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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_471/2024  
 
 
Urteil vom 3. Dezember 2024  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Bundesrichterin De Rossa, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.A.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Marc Lironi, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, 
Hochschulstrasse17, 3012 Bern, 
 
Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland West, Scheibenstrasse 11, 3600 Thun, 
 
1. C.________, 
2. D.________ SA, 
vertreten durch Rechtsanwalt Laurent Marconi. 
 
Gegenstand 
Neuschätzung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 2. Juli 2024 (ABS 24 72). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Gegen die Betreibungsschuldner A.A.________ und B.A.________ läuft beim Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland West, ein Grundpfandverwertungsverfahren.  
Am 14. Februar 2024 eröffnete die Dienststelle Oberland West den Schuldnern in der bevorstehenden Verwertung die (betreibungsamtliche) Verkehrswertschätzung der Liegenschaft U.________ Gbbl.-Nr. xxx/xxxx. Der Wert der Liegenschaft (Chalet "E.________") wurde durch das Sachverständigengutachten F.________ gmbh (nachfolgend: Gutachten F.________), V.________, auf Fr. 5,2 Mio. geschätzt. 
 
A.b. Mit Eingabe vom 23. Februar 2024 gelangten die Betreibungsschuldner an die Aufsichtsbehörde und ersuchten um Neuschätzung des zu verwertenden Grundstücks. Nach fristgerechter Leistung eines Kostenvorschusses beauftragte die kantonale Aufsichtsbehörde am 18. März 2024 die G.________ GmbH, W.________, mit der Ausarbeitung eines neuen Verkehrswertgutachtens.  
 
A.c. Am 22. Mai 2024 langte das neue Verkehrswertgutachten (nachfolgend: Gutachten G.________) bei der kantonalen Aufsichtsbehörde ein. Der Verkehrswert wurde damit auf Fr. 6,1 Mio. beziffert. Mit Verfügung vom 27. Mai und 14. Juni 2024 wurde den Beteiligten das rechtliche Gehör gewährt.  
 
B.  
Mit Entscheid vom 2. Juli 2024 setzte die Aufsichtsbehörde für den weiteren Verlauf des Grundpfandverwertungsverfahrens den Verkehrswert des Grundstücks U.________ Gbbl-Nr. xxx/xxxx auf den Mittelwert der Schätzungsergebnisse bzw. Fr. 5'650'000.-- fest. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 18. Juli 2024 (Postaufgabe) haben A.A.________ und B.A.________ (nachfolgend: Beschwerdeführer) Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie beantragen, den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 2. Juli 2024 (Zustelldatum: 9. Juli 2024) sei aufzuheben und den Schätzwert der zu verwertenden Liegenschaft (U.________ Gbbl.-Nr. xxx/xxxx) auf mindestens Fr. 16'531'250.--, eventualiter mindestens Fr. 11'520'000.--, subeventualiter mindestens Fr. 9 Mio. festzusetzen. Subsubeventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen; im Weiteren seien die Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren mit den gebotenen Beweismitteln zuzulassen. Sodann verlangen sie aufschiebende Wirkung. 
Mit Präsidialverfügung vom 22. August 2024 ist der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, indes keine Vernehmlassungen in der Sache eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der Entscheid des Obergerichts als kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, welches den massgeblichen Schätzwert im Verfahren der Grundpfandverwertung (nach Art. 9 i.V.m. Art. 99 Abs. 2 VZG) festgesetzt hat. Dagegen ist die Beschwerde in Zivilsachen unabhängig eines Streitwertes gegeben (Art. 19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c, Art. 75 Abs. 1 BGG). Den Beschwerdeführern (Schuldner und Pfandeigentümer) steht ein schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheides zu (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Die fristgerecht eingereichte Beschwerde ist grundsätzlich zulässig (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG).  
 
1.2. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind nur zulässig, soweit der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Neuschätzung einer Liegenschaft im Rahmen der Pfandverwertung. 
 
2.1. Nach Mitteilung des Verwertungsbegehrens an den Schuldner und gegebenenfalls an den Dritteigentümer ordnet das Betreibungsamt die Schätzung des betroffenen Grundstückes an. Hierfür gelten die folgenden Regeln (vgl. KREN KOSTKIEWICZ, OF-Kommentar SchKG, 20. Aufl. 2020, N. 2 zu Art. 155).  
 
