Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_1339/2023
Urteil vom 4. April 2025
I. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
Bundesrichter Muschietti,
Bundesrichter von Felten,
Gerichtsschreiberin Vonschallen.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
unbekannten Aufenthalts,
vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter,
Beschwerdeführer,
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Rückzug der Berufung,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 6. November 2023 (SK 21 75).
Sachverhalt:
A.
Das Kantonale Wirtschaftsgericht des Kantons Bern sprach A.________ mit Urteil vom 15. Dezember 2020 vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung und des mehrfachen Erschleichens einer Falschbeurkundung frei. Hingegen erklärte es ihn des gewerbsmässigen Betrugs, der mehrfachen Urkundenfälschung sowie der mehrfachen Veruntreuung schuldig, verurteilte ihn zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 56 Monaten und traf weitere Anordnungen. A.________ erhob Berufung.
B.
Die Berufungsverhandlung vor dem Obergericht des Kantons Bern fand am 1. November 2023 in Anwesenheit der Generalstaatsanwaltschaft und des amtlichen Verteidigers von A.________ statt. Der amtliche Verteidiger reichte ein Arztzeugnis vom 30. Oktober 2023 ein, wonach sein Mandant vom 30. Oktober bis 8. November 2023 arbeitsunfähig sei, und ersuchte um dessen Dispensation von der persönlichen Verhandlungsteilnahme sowie um Fortführung der Verhandlung. Der Staatsanwalt stellte den Antrag auf Abweisung des Dispensationsgesuchs. Nach den Parteivorträgen betreffend die Folgen des Nichterscheinens von A.________ schloss das Obergericht die Berufungsverhandlung.
Das Obergericht schrieb das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 6. November 2023 als durch (konkludenten) Rückzug der Berufung erledigt ab und stellte die Rechtskraft des Urteils des Wirtschaftsgerichts fest.
C.
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der Beschluss des Obergerichts vom 6. November 2023 sei aufzuheben und die Angelegenheit zur Fortführung der Berufungsverhandlung an dieses zurückzuweisen.
Das Obergericht verzichtete auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. A.________ replizierte.
Erwägungen:
1.
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine unrechtmässige Verfahrenserledigung durch die Vorinstanz. Die Rechtsfolgen bei Säumnis einer Partei seien in Art. 407 StPO abschliessend geregelt. Die Berufung gelte nur dann als zurückgezogen, wenn die beschuldigte Person als Berufungsklägerin unentschuldigt der Verhandlung fernbleibe und sich auch nicht vertreten lasse. Er sei jedoch während des gesamten Berufungsverfahrens anwaltlich verteidigt und somit vertreten gewesen. Ebenso sei die vorinstanzliche Bezugnahme auf Art. 386 Abs. 1 StPO verfehlt, werde von der Vorinstanz doch nicht behauptet, er habe die Berufung zurückgezogen. Ohne gesetzliche Grundlage und entgegen der Rechtsprechung konstruiere die Vorinstanz aus dem Grundsatz von Treu und Glauben eine ihm obliegende Mitwirkungspflicht an der Berufungsverhandlung und infolge verweigerter Mitwirkung an dieser ein Desinteresse an der Berufung, mithin einen konkludenten Rückzug des Rechtsmittels.
1.2.
