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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_615/2018  
 
 
Urteil vom 4. Juli 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Julian Burkhalter, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Departement des Innern des Kantons Solothurn, Ambassadorenhof, 4500 Solothurn, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Disziplinarmassnahme; unentgeltliche Rechtspflege, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 4. Mai 2018 (VWBES.2018.90). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
X.________ (Beschwerdeführer; Jg. 1989) befindet sich seit dem 9. Januar 2018 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Solothurn. 
 
1.1. Das Amt für Justizvollzug bestrafte ihn mit Disziplinarverfügung vom 6. Februar 2018 wegen eines Verstosses gegen die Hausordnung am 4. Februar 2018 um 03.30 Uhr mit 6 Tagen Arrest, zu vollziehen vom 6. bis 12. Februar 2018. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung entzogen.  
Der Beschwerdeführer verlangte um 03.30 Uhr Reservemedikamente. Das Angebot der diensthabenden Sicherheitsmitarbeiterin lehnte er ab. Er verlangte nach einem Mitarbeiter von der Zentrale. Weil dieser ihm an der Sprechanlage blöde Antworten gegeben und ihn ausgelacht habe, werde er ihn umbringen, und wenn es das Letzte in seinem Leben sei. Ein Mord mehr oder weniger spiele ihm jetzt auch keine Rolle mehr. Überhaupt seien sie sowieso alles Lügner und schuld an seiner ganzen Situation. 
Am 6. Februar 2018 wurde er um 13.25 Uhr anlässlich der Gehörsgewährung mit dem Rapport konfrontiert. Er rechtfertigte seine Äusserungen mit dem, was ihm der Mitarbeiter von der Zentrale gesagt habe. Die Ankündigung weiterer 6 Tage Arrest werde er sich nicht gefallen lassen. Er weigerte sich, das Papier zum rechtlichen Gehör zu lesen und zu unterzeichnen. 
In der Verfügung wird erwogen, er habe damit gegen § 54 Abs. 2 lit. b der Hausordnung vertossen (HO JVA; BGS 331.16). Er sei bereits wegen massiver Beschimpfung des Gesundheitsdienstes sanktioniert worden (vgl. paralleles Urteil 6B_614/2018 heutigen Datums). Noch während dieser Sanktion habe er die Morddrohung ausgestossen. Ihm sei klar gestellt worden, dass dies in keiner Weise toleriert werde. Er lasse jegliche Einsicht bezüglich seines respektlosen und fremdaggressiven Verhaltens vermissen. Der Verstoss könne gemäss § 33 des Gesetzes über den Justizvollzug (JUVG; BGS 331.11) und § 54 HO JVA disziplinarisch sanktioniert werden. 
In Anbetracht der physischen Beeinträchtigung durch Multiple Sklerose werde die Arreststrafe in der IV-Zelle Nr. 1 vollzogen. Es gelte das Arrestregime unter Aufsicht des Sicherheitsdienstes. Ein (Interventions-) Programm sei ihm abgegeben worden. 
 
1.2. Der Beschwerdeführer erhob am 16. Februar 2018 Beschwerde beim Departement des Innern. Dieses wies mit verfahrensleitender Verfügung vom 21. Februar 2018 das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit ab und verlangte einen Kostenvorschuss von Fr. 300.-- unter Androhung des Nichteintretens bei Nichtbezahlung.  
Der Beschwerdeführer führte Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Dieses sah mit Präsidialverfügung vom 7. März 2018 vorläufig von der Kostenvorschusspflicht ab. Es wies Beschwerde und Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege am 4. Mai 2018 ab und erhob keine Kosten. 
Es begründete, Zwischenentscheide, mit denen zwecks Sicherstellung der mutmasslichen Gerichtskosten ein Kostenvorschuss verlangt werde, könnten einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken, weshalb die Beschwerde offen stehe, wenn die Zahlungsaufforderung mit der Androhung verbunden werde, dass im Säumnisfall auf das Rechtsmittel nicht eingetreten werde (Urteil 2C_692/2012 vom 10. Februar 2013 E. 1.4.2). Die unentgeltliche Rechtspflege könne gemäss § 39ter i.V.m. § 76 Abs. 1 VRG/SO gewährt werden, wenn eine Partei mittellos und der Prozess nicht aussichtslos oder mutwillig erscheine; wenn dies zur Wahrung der Rechte notwendig sei, könne die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands verlangt werden. 
Der Beschwerdeführer habe sich zur beabsichtigten Arreststrafe äussern können. Der Rechtsvertreter moniere sinngemäss, angesichts der schweren psychischen Störung und der Multiplen Sklerose sei eine Disziplinierung grundsätzlich nicht zulässig und wenn doch, müsste sie medizinisch indiziert, begleitet und therapeutisch begründet werden; der Beschwerdeführer sei schuldunfähig. Der Vorfall werde aber nicht in Frage gestellt. Die gesundheitlichen Problem beschlügen allenfalls die Hafterstehungsfähigkeit, welche nicht Gegenstand der Verfügung sei. Der Schuldfähigkeit komme bei Disziplinarverstössen regelmässig keine Bedeutung zu. Die Beschwerde erscheine bei summarischer Prüfung als aussichtslos. 
 