2.1.1. Die Schätzung soll den mutmasslichen Verkehrswert samt Zugehör bestimmen (vgl. Art. 9 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 99 Abs. 1 VZG). Gegen Vorschuss der Kosten kann jeder Beteiligte innert zehn Tagen bei der Aufsichtsbehörde ohne nähere Begründung eine Neuschätzung durch einen Sachverständigen verlangen. Damit wird einerseits dem Umstand Rechnung getragen, dass Schätzungen selbst von Experten auseinanderfallen können (vgl. BGE 120 III 79 E. 2a), andererseits soll der allfälligen Tendenz der Schuldner entgegengewirkt werden, welche die Verwertung verzögern möchten (vgl. BGE 120 III 135 E. 2 a.E.).  
 
2.1.2. Streitigkeiten über die Höhe der Schätzung werden endgültig durch die kantonale Aufsichtsbehörde beurteilt (Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 99 Abs. 2 VZG). Den Beteiligten steht kein Anspruch auf Einholung einer Oberexpertise zu (BGE 120 III 135 E. 2). Das Bundesgericht seinerseits kann nur prüfen, ob das massgebende Verfahren eingehalten sei und ob die kantonale Aufsichtsbehörde das ihr zustehende Ermessen überschritten oder missbraucht habe (BGE 145 III 487 E. 3.2).  
 
2.1.3. Die Schätzung des zu verwertenden Grundstückes gibt den Interessenten nur einen Anhaltspunkt über das vertretbare Angebot, ohne etwas über den an der Steigerung tatsächlich erzielbaren Erlös auszusagen (vgl. zum Ganzen BGE 134 III 42 E. 3 und 4 S. 43). Im Verfahren der Grundpfandverwertung kommt der Schätzung ohnehin nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Die im Pfändungsverfahren massgebliche Bestimmung des Deckungsumfangs (Art. 97 Abs. 2 SchKG) und die Orientierung der Gläubiger über das voraussichtliche Ergebnis der Verwertung (Art. 112 Abs. 1 SchKG) entfallen (BGE 101 III 32 E. 1; 135 I 102 E. 3.2.2 und 3.2.3).  
 
2.2. Die Aufsichtsbehörde hat festgehalten, dass die betreibungsamtliche Schätzung (F.________) und die Neuschätzung (G.________) von gleich kompetenten Sachverständigen erstellt worden seien. Beide Gutachten zum Verkehrswert der Liegenschaft seien in sich schlüssig und nachvollziehbar und würden alle relevanten Aspekte berücksichtigen. Bei dieser Ausgangslage könne der massgebende Schätzwert von der Aufsichtsbehörde (unter Hinweis auf BGE 129 III 595 E. 3.1) auf den Mittelwert, im konkreten Fall auf Fr. 5'650'000.-- festgesetzt werden.  
 
2.3. Die Beschwerdeführer werfen der Aufsichtsbehörde eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG vor. Im angefochtenen Entscheid werde einzig auf die beiden Gutachten F.________ und G.________ abgestellt. Die Aufsichtsbehörde habe den Schätzwert von Fr. 9 Mio., wie er für die Hypothekvergabe im Jahr 2007 massgeblich gewesen sei, in keiner Weise berücksichtigt, ebenso wenig wie die beiden Sachverständigen in ihren Schätzungen. Damit beruhe der angefochtene Entscheid auf einer Sachverhaltsfeststellung, welche gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV) und den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verstosse; die Aufsichtsbehörde habe Art. 9 Abs. 2 VZG falsch angewendet.  
 
2.3.1. Zunächst bringen die Beschwerdeführer vor, ihr Anspruch auf eine Entscheidbegründung sei verletzt worden. Die Aufsichtsbehörde hat sich indes zu Qualität und Inhalt (mutmasslicher Verkehrswert, relevante Aspekte) der beiden Gutachten geäussert und das Vorgehen (Massgabe des Mittelwertes) erläutert. Der verfassungsrechtlichen Begründungspflicht ist vorliegend Genüge getan, zumal sich das Gericht auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken kann (BGE 143 III 65 E. 5.2). Eine Verletzung der verfassungsmässigen Garantie liegt nicht vor.  
 
