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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_355/2007 /fco 
 
Urteil vom 4. September 2007 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari, 
Gerichtsschreiber Stohner. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, 
Archivgasse 1, 6430 Schwyz. 
 
Gegenstand 
Veruntreuung, 
 
Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil 
des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz, 
Strafkammer, vom 24. April 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ tätigte als Verwalter einer Stockwerkeigentümergemeinschaft mit Einzelunterschrift zwischen dem 24. Juli 2001 und dem 27. Februar 2002 in Überschreitung einer internen Vereinbarung vom Postkonto der Gemeinschaft diverse Barbezüge. Der Schaden der Stockwerkeigentümerschaft beläuft sich auf Fr. 6'580.25. 
B. 
Das Kantonsgericht Schwyz, Strafkammer, befand X.________ am 24. April 2007 zweitinstanzlich im Abwesenheitsverfahren der Veruntreuung im Sinne von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB für schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 30.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. 
C. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen insbesondere mit den Anträgen, das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz, Strafkammer, vom 24. April 2007 sei aufzuheben, und er sei freizusprechen. Des Weiteren ersucht er sinngemäss um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Beschwerde S. 2, Ziff. I). 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Die Beschwerde in Strafsachen ist zulässig, soweit sie sich gegen einen von einer letzten kantonalen Instanz (Art. 80 BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 und 95 BGG) in Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG) richtet. 
 
Alle kantonalen Rechtsmittel, die eine freie Überprüfung des Bundesrechts ermöglichen, sind zu erschöpfen. Wer im Abwesenheitsverfahren verurteilt wurde, kann eine Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht nicht erheben, wenn er nicht vorher ein zulässiges Wiederaufnahmebegehren gestellt und eine Verurteilung im gewöhnlichen Verfahren verlangt hat. Wenn der Verurteilte dieses Gesuch nicht oder nicht rechtzeitig stellt, erschöpft er den kantonalen Instanzenzug nicht. Das Kontumazialurteil ist in diesem Falle mit der Beschwerde in Strafsachen nicht anfechtbar. Das Abwesenheitsurteil ist nur letztinstanzlich, wenn das kantonale Recht die Durchführung des ordentlichen Verfahrens vom Nachweis abhängig macht, dass der Verurteilte unverschuldet der ersten Gerichtsverhandlung ferngeblieben ist und wenn er diesen Nachweis nicht erbringen kann (vgl. hierzu BGE 121 IV 340; 80 IV 137 mit weiteren Hinweisen). 
1.2 Der Beschwerdeführer ersuchte im vorinstanzlichen Verfahren um Dispensation von der Teilnahme an der Hauptverhandlung, da er an diesem Datum im Ausland weile. Die Vorinstanz lehnte dieses Dispensationsgesuch am 30. März 2007 ab (vorinstanzliche Akten act. 15). Der Beschwerdeführer ist in der Folge der Berufungsverhandlung vom 24. April 2007 ferngeblieben. 
 
Gestützt auf § 85 Abs. 2 StPO/SZ kann der in Abwesenheit Verurteilte innert zehn Tagen seit Kenntnis des Urteils beim urteilenden Gericht schriftlich die Aufhebung verlangen, wenn er unverschuldet davon abgehalten wurde, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Der Beschwerdeführer hat kein solches Gesuch eingereicht, er hätte jedoch den Nachweis unverschuldeten Fernbleibens mutmasslich auch nicht erbringen können. Die Beschwerde in Strafsachen ist deshalb grundsätzlich zulässig. 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer rügt in formeller Hinsicht vorab, ihm sei das angefochtene Urteil nicht in rechtlich zulässiger Form eröffnet worden. Die Urteilsbegründung sei fälschlicherweise seinem amtlichen Verteidiger zugestellt worden, obwohl dieser sein Mandat bereits am 26. April 2007 für beendet erklärt habe (Beschwerde S. 2 f., Ziff. II). 
 
Gemäss Art. 49 BGG dürfen den Parteien aus mangelhafter Eröffnung keine Nachteile erwachsen. Diesem Grundsatz ist Genüge getan, wenn eine objektiv mangelhafte Eröffnung trotz ihres Mangels ihren Zweck erreicht hat (vgl. hierzu BGE 122 V 189 E. 2; Urteil des Bundesgerichts 2A.162/2005 vom 10. Januar 2006, E. 3.4). 
 
Der Beschwerdeführer hat unbestrittenermassen fristgerecht Beschwerde in Strafsachen erhoben und ist demzufolge durch den gerügten Eröffnungsmangel nicht benachteiligt worden. 
2.2 Der Beschwerdeführer macht des Weiteren eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs geltend (Beschwerde S. 5, Ziff. III). 
 
Der in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst den Anspruch der Parteien, mit rechtzeitig und formgültig angebotenen Beweisanträgen und Vorbringen gehört zu werden, soweit diese erhebliche Tatsachen betreffen und nicht offensichtlich beweisuntauglich sind (BGE 129 II 396 E. 2.1; 120 Ib 379 E. 3b, je mit Hinweisen). 
 