1.3. Der Beschwerdeführer beantragt mit Beschwerde in Strafsachen:  
(1.) das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und wie folgt zu ändern: (1.1) das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege vor dem Departement gutzuheissen und den Schreibenden als unentgeltlichen Rechtsanwalt beizuordnen, (1.2) ihm für das verwaltungsgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- auszurichten, (2) eventualiter für das verwaltungsgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, unter Verbeiständung durch den Unterzeichneten, (3) subeventualiter das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Begründung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen, (4) die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, unter Verbeiständung durch den Unterzeichneten, (5) alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
 
2.  
Der angefochtene Entscheid ist kein das Verfahren abschliessender Endentscheid (Art. 90 BGG), sondern ein kantonal letztinstanzlicher Zwischenentscheid in Strafsachen im Sinne von Art. 93 BGG
Zwischenentscheide, mit welchen die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wird, haben in der Regel einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zur Folge (Urteile 6B_964/2017 vom 17. April 2018 E. 3.2 und 1B_9/2018 vom 29. Januar 2018 E. 1.2). 
Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern die Voraussetzungen für eine selbstständige Anfechtung des Zwischenentscheids erfüllt sein sollten. Mangels Begründung ist auf die Beschwerde insoweit nicht einzutreten (vgl. Urteil 6B_213/2018 vom 7. März 2018 E. 2). 
 
3.  
In der Beschwerde wird geltend gemacht, die vorliegende Disziplinierung müsste zwingend vom Direktor angeordnet werden. Die Verfügung des Amts für Justizvollzug bezeichnet den Direktor als Verfügenden und ist in Vertretung (i.V.) vom Vollzugsleiter Systemführung unterschrieben. Der Beschwerdeführer bestritt bei der Anhörung nicht den Mordvorwurf, sondern rechtfertigte ihn (oben E. 1.1). Zur Begründung der Arreststrafe bedurfte es keiner weiterer Ausführungen (Urteil 6B_453/2018 vom 4. Juni 2018 E. 2.8). Der Aktenführungspflicht ist angesichts des schmalen Dossiers Genüge getan. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs lässt sich den Akten entnehmen (oben E. 1.1). Soweit der Rechtsvertreter behauptet, der Ereignisbericht sei ihm nie zugänglich gemacht worden, legt er nicht dar, dass ihm eine Akteneinsicht verweigert worden wäre. 
Morddrohungen sind nicht zu tolerieren. Der Krankheit wurde mit der Modalität des Arrestvollzugs Rechnung getragen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer nicht fähig gewesen wäre, vernunftgemäss zu handeln (Art. 16 ZGB), oder das Unrecht seiner Drohung einzusehen und gemäss dieser Einsicht zu handeln (Art. 19 Abs. 1 StGB). Es wird sich daher kaum mit Erfolg bestreiten lassen, dass er die Morddrohung schuldhaft ausgestossen hatte. Auch bei schwerer Erkrankung und narzisstischer Persönlichkeitsstörung ist erfahrungsgemäss davon auszugehen, dass der Betroffene fähig ist, "adäquat zu antworten" (Beschwerde S. 9, Ziff. 3.6), d.h. ohne anderen mit Ermordung zu drohen. Auch eine Disziplinarstrafe im Rahmen des bestehenden massnahmenrechtlichen Freiheitsentzugs hat verhältnismässig zu sein. Der Beschwerdeführer liess sich durch den laufenden Vollzug einer (milderen) Disziplinarsanktion nicht beeindrucken (vgl. paralleles Urteil 6B_614/2018 heutigen Datums). Angesichts der massgebenden Umstände musste sich die Vorinstanz mit dem Vorwurf, die Disziplinierung verstosse gegen Art. 3 EMRK, nicht auseinandersetzen (Urteil 6B_453/2018 vom 4. Juni 2018 E. 2.8). Wie in der Beschwerde erklärt wird, ist dies "bei weitem nicht die erste Disziplinierung" (Beschwerde S. 10, Ziff. 3.9). Der Beschwerdeführer verstiess erneut gegen elementare Regeln einer jeden Hausordnung. Er verhält sich offenbar bewusst renitent. Die Vorbringen erweisen sich als appellatorisch. 
 
4.  
Der Rechtsvertreter argumentiert, der Beschwerdeführer sei mittellos und die Beschwerde sei nicht aussichtslos. Wie er vorträgt, hat die bedürftige Partei Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung, wenn ihre Interessen in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bereitet, die den Beizug eines Rechtsanwalts erforderlich machen. Diese Bedingung erscheint nicht als erfüllt. Die Disziplinierung war nachvollziehbar. 
Die Vorinstanz beurteilt die unentgeltliche Rechtspflege nach dem kantonalen Recht. Dessen Anwendung prüft das Bundesgericht unter Willkürgesichtspunkten. Eine willkürliche Anwendung ist nicht dargetan (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Entscheid genügt der verfassungsrechtlichen Gewährleistung. Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat gemäss Art. 29 Abs. 3 BV Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, "wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint". Nach der Rechtsprechung sind Begehren als aussichtslos anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (BGE 142 III 138 E. 5.1 S. 139 f.). Der aus Art. 29 Abs. 3 BV abgeleitete Anspruch kann sich nur auf die (einstweilige) Befreiung von Kosten beziehen, welche den Zugang zum Verfahren beschränken oder erschweren. Dazu zählt in erster Linie die Verpflichtung zur Leistung von Kostenvorschüssen oder anderen Sicherheitsleistungen, die vom Gesetz im Hinblick auf die weitere Durchführung des Verfahrens vorgesehen sind (Urteil 6B_923/2017 vom 27. Februar 2018 E. 2.4.2). 
Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht (Art. 95 BGG), indem sie die Beschwerde in summarischer Prüfung als aussichtslos bezeichnet. Auf das parallele Urteil 6B_614/2018 heutigen Datums ist zu verweisen. 
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit des Rechsbegehrens abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Praxisgemäss sind die Gerichtskosten herabzusetzen (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. Juli 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Briw