosenkasse des Kantons Schwyz richtete am 22. November 2004 und 12. Januar 2005 insgesamt eine Insolvenzentschädigung von Fr. 9'002.10 netto für entgangenen Verdienst in der Zeit vom 7. April bis 6. August 2004 aus. Mit Verfügung vom 24. Oktober 2008 forderte sie diese Insolvenzentschädigung wieder vollumfänglich zurück. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest, wobei sie zur Begründung auf den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 22. Juni 2006 in einem Pilotfall, einen ebenfalls für die T.________ AG tätig gewesenen Kollegen mit gleichem Einsatzprofil betreffend, bestätigt durch Urteil des Bundesgerichts 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007, verwies, wonach zwischen der T.________ AG und diesem Kollegen und demnach auch zwischen der T.________ AG und S.________ kein Arbeitsverhältnis bestanden habe, weshalb die Insolvenzentschädigung vorliegend zu Unrecht ausbezahlt worden sei (Einspracheentscheid vom 10. Februar 2009); das gleichzeitig (eventualiter) erhobene Erlassgesuch leitete sie an das Amt für Arbeit des Kantons Schwyz weiter. 
 
B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies die gegen den Einspracheentscheid vom 10. Februar 2009 erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 18. August 2009). 
 
C. 
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, es sei von einer Rückforderung der Insolvenzentschädigung abzusehen; eventualiter sei die Sache zur neuerlichen Beurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. Ferner wird darum ersucht, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. 
Die Arbeitslosenkasse lässt sich nicht vernehmen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG; Ausnahme: Beschwerden gemäss Art. 97 Abs. 2 BGG [Art. 105 Abs. 3 BGG]). Wie die Sachverhaltsfeststellung ist auch die vorinstanzliche Ermessensbetätigung im Verfahren vor Bundesgericht nur beschränkt überprüfbar. Eine Angemessenheitskontrolle (vgl. BGE 126 V 75 E. 6 S. 81 [zu Art. 132 lit. a OG]) ist dem Gericht verwehrt; es hat nur zu prüfen, ob die Vorinstanz ihr Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt, mithin überschritten, unterschritten oder missbraucht hat (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). 
 
2. 
2.1 Im vorinstanzlichen Entscheid werden die Bestimmungen und Grundsätze zum Anspruch auf Insolvenzentschädigung (Art. 51 Abs. 1 und Art. 58 AVIG; vgl. auch BGE 134 V 88), zum Umfang des Anspruchs (Art. 52 Abs. 1 AVIG) sowie zu den Pflichten des Arbeitnehmers im Konkurs- oder Pfändungsverfahren (Art. 55 Abs. 1 AVIG; BGE 114 V 56 E. 3d S. 59; ARV 2002 Nr. 8 S. 62, C 91/01, und Nr. 30 S. 190, C 367/01; ARV 1999 Nr. 24 S. 140, C 183/97) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
2.2 Gemäss Art. 55 Abs. 2 AVIG muss der Arbeitnehmer die Insolvenzentschädigung in Abweichung von Art. 25 Abs. 1 ATSG zurückerstatten, soweit die Lohnforderung im Konkurs oder in der Pfändung abgewiesen (erster Tatbestand) oder aus Gründen nicht gedeckt wird, die der Arbeitnehmer absichtlich oder grobfahrlässig herbeigeführt hat (zweiter Tatbestand), ebenso soweit sie vom Arbeitgeber nachträglich erfüllt wird (dritter Tatbestand). 
 
3. 
3.1 Das kantonale Gericht hat in pflichtgemässer Würdigung der gesamten Aktenlage mit nachvollziehbarer Begründung erkannt, der Versicherte habe die Insolvenzentschädigung zurückzuerstatten, weil seine Lohnforderungen im Konkursverfahren der T.________ AG vom amtlichen Konkursliquidator mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 17. Juli 2008 in vollem Umfang abgewiesen worden seien. Soweit es sich so verhalte, dass der von ihm geltend gemachte entgangene Verdienst gar kein Lohn, sondern eine Provisionsforderung aus Maklervertrag oder dergleichen sei, bestehe zum vornherein kein Anspruch auf Insolvenzentschädigung. Damit könne offen bleiben, wie die unbezahlt gebliebenen Forderungen des Beschwerdeführers gegenüber der T.________ AG zu qualifizieren seien. 
 