Die Vorinstanz hat sämtliche für den Entscheid wesentlichen Beweismittel gewürdigt und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Einreichung weiterer Beweise eingeräumt. Keine Gehörsverletzung liegt schliesslich im Umstand begründet, dass die Vorinstanz dem Dispensationsgesuch des Beschwerdeführers mangels hinreichender Begründung nicht entsprochen hat (vorinstanzliche Akten act. 15; vgl. auch E. 1.2 hiervor). 
2.3 Der Beschwerdeführer rügt ferner sinngemäss eine Verletzung des Beschleunigungsgebots, da das Verfahren zwischen Juni 2002 und Juli 2003 verschleppt worden sei (Beschwerde S. 8, Ziff. VI). 
 
Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verpflichten die Behörden, das Strafverfahren ohne Verzögerung durchzuführen, um die angeschuldigte Person nicht länger als nötig den damit verbundenen Belastungen auszusetzen. Die noch angemessene Verfahrensdauer bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind. Dabei sind insbesondere die Komplexität des Falls, das Verhalten der beschuldigten Person, die Behandlung des Falls durch die Behörden und die Bedeutung desselben für die beschuldigte Person zu berücksichtigen (BGE 124 I 139 E. 2c). Gegenstand der Prüfung ist grundsätzlich das gesamte Verfahren von der Einleitung der Strafverfolgung bis zum letzten Entscheid in der Sache unter Einschluss gewisser Rechtsmittelverfahren. 
 
Die Mitglieder der Stockwerkeigentümergemeinschaft erstatteten in casu am 2. April 2002 Strafanzeige. Das erstinstanzliche Urteil erging am 29. September 2006, das Berufungsurteil wurde am 24. April 2007 gefällt. Diese Verfahrensdauer ist gesamthaft betrachtet namentlich in Anbetracht der Vielzahl der vom Beschwerdeführer eingereichten Anträge nicht als übermässig lang zu qualifizieren. 
 
Die Beschwerde ist damit auch insoweit abzuweisen. 
3. 
3.1 In materieller Hinsicht bestreitet der Beschwerdeführer den subjektiven Tatbestand von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Er sei von der Zulässigkeit der Verrechnung der getätigten Barbezüge mit ihm für den Verkauf einzelner Stockwerkeigentumswohnungen geschuldeten Provisionen ausgegangen. Dementsprechend habe er nicht mit der Absicht unrechtmässiger Bereicherung gehandelt (Beschwerde S. 5 ff., Ziff. IV). 
3.2 Gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB wird wegen Veruntreuung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet. Die tatbestandsmässige Handlung besteht bei der Veruntreuung von Vermögenswerten in einem Verhalten, durch welches der Täter eindeutig seinen Willen bekundet, den obligatorischen Anspruch des Treugebers zu vereiteln (BGE 133 IV 21 E. 6.1.1 mit Hinweisen). 
 
Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz und ein Handeln in unrechtmässiger Bereicherungsabsicht (BGE 129 IV 257 E. 2.2.1). Als Bereicherung gilt jede wirtschaftliche Besserstellung, auf die ihr Empfänger keinen Rechtsanspruch besitzt (BGE 114 IV 133 E. 2b; Jörg Rehberg/Niklaus Schmid/Andreas Donatsch, Strafrecht III - Delikte gegen den Einzelnen, 8. Aufl., Zürich 2003, S. 89). Unrechtmässig ist die Bereicherung, wenn die Vermögensverschiebung vom Recht missbilligt wird (Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, N. 14 vor Art. 137 StGB). 
 
Nach der Rechtsprechung bereichert sich unrechtmässig, wer die Vermögenswerte, die er dem Berechtigten jederzeit zur Verfügung zu halten hat, in seinem Nutzen verwendet, ohne fähig und gewillt zu sein, sie jederzeit sofort zu ersetzen (BGE 133 IV 21 E. 6.1.2). In der Regel ist mit der Aneignung auch eine Bereicherung verbunden. Die Absicht, sich unrechtmässig zu bereichern, kann jedoch entfallen, wenn sich der Täter für eine fällige Forderung Befriedigung verschafft, oder wenn er sich auf Verrechnung berufen will und davon überzeugt ist, dass seine eigene Forderung verrechnet werden darf. Was die Absicht unrechtmässiger Bereicherung in diesem Fall ausschliesst, ist nicht das objektive Bestehen einer Forderung. Es kommt daher nicht darauf an, ob und wann ein Täter eine allfällige Verrechnungserklärung abgegeben hat, und ob eine solche Erklärung objektiv zulässig war oder nicht. Entscheidend ist einzig seine Absicht im Moment der Aneignung, d.h. ob die eigene Forderung in der Vorstellung des Täters bestand (Urteil des Bundesgerichts 6S.96/2003 vom 4. August 2003, E. 1.6, publ. in: Pra 2004 Nr. 47 S. 239; Peter Noll, Der Einfluss von Kompensation und Retention bei den Delikten gegen das Eigentum, ZStrR 71/1956, S. 165 f.; vgl. auch Marcel Alexander Niggli/Christof Riedo, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, N. 76 vor Art. 137 StGB). 
3.3 In casu ist der objektive Tatbestand der Veruntreuung erfüllt: Der Beschwerdeführer konnte aufgrund der ihm eingeräumten Einzelunterschrift über das Postkonto der Stockwerkeigentümergemeinschaft verfügen. Er hob mehrmals Geld ab, welches er statt zur gemeinschaftlichen Verwaltung für den eigenen Lebensunterhalt verwendete. 
 
