Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_825/2023
Urteil vom 4. April 2024
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichterin Koch,
Bundesrichter Hurni,
Gerichtsschreiberin Mango-Meier.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Torsten Kahlhöfer,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,
Hermann-Götz-Strasse 24, Postfach, 8401 Winterthur,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Beschlagnahme,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 18. September 2023 (UH220325-O/U/AEP).
Sachverhalt:
A.
A.a. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen gewerbsmässiger Erpressung, mehrfacher Amtsanmassung sowie mehrfacher Widerhandlung gegen das UWG.
A.b. Anlässlich einer Hausdurchsuchung am 19. Mai 2022 wurden zwei Bundesordner, lose Korrespondenz mit Strassenverkehrsämtern, ein Steckzettel sowie diverse Kundenbriefe sichergestellt. Hinsichtlich der Kundenbriefe wurde im Durchsuchungsprotokoll vermerkt, dass diese per "AirDrop" übermittelt worden seien. Aus dem Durchsuchungsprotokoll geht sodann hervor, dass die Siegelung verlangt wurde. Am 27. Mai 2022 beantragte die Staatsanwaltschaft die Entsiegelung der sichergestellten Bundesordner sowie der losen Korrespondenz. Sie führte weiter aus, die Datenordner mit Rechnungen und Verzeigungsankündigungen bzw. Betreibungsandrohungen etc., welche die Polizei via "Dropbox-Downloadlink" übermittelt, auf einer DVD gespeichert und zuhanden der Staatsanwaltschaft in den Akten produziert habe, seien von der Siegelung ausgenommen worden. Dieser Auffassung widersprach u.a. A.________ im Entsiegelungsverfahren. Er beantragte die Verweigerung der Entsiegelung der "Daten-DVD" und verlangte deren Herausgabe.
Mit Verfügung vom 22. Juni 2022 beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft die zwei Bundesordner, die lose Korrespondenz und den Steckzettel sowie mit Verfügung vom 20. September 2022 auch die aus ihrer Sicht ungesiegelte DVD.
B.
Gegen letztere Verfügung erhob A.________ am 3. Oktober 2022 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses wies die Beschwerde am 18. September 2023 ab.
C.
Mit Eingabe vom 25. Oktober 2023 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht und stellt gleichzeitig Gesuche um Erteilung der aufschiebenden Wirkung und der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.
Das Obergericht verzichtete am 30. Oktober 2023 unter Einreichung der Akten auf eine Stellungnahme zur Beschwerde und enthielt sich ausdrücklich eines Antrages betreffend aufschiebende Wirkung. Die Staatsanwaltschaft verfasste gleichentags den Antrag, es sei keine aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Mit Verfügung vom 14. November 2023 wurde das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen.
In einer weiteren Stellungnahme vom 2. November 2023 beantragte die Staatsanwaltschaft die Abweisung der Beschwerde, soweit überhaupt darauf einzutreten sei. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2023 nahm der Beschwerdeführer zu den beiden Vernehmlassungsantworten der Staatsanwaltschaft Stellung.
Erwägungen:
1.
1.1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob auf die Beschwerde eingetreten werden kann (Art. 29 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 i.V.m. Art. 42 Abs. 1 bis 2 BGG; BGE 149 IV 9 E. 2; 148 IV 275 E. 1.1; 148 I 160 E. 1; je mit Hinweis). Die Sachurteilsvoraussetzungen sind in der Beschwerdeschrift ausreichend zu substanziieren, soweit sie nicht offensichtlich erfüllt erscheinen ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ; Urteil 7B_559/2023 vom 19. Januar 2024 E. 3.2 mit Hinweisen; vgl. BGE 148 IV 155 E. 1.1; 141 IV 289 E. 1.3; je mit Hinweisen).
1.2. Der angefochtene Beschwerdeentscheid schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab. Er stellt einen Zwischenentscheid dar, der weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betrifft. Gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde dagegen prinzipiell nur zulässig, wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Die zweite Variante kommt vorliegend nicht in Betracht (vgl. BGE 144 IV 127 E. 1.3; 141 IV 284 E. 2; Urteile 1B_272/2020 vom 16. Februar 2021 E. 3.2; 1B_599/2019 vom 22. Juli 2020 E. 1.2).
Nach der Rechtsprechung muss es sich im Strafrecht beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG um einen solchen rechtlicher Natur handeln (BGE 141 IV 289 E. 1.2). Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt nicht (BGE 148 IV 155 E.1.1; 144 IV 321 E. 2.3; Urteile 7B_982/2023 vom 21. Februar 2024 E. 1.2; 7B_320/2023 vom 21. Februar 2024 E. 2.1 mit Hinweis). Soweit es einzig um eine Beschlagnahme von Unterlagen und Datenträgern zu Beweiszwecken geht, verursacht eine solche Beweismittelbeschlagnahme im Sinne von Art. 263 Abs. 1 lit. a StPO nach der Rechtsprechung regelmässig keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (BGE 141 III 80 E. 1.2; 136 IV 92 E. 4.1; Urteile 7B_644/2023 vom 14. Februar 2024 E. 4.2; 7B_352/2023 vom 14. Februar 2024 E. 5.1.1; 7B_128/2022 vom 24. November 2023 E. 2.3; je mit Hinweisen).
1.3.
1.3.1. Der Beschwerdeführer rügt, dass die elektronisch übermittelten Daten bzw. die daraus erstellten Daten-DVD und Ausdrucke unverwertbar seien, habe doch die Staatsanwaltschaft innert Frist von Art. 248 Abs. 2 StPO nachweislich nie einen Antrag auf Entsiegelung der elektronisch übermittelten Daten gestellt. Gegenstände, deren Verwertung als Beweis ausgeschlossen sei, seien von der Beschlagnahme ausgeschlossen und unverzüglich aus den Akten zu entfernen. Diese dürften dem Sachgericht nicht zur Kenntnis gebracht werden. Im Falle einer Beschlagnahme der "Daten-DVD" drohe ihm ein nicht mehr korrigierbarer Eingriff in seine rechtlich geschützten Geheimnisinteressen, insbesondere seine Privatsphäre und die Wirtschaftsfreiheit.
1.3.2. Nach der Rechtsprechung stellt der alleinige Umstand, dass ein Beweismittel, dessen Verwertbarkeit der Beschwerdeführer bestreitet, in den Akten bleibt, grundsätzlich keinen Nachteil rechtlicher Natur dar, da der Beschwerdeführer seinen Einwand bis zum Abschluss des Strafverfahrens erneut vorbringen kann. Er kann die Frage der Verwertbarkeit des Beweismittels namentlich dem Sachgericht unterbreiten (Art. 339 Abs. 2 lit. d StPO). Von diesem kann erwartet werden, dass es in der Lage ist, die unzulässigen Beweise von den zulässigen zu unterscheiden und sich bei der Würdigung ausschliesslich auf Letztere zu stützen (BGE 144 IV 90 E. 1.1.3; 141 IV 289 E. 1.2, 284 E. 2.2; Urteil 7B_165/2022 vom 20. Juli 2023 E. 1.2). Von dieser Regel bestehen jedoch Ausnahmen. Eine solche liegt insbesondere vor, wenn das Gesetz ausdrücklich die sofortige Rückgabe aus den Akten bzw. Vernichtung rechtswidriger Beweise - wie z.B. in Art. 248 StPO - vorsieht. Ebenso verhält es sich, wenn aufgrund des Gesetzes oder der Umstände des Einzelfalles die Rechtswidrigkeit des Beweismittels ohne Weiteres feststeht. Derartige Umstände können allerdings nur angenommen werden, wenn der Betroffene ein besonders gewichtiges rechtlich geschütztes Interesse an der unverzüglichen Feststellung der Unverwertbarkeit des Beweises geltend macht (BGE 143 IV 387 E. 4.4; BGE 142 IV 207 E. 9.8; BGE 141 IV 289 E. 1.3, 284 E. 2.3; Urteil 7B_165/2022 vom 20. Juli 2023 E. 1.2).
1.3.3. Aus der Beschwerde sowie dem angefochtenen Entscheid ergibt sich, dass die Daten auf der vom Beschwerdeführer erwähnten "Daten-DVD", wie von der Staatsanwaltschaft vorgebracht, bereits ausgedruckt und zu den Akten genommen wurden. Dies bestätigt im Übrigen auch der Beschwerdeführer selbst, wenn er vorbringt, die Vorinstanz habe ausser Acht gelassen, dass der fallführende Staatsanwalt die per "AirDrop" übertragenen Daten auf der DVD gesichtet und zu den Akten genommen habe. Nach Art. 102 Abs. 1 StPO hat letzterer die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um berechtigte Geheimhaltungsinteressen zu schützen. Damit besteht für den Beschwerdeführer aktuell keine Gefahr einer weiteren Preisgabe allenfalls schützenswerter Geheimnisinteressen.
Infolge der Kenntnisnahme der Daten oder zumindest einem Teil davon durch die Staatsanwaltschaft kann ein rechtlich geschütztes Interesse an deren Geheimhaltung vor der Untersuchungsbehörde nicht mehr in einem Entsiegelungsverfahren durchgesetzt werden. In einem solchen Verfahren dürfte das Zwangsmassnahmengericht nur dann im Vorverfahren (Art. 248 Abs. 2 lit. a StPO) abschliessend über Verwertungsverbote gemäss Art. 140 und 141 StPO entscheiden, wenn die Unverwertbarkeit offensichtlich ist (BGE 148 IV 221 E. 4.1; 143 IV 387 E. 4.4; Urteil 1B_286/2022 vom 12. September 2022 E. 4.3; je mit Hinweisen). Dies hat ebenso für das vorliegende Beschlagnahmeverfahren zu gelten. Aufgrund der Akten und den Vorbringen des Beschwerdeführers gehen keine Anhaltspunkte hervor, dass die Daten-DVD als Beweis klarerweise unverwertbar ist und entsprechend deren Entfernung aus den Akten unlängst hätte angeordnet werden müssen. Selbst der Fall einer unzulässigen verfrühten Durchsuchung führt nicht zwingend zu einem absoluten Verwertungsverbot bereits im Vorverfahren (vgl. Art. 141 Abs. 1 i.V.m. Art. 140 StPO). Die Beweiserhebung zur Aufklärung schwerer Straftaten von erheblicher Bedeutung schliesst eine Verwertung - zumindest im Untersuchungsverfahren - nicht aus (vgl. Art. 141 Abs. 2 StPO; vgl. BGE 139 IV 128 E. 1.6). Da die Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchung gegen den Beschwerdeführer wegen gewerbsmässiger Erpressung etc. führt und die Unverwertbarkeit aufgrund der konkreten Umstände nicht klar auf der Hand liegt, wird über die Frage der Verwertbarkeit der Daten-DVD die für den Endentscheid zuständige Instanz abschliessend zu befinden haben (vgl. BGE 143 IV 270 E. 7.6 mit Hinweisen). Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG liegt nicht vor.
2.
Die Beschwerde erweist sich als unzulässig und es ist auf sie deshalb nicht einzutreten.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Den angespannten finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers wird bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung getragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 4. April 2024
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Die Gerichtsschreiberin: Mango-Meier