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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_833/2009 
 
Urteil vom 4. Februar 2010 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Kernen, Seiler, 
Bundesrichterin Pfiffner Rauber, 
Gerichtsschreiber Attinger. 
 
Parteien 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
V.________, 
vertreten durch CAP Rechtsschutz, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 15. Juli 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Verfügung vom 3. März 2003 und Einspracheentscheid vom 4. September 2003 sprach die IV-Stelle des Kantons Aargau dem 1963 geborenen V.________ ab 1. Oktober 2002 eine halbe Rente der Invalidenversicherung zu. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 18. Februar 2004 ab. Im Zuge eines von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens holte die IV-Stelle ein interdisziplinäres versicherungsmedizinisches Gutachten ein und eröffnete dem Versicherten mit Mitteilung vom 1. Mai 2007, dass bei unverändertem Invaliditätsgrad von 57 % weiterhin Anspruch auf eine halbe Invalidenrente bestehe. 
Nachdem V.________ zuvor seit Anfang 2002 keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen war, trat er am 26. Juni 2007 bei der Firma R.________ AG zu einem Wochenpensum von etwa 32,5 Stunden eine Arbeitsstelle als Chauffeur an. In der Folge hob die IV-Stelle mit Revisionsverfügung vom 28. November 2008 die bisher ausgerichtete halbe Invalidenrente mit Wirkung ab 1. Januar 2009 auf. 
 
B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 15. Juli 2009 gut und verpflichtete die Verwaltung, V.________ über Ende 2008 hinaus weiterhin eine halbe Rente auszurichten. 
 
C. 
Die IV-Stelle führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird beantragt, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. 
V.________ schliesst auf vollumfängliche Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) deren Gutheissung beantragt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2. 
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, namentlich diejenigen über die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG [SR 830.1] in Verbindung mit Art. 28a Abs. 1 IVG [vor 31. Dezember 2007 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 IVG]; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348; 128 V 29 E. 1 S. 30; 104 V 135 E. 2a und b S. 136) sowie die Revision von Invalidenrenten bei wesentlicher Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen (Art. 17 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 IVG) und den diesbezüglichen zeitlichen Referenzpunkt (BGE 133 V 108 E. 5 S. 110 ff.), zutreffend dargelegt. Hierauf wird verwiesen. 
Im angefochtenen Entscheid richtig wiedergegeben wurde auch Art. 31 IVG in der Fassung der auf den 1. Januar 2008 in Kraft gesetzten 5. IV-Revision: Kann eine rentenberechtigte Person neu ein Erwerbseinkommen erzielen oder ein bestehendes Erwerbseinkommen erhöhen, so wird die Rente nur dann im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG revidiert, wenn die Einkommensverbesserung jährlich mehr als Fr. 1500.- beträgt (Abs. 1 der neuen IVG-Bestimmung). Für die Revision der Rente werden vom Betrag, der Fr. 1500.- übersteigt, nur zwei Drittel berücksichtigt (Abs. 2 dieser Vorschrift). 
 
3. 
Es stellt sich zunächst die Frage nach der Anwendbarkeit des neuen Art. 31 IVG im vorliegenden Fall. Kantonales Gericht und Beschwerdegegner bejahen sie, wogegen sich die beschwerdeführende IV-Stelle auf den Standpunkt stellt, die neu ins IVG eingefügte Bestimmung könne hier nicht herangezogen werden (das BSV hat sich diesbezüglich nicht geäussert). 
 
3.1 In zeitlicher Hinsicht sind - auch bei einer Änderung der gesetzlichen Grundlage - grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei der Verwirklichung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhalts in Geltung standen. Diese Lösung stellt zufolge ihres allgemein gültigen Bedeutungsgehaltes einen für alle Rechtsverhältnisse - und somit auch für Dauerleistungen - geltenden intertemporalrechtlichen Grundsatz dar (BGE 130 V 445 E. 1.2.1 S. 447 mit Hinweisen). Weiter stellt das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den Sachverhalt ab, wie er sich bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 28. November 2008) entwickelt hat (BGE 131 V 242 E. 2.1 S. 243 mit Hinweisen). 
 
3.2 Der hier relevante Sachverhalt präsentiert sich wie folgt: Schon bald nachdem ihm die IV-Stelle am 1. Mai 2007 mitgeteilt hatte, dass nach wie vor ein Anspruch auf eine halbe Invalidenrente bestehe, konnte der Beschwerdegegner am 26. Juni 2007 (zu einem wöchentlichen Arbeitspensum von rund 32,5 Stunden) eine Stelle als Chauffeur antreten. Er setzte die IV-Behörden darüber in Kenntnis (Zustellung des undatierten Arbeitsvertrags mit der R.________ AG sowie des Lohnblatts für Juli 2007). Es kann als unbestritten gelten, dass der Beschwerdegegner am neuen Arbeitsplatz nach seinerzeitigem Recht ein rentenausschliessendes Invalideneinkommen erzielte (vgl. die Angaben der Arbeitgeberfirma vom 24. Juni 2008 und die monatlichen Gehaltsabrechnungen ab Juli 2007). Bis zum Erlass der streitigen Verfügung vom 28. November 2008, mit welcher die IV-Stelle die bisher bezogene halbe Rente mit Wirkung für die Zukunft aufhob (Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV), blieb die Höhe seines (Stunden-)Lohnes unverändert. Zwischenzeitlich geändert hatte einzig die Normenlage, indem auf den 1. Januar 2008 der in E. 2 hievor wiedergegebene Art. 31 neu ins IVG eingefügt worden war. Mit dieser Bestimmung sollen Bezügerinnen und Bezüger von IV-Renten besser motiviert werden, "ihre erweiterten Erwerbsmöglichkeiten" tatsächlich zu nutzen (BBl 2005 4539). 
 
3.3 Der dargelegte materiell-intertemporalrechtliche Grundsatz, wonach diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Verwirklichung des zu Rechtsfolgen führenden (oder rechtlich zu ordnenden) Sachverhalts Geltung haben, führt im vorliegenden Fall zur (alleinigen) Anwendung des bis Ende 2007 gültig gewesenen Rechts: Die Arbeitsaufnahme des Beschwerdegegners erfolgte am 26. Juni 2007, womit im Hinblick auf Art. 88a Abs. 1 zweiter Satz IVV die darin zum Ausdruck gelangende Verbesserung der Erwerbsfähigkeit ab Ende September 2007 zu berücksichtigen war, nachdem sie ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate angedauert hatte und voraussichtlich weiterhin andauern würde. Damit aber hatte sich der von Art. 31 IVG rechtlich geordnete Sachverhalt vollständig unter dem früher geltenden Recht erfüllt. Denn nach Inkrafttreten dieser Gesetzesbestimmung (am 1. Januar 2008) konnte der damals bereits erwerbstätige und bei unveränderten vertraglichen Konditionen arbeitende Versicherte weder "neu ein Erwerbseinkommen erzielen" ("perçoit un nouveau revenu"; "consegue un nuovo reddito lavorativo") noch "ein bestehendes Erwerbseinkommen erhöhen" ("que son revenu existant augmente"; "se il suo reddito lavorativo attuale aumenta"), wie die neue Rechtsnorm verlangt. Entgegen der vorinstanzlichen Betrachtungsweise ändert daran nichts, dass grundsätzlich auf den Sachverhalt abzustellen ist, wie er sich bis zum Erlass der rentenaufhebenden Revisionsverfügung vom 28. November 2008 entwickelt hat (E. 3.1 hievor in fine). Entscheidend ist, dass sich im vorliegenden Fall der unter dem Blickwinkel von Art. 31 IVG zu Rechtsfolgen führende, abgeschlossene Sachverhalt, nämlich die neue Erzielung eines Erwerbseinkommens, noch unter altem Recht verwirklichte. Keine Bedeutung ist demgegenüber dem (bloss zufälligen) Umstand beizumessen, dass die Rentenaufhebungsverfügung erst unter der Herrschaft der 5. IV-Revision erlassen wurde (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 51/04 vom 5. Mai 2004 E. 1, Regest in: ZBJV 140/2004 S. 754). 
 
4. 
Wie bereits erwähnt, ist unter sämtlichen Verfahrensbeteiligten zu Recht unbestritten, dass der Beschwerdegegner unter dem - gemäss vorstehenden Erwägungen allein einzunehmenden - Blickwinkel der früheren Normenlage seit Antritt der Arbeitsstelle ein rentenausschliessendes Erwerbseinkommen erzielt. Die leistungsaufhebende Revisionsverfügung der IV-Stelle vom 28. November 2008 war somit rechtens. Dies führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids. 
 
Fällt nach dem Gesagten ein Abstellen auf den neu eingefügten Art. 31 IVG ausser Betracht, muss im vorliegenden Fall offenbleiben, auf welchen Teil des Invalideneinkommens sich die in Abs. 2 der genannten Bestimmung verwendete Formulierung "nur zwei Drittel berücksichtigt" ("seuls les deux tiers ... sont pris en compte"; "solo i due terzi ... sono presi in considerazione") ihrem Rechtssinn nach bezieht. 
 
5. 
Mit dem Entscheid in der Sache ist die Frage der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegenstandslos (Urteil 9C_489/2009 vom 11. Dezember 2009 E. 5). 
 
6. 
Als unterliegende Partei hat der Beschwerdegegner die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 15. Juli 2009 wird aufgehoben. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Ausgleichskasse des Schweizerischen Gewerbes und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 4. Februar 2010 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Meyer Attinger