3.2 Die Vorbringen des Beschwerdeführers vermögen diese Betrachtungsweise nicht in Zweifel zu ziehen. Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sind nicht mangelhaft im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG und die rechtliche Würdigung ist bundesrechtskonform. Das kantonale Gericht gibt die Gründe an, welche zu seiner Feststellung führen, der Beschwerdeführer habe die Insolvenzentschädigung zurückzuerstatten. 
3.2.1 Der Beschwerdeführer behauptet letztinstanzlich, auch wenn das Bundesgericht mit Urteil 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 in einem seinen Berufskollegen mit ehemals gleichem Tätigkeitsprofil betreffenden Pilotprozess das Vertragsverhältnis zwischen diesem Kollegen und der T.________ AG in zivilrechtlicher Hinsicht nicht als Arbeitsvertrag, sondern als Auftrag qualifiziert habe, sage dies entgegen der Ansicht des kantonalen Gerichts nichts über die sozialversicherungsrechtliche Qualifikation seiner "Lohnforderungen" aus. Zur Begründung gibt er an, nachdem die Sozialversicherung vier der ehemals für die T.________ AG tätig gewesenen Personen (darunter auch den Beschwerdeführer) als Arbeitnehmer akzeptiert habe, könne es nicht angehen, auf der Grundlage der zivilrechtlichen Qualifikation der Vertragsverbindung zwischen der T.________ AG und seinem Berufskollegen als Agenturvertrag durch das Bundesgericht auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht auf das Vorliegen eines Agenturvertrages zu schliessen und die ursprüngliche, im Rahmen der Beitragserhebung akzeptierte Einstufung als Arbeitnehmer wieder umzustossen. Sozialversicherungsrechtlich seien seine Ansprüche als Lohnforderungen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG zu werten. 
Bei dieser Argumentation übersieht der Beschwerdeführer allerdings, dass die Spezialnorm des Art. 55 Abs. 2 AVIG die Rückerstattung der Insolvenzentschädigung unabhängig von der zivil- oder sozialversicherungsrechtlichen Qualifikation der ausstehenden Gelder vorsieht, wenn die Lohnforderung im Konkurs oder in der Pfändung abgewiesen wird (erster Tatbestand; vgl. E. 2.2 hiervor). Es steht fest und ist unbestritten, dass der amtliche Konkursliquidator die vom Beschwerdeführer im Konkurs der T.________ AG eingegebenen Forderungen mit rechtskräftiger Verfügung vom 17. Juli 2008 vollumfänglich abgewiesen hat und diese demgemäss nicht im Kollokationsplan aufgenommen wurden. Damit ist die (einzige) Rückerstattungsvoraussetzung des in Art. 55 Abs. 2 AVIG erstgenannten Tatbestandes erfüllt. Die Abweisung der Lohnforderung im Konkurs ist grundsätzlich Ausdruck davon, dass diese nicht bestanden hat, weshalb die Kasse annehmen kann, die Insolvenzentschädigung sei ohne Rechtsgrund ausbezahlt worden. Die Rückerstattung ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine Sanktion, sondern Folge davon, dass die Lohnforderung im Zeitpunkt der Auszahlung der Insolvenzentschädigung zwar glaubhaft war (Art. 74 AVIV), in einem späteren Zeitpunkt aber als ungerechtfertigt erscheint (GERHARD GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz [AVIG], Bd. I [Art. 1-58], 1988, N. 17 zu Art. 55-56 AVIG; URS BURGHERR, Die Insolvenzentschädigung, 2004, S. 152 und 158). In den in Art. 55 Abs. 2 AVIG genannten Konstellationen steht bereits die Auszahlung der Versicherungsleistung im Falle der Unrichtigkeit unter dem stillschweigenden Vorbehalt der späteren Rückforderung (URS BURGHERR, a.a.O., S. 152). Diese Rückerstattungsgründe haben ihre Berechtigung unter anderem in der fehlenden Durchsetz- und Eintreibbarkeit der auf die Kasse übergegangenen Lohnforderung (THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 2373 Rz. 636). Art. 55 Abs. 2 AVIG geht der Regelung der Rückerstattungspflicht in Art. 95 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 25 ATSG als lex specialis vor. 
3.2.2 Der Einwand des Beschwerdeführers, es könne ihm kein absichtliches oder grobfahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden, zielt ebenfalls ins Leere, denn der erste Tatbestand des Art. 55 Abs. 2 AVIG setzt - im Gegensatz zum zweiten Tatbestand der Gesetzesbestimmung, welcher aber nach dem klaren Wortlaut und nach dem Sinn der Norm nicht kumulativ erfüllt sein muss, um die Rückerstattungspflicht auszulösen - kein schuldhaftes Verhalten des "Arbeitnehmers" voraus. Ebenso wenig muss im Rahmen des ersten Tatbestandes des Art. 55 Abs. 2 AVIG der Arbeitslosenkasse ein Schaden erwachsen sein. 
3.2.3 Ob es schliesslich mit Blick auf den Übergang der Lohnansprüche auf die Kasse im Sinne von Art. 54 Abs. 1 AVIG Aufgabe der Verwaltung gewesen wäre, dem arbeitsgerichtlichen Prozess beizutreten und allenfalls im Konkursverfahren eine Kollokationsklage anzuheben, kann offen bleiben, da unter den Parteien Konsens darüber besteht (und auch in der letztinstanzlich eingereichten Beschwerde wieder eingeräumt wird), dass die Beschreitung bzw. Weiterverfolgung des Rechtsweges zur Geltendmachung von Lohnforderungen aus dem Vertragsverhältnis mit der T.________ AG - nicht zuletzt mit Blick auf das Urteil des Bundesgerichts 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 in der den Berufskollegen betreffenden Angelegenheit - aussichtslos gewesen wäre. 
 
4. 
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird mit dem Entscheid in der Hauptsache gegenstandslos. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, dem Amt für Arbeit des Kantons Schwyz und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 3. Dezember 2009 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Berger Götz