Die Stockwerkeigentümergemeinschaft ist zwar keine juristische Person, ihr kommt jedoch eine beschränkte Handlungs- und Prozessfähigkeit zu (Art. 712l Abs. 2 ZGB; 125 II 348 E. 2; Heinz Rey, Schweizerisches Stockwerkeigentum, 2. Aufl., Zürich 2001, N. 352; Amédéo Wermelinger, Das Stockwerkeigentum, Zürich 2004, Art. 712m ZGB N. 227). Vorliegend ist erstellt, dass die vom Beschwerdeführer für seine Mäklerleistungen geltend gemachten Provisionsansprüche sich gegen einzelne Stockwerkeigentümer, nicht aber gegen die Gemeinschaft als solche richten. Zur Verrechnung fehlt es objektiv mithin am Merkmal der Gegenseitigkeit der Forderungen. 
3.4 In subjektiver Hinsicht ist entscheidend, ob der Beschwerdeführer tatsächlich fälschlicherweise von der Zulässigkeit der Verrechnung ausging, so dass es an der Absicht unrechtmässiger Bereicherung mangeln würde. 
3.4.1 Gegen diese Annahme spricht vorab, dass der Beschwerdeführer sich für seine umstrittene Provisionsforderung nicht durch einen einzigen Bezug bezahlt machte, sondern sukzessive unterschiedlich hohe Barbeträge abhob, ohne deren Verwendung zu eigenen Zwecken offen zu legen. Erst als die Stockwerkeigentümergemeinschaft die privaten Bezüge aufdeckte, berief sich der Beschwerdeführer auf Verrechnung. 
3.4.2 Die angeblich nicht erfüllten Provisionsansprüche betreffen den vom Beschwerdeführer vermittelten Verkauf einer Wohnung durch die Gebrüder Y.________ - die zu diesem Zeitpunkt einzigen Mitglieder der Stockwerkeigentümergemeinschaft - an das Ehepaar Z.________. Der Beschwerdeführer begründete vor dem Verhöramt des Kantons Schwyz seinen angeblichen Verrechnungsanspruch damit, dass er von den Herren Y.________ ein mündliches Verkaufsmandat erteilt bekommen habe. Diese beiden hafteten deshalb solidarisch für seinen Provisionsanspruch. Des Weiteren hätten die Ehegatten Z.________ den grundbuchamtlich verbrieften Provisionsanspruch nicht gänzlich abgegolten. Sein Verrechnungsanspruch richte sich somit gegen alle Stockwerkeigentümer mit Ausnahme seiner Ehefrau (angefochtenes Urteil S. 8, mit Hinweis auf die vorinstanzlichen Akten act. 5.02 S. 4). 
Diese schriftlich festgehaltenen Ausführungen des Beschwerdeführers belegen, dass er zum Zeitpunkt der von ihm getätigten Postkontobezüge der Auffassung war, nicht die Stockwerkeigentümergemeinschaft, sondern die auftraggebenden Gebrüder Y.________ respektive das beim Wohnungsverkauf die Provisionsschuld übernehmende Ehepaar Z.________ hafteten ihm für seinen Provisionsanspruch. Damit aber ist gleichzeitig erstellt, dass der Beschwerdeführer nicht irrtümlicherweise von einem ihm gegenüber der Stockwerkeigentümergemeinschaft zustehenden Verrechnungsanspruch ausging. 
3.5 Vor diesem Hintergrund hat die Vorinstanz den objektiven und subjektiven Tatbestand der Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zu Recht bejaht. 
 
Die Beschwerde ist damit auch in diesem Punkt abzuweisen. Ein Eingehen auf das Begehren des Beschwerdeführers um Wiedergutmachung erübrigt sich (vgl. Beschwerde S. 8, Ziff. V). 
4. 
Die Beschwerde ist folglich vollumfänglich abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. Das Gesuch um amtliche Verteidigung wird als Ersuchen um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege entgegengenommen. Da das Rechtsmittel von vornherein aussichtslos war, kann dem Gesuch nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr ist seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'600.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 4. September 2007 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: