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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_64/2008 
 
Urteil vom 4. Februar 2009 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Maillard, 
Gerichtsschreiber Hochuli. 
 
Parteien 
D.________, Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt X.________, 
 
gegen 
 
AXA Versicherungen AG, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 5. Dezember 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Verfügung vom 2. August 2006, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 9. Januar 2007, sprach die Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (heute: AXA Versicherungen AG; nachfolgend: AXA oder Beschwerdegegnerin) der 1953 geborenen D.________ für die ihr aus dem Unfall vom 4. Juli 2003 dauerhaft verbleibende unfallbedingte Beeinträchtigung der gesundheitlichen Unversehrtheit eine Integritätsentschädigung von Fr. 10'680.- auf Grund einer Integritätseinbusse von 10% zu. Im Übrigen stellte die AXA sämtliche in der Folge des versicherten Ereignisses erbrachten Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld) per 31. August 2006 ein. 
 
B. 
Dagegen beantragte D.________ beschwerdeweise unter anderem nebst weiteren Leistungen die Zusprechung einer Invalidenrente. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die Beschwerde mit Entscheid vom 5. Dezember 2007 vollumfänglich ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt D.________ in der Sache unter Aufhebung des angefochtenen Gerichts- und des Einspracheentscheides nurmehr einzig die Zusprechung einer Invalidenrente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 12% ab 1. September 2006 beantragen. Gleichzeitig ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
Während die AXA auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2. 
Letztinstanzlich ist einzig strittig, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Invalidenrente nach UVG hat. Das kantonale Gericht hat die zur Beurteilung dieses Anspruchs einschlägigen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
Während die Vorinstanz einen das anspruchsbegründende Mindestmass nach Art. 18 Abs. 1 UVG von 10 % nicht erreichenden Invaliditätsgrad von 9.35 % ermittelte, bringt die Versicherte vor, bei korrektem Einkommensvergleich erleide sie unfallbedingt eine Erwerbseinbusse von 12 % (eventuell 11,4 %). Die Differenz gegenüber dem kantonalen Gericht rührt einerseits aus einem um Fr. 772.60 tieferen Invalideneinkommen von Fr. 39'449.00 und anderseits aus einem um Fr. 150.30 höheren Valideneinkommen von Fr. 44'519.00 her. Ob die in diesem Zusammenhang erhobenen Vorbringen der Beschwerdeführerin berechtigt sind oder nicht, kann aus den nachfolgenden Gründen offen bleiben: 
 
3.1 Das kantonale Gericht hat das Invalideneinkommen basierend auf den LSE-Tabellenlöhnen mit Fr. 50'277.00 ermittelt und sodann - wie bereits die Versicherung - einen leidensbedingten Abzug von 20% gewährt. 
 
3.2 Ob ein behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen ist, stellt eine frei überprüfbare Rechtsfrage dar. Dagegen geht es bei der Höhe des (im konkreten Fall grundsätzlich angezeigten) Abzugs vom Tabellenlohn um eine typische Ermessensfrage. Deren Beantwortung ist letztinstanzlicher Korrektur nur mehr dort zugänglich, wo das kantonale Versicherungsgericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung vorliegt (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 in fine S. 399; Urteil 9C_973/2008 vom 19. Januar 2009 E. 3). Ermessensmissbrauch ist gegeben, wenn eine Behörde zwar im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens bleibt, sich aber von unsachlichen, dem Zweck der massgebenden Vorschriften fremden Erwägungen leiten lässt oder allgemeine Rechtsprinzipien, wie das Verbot von Willkür oder rechtsungleicher Behandlung, das Gebot von Treu und Glauben sowie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt (BGE 123 V 150 E. 2 S. 152 mit Hinweisen). 
 
3.3 Weder in der Verfügung vom 2. August 2006 noch im Einspracheentscheid vom 9. Januar 2007 begründete die AXA, weshalb sie einen Abzug von 20 % gewährte. Das kantonale Gericht bezeichnet diesen zwar als grosszügig, führt zur Begründung indessen nur aus, er erscheine insgesamt nicht als unangemessen. Ob diese Begründung ausreichend im Sinne des in BGE 126 V 75 E. 5b/dd S. 80 Erwogenen ist, ist fraglich, kann aber dahingestellt bleiben. 
 
3.4 Wenngleich auch die Beschwerdeführerin infolge ihrer unfallbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen die angestammte Tätigkeit als Verkäuferin aus medizinischen Gründen nicht wieder aufnehmen konnte, bleibt ihr doch die Ausübung einer leidensangepassten, körperlich nicht belastenden Tätigkeit in wechselnder Position (vorwiegend sitzend sowie wenig gehend und stehend) bei voller Arbeitsfähigkeit zugegebenermassen ganztags zumutbar. Diese - verhältnismässig geringe - unfallbedingte Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit rechtfertigt auch unter Berücksichtigung der übrigen lohnbestimmenden Einflussfaktoren keinesfalls einen leidensbedingten Abzug in der Höhe von 20%, welcher damit nur 5 % unter dem Maximum (BGE 126 V 75 E. 5b/cc S. 80) liegt. Nach Massgabe der praxisgemäss heranzuziehenden Umstände beruflicher und persönlicher Natur des konkreten Einzelfalles erscheint hier - wenn überhaupt - im Rahmen des pflichtgemässen Ermessens ein Abzug von 5 % bis allerhöchstens 10 % als gerade noch vertretbar. Denn weder das Alter noch die Dienstjahre, die Aufenthaltskategorie oder der Beschäftigungsgrad der Versicherten vermögen einen nachteiligen Einfluss auf die Verwertbarkeit der verbleibenden Erwerbsfähigkeit zu begründen. Indem Versicherung und Vorinstanz einen leidensbedingten Abzug vom Tabellenlohn von 20 % gewährten, haben sie sich ohne sachliche Begründung über die Bemessungsgrundlagen gemäss BGE 126 V 75 hinweg gesetzt und das ihnen eingeräumte Ermessen somit rechtsfehlerhaft ausgeübt. 
 
3.5 Lässt sich hier ein leidensbedingter Abzug vom Tabellenlohn von höchstens 10 % rechtfertigen, folgt - selbst wenn auf die Angaben der Beschwerdeführerin abgestellt wird - aus dem Vergleich des solchermassen angepassten Invalideneinkommens von 44'380.80 (= Fr. 49'312.00 x 0,9) mit dem Valideneinkommen von Fr. 44'519.00, dass die Versicherte unfallbedingt keine Erwerbseinbusse erleidet. Versicherung und Vorinstanz haben folglich im Ergebnis zu Recht den Anspruch auf eine Invalidenrente nach UVG verneint. 
 
4. 
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Gleichzeitig wird ihr die unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung und Verbeiständung; Art. 64 BGG) gewährt, da die hiefür erforderlichen Voraussetzungen (Bedürftigkeit, Nichtaussichtslosigkeit und Gebotenheit einer Verbeiständung) gegeben sind (BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371 E. 5b S. 372, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen. 
 
4. 
Rechtsanwalt Dr. Ivo Zellweger, Baden, wird als unentgeltlicher Anwalt der Beschwerdeführerin bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 4. Februar 2009 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Ursprung Hochuli