1.2.1. Wer ein Rechtsmittel ergriffen hat, kann dieses zurückziehen (Art. 386 Abs. 2 StPO). Nach der Rechtsprechung muss der Rückzug klar, ausdrücklich und unbedingt erfolgen (BGE 141 IV 269 E. 2.1; 119 V 36 E. 1b; Urteil 6B_193/2023 vom 16. August 2023 E. 2; je mit Hinweisen). Voraussetzung für einen gültigen Rechtsmittelrückzug muss folglich sein, dass der Wille hierzu eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck kommt. Die Rückzugserklärung kann auch konkludent erfolgen, wobei der Verzicht aufgrund der Umstände eindeutig zum Ausdruck kommen muss (BGE 149 IV 259 E. 2.4.1 ff.). Gestützt auf eine solche Rückzugs- bzw. Abstandserklärung erklärt die zuständige Behörde das Verfahren für erledigt, d.h. sie schreibt es (vom Protokoll) ab. Der Rückzug des Rechtsmittels ist (unter Vorbehalt von Willensmängeln gemäss Art. 386 Abs. 3 StPO) endgültig. Er beseitigt die Anfechtungswirkung des zurückgenommenen Rechtsmittels und führt zum Verzicht auf die materielle Überprüfung des Rechtsbegehrens mit der Folge, dass der Gegenstand des Rechtsmittels bildende Entscheid rechtskräftig wird. Nach dem Rückzug des Rechtsmittels und der Abschreibung des Verfahrens verhält es sich daher so, als wäre das Rechtsmittel nie erhoben worden (vgl. BGE 141 IV 269 E. 2.2.3).
1.2.2. Sowohl Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO als auch Art. 205 Abs. 4 StPO regeln die Folgen der in Art. 93 StPO allgemein umschriebenen Säumnis.
Hat die beschuldigte Person Berufung erhoben und bleibt sie der Berufungsverhandlung unentschuldigt fern und lässt sie sich (ausser in Fällen der amtlichen oder notwendigen Verteidigung) auch nicht vertreten, gilt die Berufung als zurückgezogen (Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO; Urteile 6B_1359/2023 vom 23. September 2024 E. 1.1; 6B_1293/2018 vom 14. März 2019 E. 3.3.2; 6B_876/2013 vom 6. März 2014 E. 2.4.1; je mit Hinweisen). Ist die beschuldigte Person Berufungsklägerin und erscheint zur Berufungsverhandlung die Verteidigung, nicht aber die beschuldigte Person, ist die Berufungsverhandlung ohne die säumige beschuldigte Person durchzuführen; ein Abwesenheitsverfahren gemäss den Art. 366 ff. StPO findet nicht statt (Art. 407 Abs. 2 StPO e contrario; Urteile 7B_686/2023 vom 23. September 2024 E. 3.4; 7B_409/2023 vom 19. August 2024 E. 2.2.1; 6B_671/2021 vom 26. Oktober 2022 E. 5.4).
Wer von einer Strafbehörde vorgeladen wird, hat der Vorladung Folge zu leisten (Art. 205 Abs. 1 StPO). Wer verhindert ist, einer Vorladung Folge zu leisten, hat dies der vorladenden Behörde unverzüglich mitzuteilen; er oder sie hat die Verhinderung zu begründen und soweit möglich zu belegen (Art. 205 Abs. 2 StPO). Eine Vorladung kann aus wichtigen Gründen widerrufen werden. Der Widerruf wird erst dann wirksam, wenn er der vorgeladenen Person mitgeteilt worden ist (Art. 205 Abs. 3 StPO). Wer einer Vorladung des Gerichts unentschuldigt nicht oder zu spät Folge leistet, kann mit Ordnungsbusse bestraft und überdies polizeilich vorgeführt werden (Art. 205 Abs. 4 StPO).
1.2.3. Die Folgen einer verweigerten Mitwirkung der beschuldigten Person sind in Art. 113 Abs. 2 StPO geregelt.
Zwar muss die Partei, die mit dem erstinstanzlichen Urteil nicht einverstanden ist und Berufung einlegt, ihren Standpunkt im Berufungsverfahren darlegen und sich vom Berufungsgericht dazu auch befragen lassen (vgl. BGE 149 IV 259 E. 2.4.1; 148 IV 362 E. 1.10.3). Die beschuldigte Person hat jedoch gestützt auf Art. 113 Abs. 1 StPO das Recht, die Aussage und ihre Mitwirkung im Strafverfahren zu verweigern. Mit anderen Worten steht es ihr (grundsätzlich unter Vorbehalt einer Pflicht zur Angabe der Personalien) frei, ob und wie sie sich äussern will, ob sie zu einzelnen Fragen Stellung beziehen oder ob sie auf jegliche Aussage verzichten und folglich schweigen will. Das Aussageverweigerungsrecht gewährleistet damit (nur) das Recht, ganz oder teilweise zu schweigen, ohne dass dies zu Sanktionen führt. Es schützt aber nicht davor, dass das Aussageverhalten im Rahmen der Beweiswürdigung mitberücksichtigt wird. Ungeachtet der Mitwirkung (vor allem in Form von Aussagen) der beschuldigten Person ist das Verfahren alsdann fortzuführen (Art. 113 Abs. 2 StPO), wobei es ausschliesslich in den vom Gesetz, also der StPO, vorgesehenen Formen durchgeführt und abgeschlossen werden kann (vgl. Art. 2 Abs. 2 StPO; Urteil 6B_193/2023 vom 16. August 2023 E. 5.3 mit Hinweisen).
1.3. Die Vorinstanz geht von einem konkludenten Rückzug der Beschwerde nach Art. 386 Abs. 2 StPO aus. Sie kommt zum Schluss, die Durchführung eines schriftlichen Verfahrens sei aufgrund von Art. 406 Abs. 1 StPO ausgeschlossen, da die persönliche Stellungnahme des Beschwerdeführers von zentraler Bedeutung sei. Sämtliche Versuche, ihn zu befragen, seien jedoch aufgrund seiner Flucht ins Ausland gescheitert. Er sei wiederholt auf die möglichen Folgen eines Nichterscheinens hingewiesen worden. Trotz Kenntnis der Vorladung (en), der Anwesenheitspflicht und insbesondere der möglichen Folgen einer Säumnis sei er auch der Berufungsverhandlung fern geblieben. Das zu Beginn der Verhandlung eingereichte Arztzeugnis vom 30. Oktober 2023 attestiere zwar eine Arbeitsunfähigkeit, damit sei jedoch eine Verhandlungs- oder Transportunfähigkeit weder glaubhaft begründet noch belegt. Der Beschwerdeführer habe bis heute keine Bereitschaft gezeigt, das von ihm mit Berufung angestrebte Ziel im Einklang mit dem Strafprozessrecht zu erreichen. Zunächst ein Rechtsmittel einzulegen, dann - trotz gewährten freien Geleits - nicht an den dadurch ausgelösten Verfahrensschritten teilzunehmen, stelle ein widersprüchliches Verhalten dar, das rechtsmissbräuchlich sei und keinen umfassenden Rechtsschutz verdiene. Aus seinem Verhalten gehe unmissverständlich hervor, dass er an einer rechtskonformen Mitwirkung im Berufungsverfahren nicht interessiert sei. Durch diese Obstruktion habe er sein Desinteresse an einem strafprozesskonformen Verfahren zum Ausdruck gebracht. Sein gesamtes Verhalten lasse damit unzweideutig auf einen konkludenten Verzicht auf die Überprüfung des Urteils durch das Berufungsgericht in materieller Hinsicht schliessen. Damit falle auch die Anschlussberufung der Generalstaatsanwaltschaft dahin und das Verfahren werde als durch Rückzug der Berufung erledigt abgeschrieben (vgl. angefochtener Beschluss E. II.6-7 S. 10 ff.).
1.4. Die Vorladung zur Berufungsverhandlung auf den 1. November 2023 wurde dem sich im Ausland aufhaltenden Beschwerdeführer - entsprechend den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (vgl. Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG ) - rechtsgültig an die von ihm bezeichnete Adresse in der Schweiz zugestellt (vgl. Art. 87 Abs. 2 und 4 StPO ). Unter Geltendmachung eines krankheitsbedingten Abwesenheitsgrundes nahm der Beschwerdeführer nicht an der Berufungsverhandlung teil, liess sich jedoch durch seinen amtlichen Verteidiger vertreten. Dieser stellte nach Hinterlegung eines Arztzeugnisses vom 30. Oktober 2023 den Antrag auf Dispensation des Beschwerdeführers von der persönlichen Teilnahme und auf Durchführung der Berufungsverhandlung (vgl. angefochtener Beschluss E. I.4.2 f. S. 6 ff.).
