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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_109/2022  
 
 
Urteil vom 4. April 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiberin Kern. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Elias Reichsöllner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh., Schützenstrasse 1A, 9100 Herisau. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren, Entsiegelung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts von Appenzell Ausserrhoden, Einzelrichter, vom 28. September 2022 (ZM1 21 16). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen Veruntreuung, Betrug und Geldwäscherei. Am 3. und 11. November 2021 beantragte sie die Entsiegelung sichergestellter Gegenstände, namentlich des Mobiltelefons und zweier SIM-Karten von A.________. Das Zwangsmassnahmengericht, Kantonsgericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden, ordnete im Entsiegelungsverfahren mit Verfügung vom 9. Februar 2022 die Triage der sichergestellten Datenträger an. Dazu wurde die Gesellschaft B.________ AG "als sachkundige Person" beigezogen. Zweck der Triage war es, der Staatsanwaltschaft den Zugriff auf Chatkommunikationen von A.________ mit verschiedenen Personen zu geben. Am 18. Februar 2022 beantragte die Staatsanwaltschaft, die Datentriage auf weitere Chatteilnehmer auszudehnen, was das Zwangsmassnahmengericht mit Verfügung vom 9. März 2022 gewährte. Am 3. Mai 2022 stellte die Staatsanwaltschaft "gestützt auf neue Ermittlungserkenntnisse" ein neues Entsiegelungsgesuch betreffend dieselben Datenträger.  
 
A.b. Am 20. Mai 2022 übermittelte die B.________ AG dem Zwangsmassnahmengericht die triagierten Daten. Am 24. Mai 2022 stellte das Zwangsmassnahmengericht diese der Staatsanwaltschaft zur "weiteren Verwendung" zu. Nachdem A.________ und die Staatsanwaltschaft übereinstimmend festgestellt hatten, dass die B.________ AG die Vorgaben des Zwangsmassnahmengerichts nur teilweise befolgt hatte, rief das Zwangsmassnahmengericht am 31. Mai 2022 die Datenträger von der Staatsanwaltschaft zurück und wies letztere an, von den erhaltenen Daten keinen Gebrauch zu machen. Die Staatsanwaltschaft retournierte die Datenträger am 1. Juni 2022.  
 
A.c. Mit E-Mail vom 3. Juni 2022 stellte das Zwangsmassnahmengericht den Verfahrensparteien eine Korrektur der Verfügungen vom 9. Februar 2022 und 9. März 2022 in Aussicht, da diese missverständlich gewesen seien. Mit Verfügung vom 20. Juni 2022 ordnete es erneut eine Triage der auf den sichergestellten Gegenständen befindlichen Daten an. Am 30. Juni 2022 beauftragte es damit erneut die B.________ AG.  
 
B.  
Mit Verfügung vom 28. September 2022 entschied das Zwangsmassnahmengericht, das Mobiltelefon von A.________ teilweise zu entsiegeln, wobei die dem Geheimnisschutz unterliegenden Dateien von der Entsiegelung auszunehmen seien (Dispositiv-Ziffer 1). Der triagierte Datenträger werde den Parteien nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Verfügung gestellt (Dispositiv-Ziffer 2). Das Mobiltelefon und die beiden SIM-Karten würden A.________ ausgehändigt (Dispositiv-Ziffer 3). Die Staatsanwaltschaft werde ermächtigt, die auf dem triagierten Datenträger gespeicherten Dateien ohne Einschränkung zu durchsuchen und diese zu verwenden, soweit sie im mit dem Strafverfahren gegen A.________ im Zusammenhang stünden (Dispositiv-Ziffer 4). Die Gebühr von Fr. 150.- und die Triagekosten von Fr. 2'562.20 belastete das Zwangsmassnahmengericht "dem Vorverfahren". Über die Entschädigung des Verteidigers von A.________ werde "ebenfalls im Vorverfahren abgerechnet" (Dispositiv-Ziffer 5). 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ vor Bundesgericht, die Dispositiv-Ziffern 1, 2, 4 und 5 der Verfügung vom 28. September 2022 aufzuheben. Die Entsiegelungsgesuche der Staatsanwaltschaft vom 3. und 11. November 2021 und vom 18. Februar und 3. Mai 2022 seien abzuweisen. Das Zwangsmassnahmengericht, die Staatsanwaltschaft und die Kantonspolizei des Kantons Appenzell Ausserrhoden seien anzuweisen, die in Verbindung mit dem sichergestellten Mobiltelefon erstellten Datenkopien und weiteren darauf basierenden Datenkopien zu vernichten und jegliche Ermittlungsergebnisse, die sich aufgrund der Zustellung der Datenkopien ergeben hätten, aus dem Strafverfahren auszuscheiden und verschlossen zu den Akten zu nehmen. 
Die Vorinstanz hat sich in der Sache nicht zur Beschwerde vernehmen lassen. Die Staatsanwaltschaft hat mit Eingabe vom 28. November 2022 beantragt, die Beschwerde abzuweisen. A.________ hat am 4. Januar 2023 repliziert. 
Mit Präsidialverfügung vom 1. Dezember 2022 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob auf die Beschwerde eingetreten werden kann (Art. 29 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 i.V.m. Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 148 IV 275 E. 1.1; 148 I 160 E. 1; je mit Hinweis). Die Sachurteilsvoraussetzungen sind in der Beschwerdeschrift ausreichend zu substanziieren, soweit sie nicht offensichtlich erfüllt erscheinen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. BGE 148 IV 155 E. 1.1; 141 IV 289 E. 1.3; je mit Hinweisen).  
 
1.2. Die per 1. Januar 2024 in Kraft getretene Gesetzesänderung betreffend Siegelungs- bzw. Entsiegelungsverfahren hat keine Auswirkungen auf das vorliegende Urteil. Das Bundesgericht prüft im Rahmen der strafrechtlichen Beschwerde nämlich nur, ob die kantonale Instanz das Bundesrecht richtig angewendet hat, mithin jenes Recht, welches die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid anwenden musste (Urteil 7B_152/2024 vom 19. Februar 2024 E. 1.2 mit Hinweisen). Massgebend für die Beurteilung der bundesgerichtlichen Beschwerde sind damit weiterhin die Siegelungs- bzw. Entsiegelungsbestimmungen, wie sie bis zum 31. Dezember 2023 galten.  
 
1.3. Angefochten ist ein nach aArt. 248 Abs. 3 lit. a StPO kantonal letztinstanzlicher Entscheid eines Zwangsmassnahmengerichts. Dagegen steht gemäss Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht nach Art. 78 ff. BGG grundsätzlich offen.  
 
1.4. Gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist die Beschwerde in Strafsachen gegen Entsiegelungsentscheide der Zwangsmassnahmengerichte nur zulässig, wenn der betroffenen Person wegen eines Eingriffs in ihre rechtlich geschützten Geheimnisinteressen ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil droht (BGE 143 I 241 E. 1; 141 IV 289 E. 1.1 f.; Urteil 7B_1003/2023 vom 11. Januar 2024 E. 2.1; je mit Hinweisen). Nach der Praxis des Bundesgerichts muss die betroffene Person die angerufenen Geheimhaltungsinteressen spätestens im Entsiegelungsverfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht ausreichend substanziieren. Kommt sie ihrer Mitwirkungs- und Substanziierungsobliegenheit im Entsiegelungsverfahren nicht nach, ist das Gericht nicht gehalten, von Amtes wegen nach allfälligen materiellen Durchsuchungshindernissen zu forschen. Tangierte Geheimnisinteressen sind wenigstens kurz zu umschreiben und glaubhaft zu machen. Auch sind diejenigen Aufzeichnungen und Dateien zu benennen, die dem Geheimnisschutz unterliegen. Dabei ist die betroffene Person nicht gehalten, die angerufenen Geheimnisrechte bereits inhaltlich offenzulegen (BGE 138 IV 225 E. 7.1; Urteil 7B_1003/2023 vom 11. Januar 2024 E. 2.1; je mit Hinweisen).  
Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerdeschrift keine spezifischen Geheimhaltungsinteressen geltend. Stattdessen bringt er zum Erfordernis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils vor, die Strafverfolgungsbehörden würden gesiegelte Daten gegen ihn verwenden, obschon die fraglichen Daten noch nicht rechtskräftig entsiegelt worden seien. Je länger dieser Zustand andauere, desto weniger könne nachvollzogen werden, ob Ermittlungsergebnisse auf unverwertbaren Auswertungen beruhten. Der gesetzeswidrige Zustand könne deshalb nicht durch einen Endentscheid beseitigt werden. Bei diesen Ausführungen verkennt der Beschwerdeführer, dass die Vorschriften über die Siegelung kein Selbstzweck sind, sondern dem Schutz von Geheimnisinteressen dient. Da er keine konkreten Geheimnisinteressen substanziiert, tut er auch keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil dar. Die Sachurteilsvoraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist damit nicht erfüllt. 
 
2.  
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde aussichtslos war, kann dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh. und dem Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. April 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kern