2.3.2. Im Wesentlichen berufen sich die Beschwerdeführer auf das Schreiben der H.________ S.A. vom 17. Oktober 2007 (mit Unterschrift der Beschwerdeführer vom 24. Oktober 2007), aus welchem hervorgehe, dass die Bank den Kauf der Liegenschaft durch Belehnung im Umfang von maximal Fr. 9 Mio. und Übereignung eines Schuldbriefs im Betrag von Fr. 9 Mio. finanziert habe. Der maximale Hypothekarbetrag, den die Bank damals festgesetzt habe, beruhe auf einer vorgängigen Schätzung der Liegenschaft. Die Beschwerdeführer leiten aus der Belehnung ab, dass der Verkehrswert der Liegenschaft mittlerweile Fr. 16'531'250.-- (5% pro Jahr, vom 24. Oktober 2007 bis 19. Juli 2024), eventuell Fr. 11'520'000.-- betrage (Erhöhung von 28% gemäss Immobilienpreisindex seit 2017).  
 
2.3.3. Die Beschwerdeführer übergehen, dass die Schätzung nicht "möglichst hoch", sondern den mutmasslichen Verkehrswert (Marktwert) der Liegenschaft bestimmen soll (Art. 9 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 99 Abs. 1 VZG; BGE 143 III 532 E. 2.2; vgl. BGE 73 III 52 S. 55). Bankenverkehrswerte sowie ein durch das Kreditinstitut gewährter maximaler Hypothekarbetrag - festgelegt als maximaler Prozentsatz des Bankenverkehrswertes - werden nicht zu den für die Verkehrswertschätzung massgebenden Werten gezählt, genauso wenig wie Versicherungs- und fiskalische Werte (Schweizerische Vereinigung kantonaler Grundstückbewertungsexperten [SVKG], Das Schweizerische Schätzerhandbuch, 2019, S. 21; CANONICA, Die Immobilienbewertung, 2009, S. 16). Die mutmassliche Schätzung des Markt- bzw. Verkehrswertes gemäss Art. 9 Abs. 1 VZG erfolgt unabhängig von den erwähnten Werten.  
Der Vorwurf der Beschwerdeführer, die Aufsichtsbehörde habe eine auf einer Verletzung von Art. 9 oder Art. 29 Abs. 2 BV beruhende Sachverhaltsfeststellung getroffen, weil es ihre Tatsachenvorbringen im Zusammenhang mit der Belehnung der Liegenschaft im Jahr 2007 nicht berücksichtigt habe, geht fehl. Es mangelt an der Rechtserheblichkeit der tatsächlichen Vorbringen, welche die Aufsichtsbehörde mit Blick auf die Gutachten F.________ und G.________ angeblich übergangen und einen Einfluss auf das Verfahren haben könnten (BGE 143 IV 380 E. 1.4.1). Dass die Aufsichtsbehörde das (nach Art. 9 i.V.m. Art. 99 VZG) massgebende Verfahren nicht eingehalten oder das ihr zustehende Ermessen sonst in irgendeiner Weise überschritten oder missbraucht habe, wenn es auf den Mittelwert des betreibungsamtlichen und des neuen, jeweils durch Sachverständige ermittelten Verkehrsschätzwertes (mit Bewertungsstichtag 12. Januar 2024 bzw. 3. Mai 2024) abgestellt hat, ist aufgrund der Vorbringen der Beschwerdeführer nicht ersichtlich. 
 
3.  
Nach dem Dargelegten ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die gemeinsam prozessierenden Beschwerdeführer zu gleichen Teilen unter solidarischer Haftung kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). 
Eine Parteientschädigung an die D.________ SA ist nicht zu leisten, da sie mit ihrem Antrag auf Abweisung der aufschiebenden Wirkung unterlegen ist und ihr im Übrigen keine ersatzpflichtigen Kosten entstanden sind, zumal keine Vernehmlassungen in der Sache eingeholten worden sind. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
3.  
Es ist keine Parteientschädigung zu leisten. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Dezember 2024 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Levante