1.5. Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer vor, unentschuldigt der Berufungsverhandlung ferngeblieben zu sein und schliesst aus diesem Verhalten auf ein Desinteresse am Verfahrensgang und auf einen konkludenten Rückzug der Berufung. Dies greift zu kurz.
Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich von jenem in BGE 148 IV 362, auf welches Urteil die Vorinstanz Bezug nimmt. Das Urteil betrifft die Konstellation, in welcher der beschuldigten Person die Vorladung zur Berufungsverhandlung mangels Bekanntgabe des (ausländischen) Aufenthaltsorts und Bezeichnung eines Zustelldomizils in der Schweiz nicht hat zugestellt werden können. Bei Unmöglichkeit der Zustellung der Vorladung an die berufungserklärende Partei sieht Art. 407 Abs. 1 lit. c StPO die Rückzugsfiktion ausdrücklich vor. Daraus lässt sich dagegen nicht ableiten, dass trotz rechtsgültig zugestellter Vorladung zur Berufungsverhandlung bei Säumnis nur der beschuldigten Person ein fehlendes Interesse fingiert werden kann, mithin die Berufung als zurückgezogen gilt. Dieser Schluss lässt sich auch nicht aus dem von der Vorinstanz weiter zitierten BGE 149 IV 259 herleiten. In diesem Fall war die beschuldigte Person für den Verteidiger seit der erstinstanzlichen Hauptverhandlung weder telefonisch noch per E-Mail erreichbar. Die beschuldigte Person habe zwar noch persönlich an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung teilgenommen und nach der mündlichen Eröffnung des Entscheids durch den Verteidiger Berufung anmelden lassen, seither sei ihr Aufenthaltsort jedoch unbekannt und sie könne nicht mehr kontaktiert werden. Die damalige Vorinstanz durfte infolge Kontaktabbruchs willkürfrei eine gegen Treu und Glauben verstossende Verweigerung der Mitwirkung am Berufungsverfahren, mithin ein konkludent bekundetes Desinteresse am Rechtsmittelverfahren annehmen. Beiden Fällen gemeinsam ist, dass die beschuldigte Person nach der Berufungsanmeldung für das Gericht bzw. den Verteidiger nicht mehr erreichbar war.
Diese Konstellationen sind nicht vergleichbar mit der vorliegend zu beurteilenden Situation. Die Vorinstanz konnte die Vorladung dem Beschwerdeführer rechtsgültig zustellen. Dieser stand in Kontakt mit seinem Verteidiger und liess sich durch diesen auch an der Berufungsverhandlung vertreten. Unter Vorlegung eines Arztzeugnisses ersuchte der Verteidiger um Dispensation des Beschwerdeführers von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung und stellte gleichzeitig den Antrag auf Durchführung der Berufungsverhandlung. Vorliegend nimmt die Vorinstanz zumindest implizit an, dass der Beschwerdeführer unentschuldigt der Berufungsverhandlung fernblieb. Eine Verhandlungsunfähigkeit gestützt auf das hinterlegte Arztzeugnis vom 30. Oktober 2023 verneinte sie. Diese Feststellung blieb durch den Beschwerdeführer unangefochten. Dies ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass die Strafprozessordnung keine Rückzugsfiktion vorsieht, wenn der vertretene Berufungsführer unentschuldigt säumig geht. Demzufolge vermag die Säumnis des Beschwerdeführers, mithin seine Weigerung persönlich an der Berufungsverhandlung teilzunehmen und mitzuwirken, keinen konkludenten Rückzug der Berufung zu begründen (Urteil 6B_193/2023 vom 16. August 2023 E. 5.3; je mit Hinweisen; s.a. Urteil des EGMR
Sejdovic gegen Italien vom 1. März 2006, Nr. 56581/00, § 91 ff.). Die Verweigerung der Mitwirkung an der Berufungsverhandlung durch Nichtfolgeleisten einer Vorladung kann nach Art. 205 Abs. 4 StPO einzig mit einer Ordnungsbusse oder einer polizeilichen Vorführung geahndet werden.
1.6. Die Beschwerdegegnerin stützt die Rückzugsfiktion durch die Vorinstanz mit dem Argument, diese habe den Beschwerdeführer mit Vorladung vom 16. Dezember 2022 mit Verweis auf Ziff. 4 der Verfügung vom 11. Oktober 2022 hingewiesen, dass sich das Gericht im Falle seines Nichterscheinens vorbehalte, dessen Verhalten als Desinteresse an der von ihm eingelegten Berufung zu interpretieren. Die gesetzliche Grundlage dafür sei in Art. 405 Abs. 1 i.V.m. Art. 336 Abs. 1 StPO gegeben. Dabei verkennt die Beschwerdegegnerin, dass die Folgen einer verweigerten Mitwirkung an der Berufungsverhandlung sowie einer Säumnis gesetzlich abschliessend geregelt sind. Die Berufung gilt gemäss Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO nur dann als zurückgezogen, wenn die beschuldigte Person der Berufungsverhandlung unentschuldigt fernbleibt und der Verteidiger zur Berufungsverhandlung nicht antritt und nicht bereit ist zu plädieren. Eine Verwirkung des Rechtsmittels ist nur bei einem sogenannten "Totalversäumnis", d.h. bei einem unentschuldigten Fernbleiben sowohl der beschuldigten Person als auch des Verteidigers von Gesetzes wegen vorgesehen (BGE 133 I 12 E. 8.1; Urteile 6B_1359/2023 vom 23. September 2024 E. 1.1; 6B_876/2013 vom 6. März 2014 E. 2.3.1; je mit Hinweisen).
1.7. Soweit der Beschwerdeführer sowohl für die Strafverfolgungsbehörden als auch für seinen Rechtsanwalt erreichbar blieb, kann eine darüber hinaus verweigerte Mitwirkung nicht gegen Treu und Glauben verstossen. Der Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV ; Art.3 Abs. 2 lit. a StPO) gebietet ein loyales und vertrauenswürdiges Verhalten. Er verpflichtet als Grundsatz des Strafverfahrensrechts und als verfassungsrechtliches Gebot rechtsstaatlichen Handelns sowohl Behörden als auch Parteien (BGE 146 IV 297 E. 2.2.6). Ein solcher Verstoss läge nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die beschwerdeführende Partei nicht dafür besorgt ist, dass ihr das Verfahren betreffende, behördliche Akten - wie Vorladungen - zugestellt werden können (vgl. BGE 148 IV 362 E. 1.10.3; Urteil 6B_826/2023 vom 26. Oktober 2023 E. 2.2 mit Hinweisen). Dies war vorliegend nicht der Fall.
1.8. Die Rüge des Beschwerdeführers ist damit begründet. Die Vorinstanz verletzt Bundesrecht, indem sie wegen des Fernbleibens des Beschwerdeführers von der Berufungsverhandlung einen konkludenten Rückzug der Berufung annimmt und das Verfahren abschreibt. Entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen kann kein gültiger Verzicht des Beschwerdeführers auf die Berufung gegen das Urteil des Kantonalen Wirtschaftsgerichts vom 15. Dezember 2022 angenommen werden.
2.
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache zur Durchführung der Berufungsverhandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Bern hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 6. November 2023 wird aufgehoben und die Sache zur Fortführung des Berufungsverfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Bern hat A.________ für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 4. April 2025
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
Die Gerichtsschreiberin: Vonschallen