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[AZA 7] 
C 462/99 Vr 
 
IV. Kammer 
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; 
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold 
 
Urteil vom 4. Dezember 2000 
 
in Sachen 
 
M.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Ruedi Bollag, Im Lindenhof, Arbon, 
 
gegen 
 
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Abteilung Arbeitslosenkasse, Zürcherstrasse 285, Frauenfeld, Beschwerdegegner, 
 
und 
 
Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung, Eschlikon 
 
A.- Die M.________ AG erstattete am 5. Februar 1999 dem Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (heute Amt für Wirtschaft und Arbeit; nachfolgend: AWA) des Kantons Thurgau Meldung über wetterbedingten Arbeitsausfall im Januar 1999. Auf Nachfrage hin teilte die M.________ AG dem AWA mit, dass die Arbeiten nach Aufwand ausgeführt würden (Schreiben vom 19. Februar 1999), der Ausfall 125 Manntage betrage (Schreiben vom 3. März 1999) bzw. für die betroffene Baustelle mit 8 Mann 12 Tage gearbeitet worden sei (Schreiben vom 25. Mai 1999). Das AWA erhob keinen Einspruch gegen die Ausrichtung von Schlechtwetterentschädigung (Verfügung vom 1. Juni 1999). Am 10. Juni 1999 (Poststempel) reichte die M.________ AG beim AWA den Antrag auf Schlechtwetterentschädigung ein. Mit Verfügung vom 7. Juli 1999 lehnte die Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau (nachfolgend: Arbeitslosenkasse) den Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung infolge verspäteter Geltendmachung ab. 
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung mit Entscheid vom 21. Oktober 1999 ab. 
 
C.- Die M.________ AG lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sowie die Ausrichtung von Schlechtwetterentschädigung in der Höhe von Fr. 19'330. 55, eventualiter die Wiederherstellung der Frist zur Einreichung des Antrags auf Schlechtwetterentschädigung beantragen. 
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft lässt sich nicht vernehmen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Der Arbeitgeber hat den Anspruch seiner Arbeitnehmer auf Schlechtwetterentschädigung innert dreier Monate nach Ablauf jener Rechnungsperiode gesamthaft für den Betrieb oder die Arbeitsstelle bei der von ihm bezeichneten Arbeitslosenkasse geltend zu machen (Art. 47 Abs. 1 AVIG). Es handelt sich dabei um eine Verwirkungsfrist (BGE 117 V 246 Erw. 3b, 114 V 123 Erw. 3a, je mit Hinweisen), welche unabhängig davon, ob die kantonale Amtsstelle ihre Verfügung über den Einspruch (Art. 48 Abs. 2 AVIG) gegen die Rechtzeitigkeit oder die Anrechenbarkeit der gemeldeten Arbeitsausfälle getroffen hat, mit dem ersten Tag nach Ablauf der jeweiligen Abrechnungsperiode beginnt (Art. 68 in Verbindung mit Art. 70 AVIV; BGE 119 V 370; vgl. BGE 124 V 75). Der Arbeitgeber hat zur Geltendmachung des Anspruchs die für die Beurteilung der Anspruchsberechtigung und die Berechnung der Entschädigung erforderlichen Unterlagen sowie die Abrechnung über die an seine Arbeitnehmer ausgerichtete Schlechtwetterentschädigung einzureichen (Art. 47 Abs. 3 AVIG). Er hat mit anderen Worten seinen Anspruch zu beziffern und zu belegen (ARV 1993/94 Nr. 4 S. 31 Erw. 2); ob dies auf dem amtlichen Formular zu erfolgen hat, kann vorliegend offen bleiben. 
 
b) Die Beschwerdeführerin hatte - ungeachtet der Verfügung der kantonalen Amtsstelle - ihren Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung bis spätestens 30. April 1999 bei der Arbeitslosenkasse geltend zu machen. Das am 10. Juni 1999 versandte Formular wurde somit eindeutig zu spät eingereicht. Auch die Schreiben vom 19. Februar 1999 und vom 3. März 1999 stellen keine rechtsgenügliche Geltendmachung dar, da mit ihnen der Anspruch nicht hinreichend beziffert und belegt ist. Nachdem die Eingabe vom 25. Mai 1999 nach Ablauf der bis zum 30. April 1999 dauernden Frist eingereicht wurde und den Anspruch nicht hinreichend ausweist, sondern vielmehr widersprüchliche Angaben zu den früheren Schreiben enthält, ist sie ebenfalls nicht massgebend. 
 
2.- Daran vermögen auch die übrigen Einwände der Beschwerdeführerin nichts zu ändern: 
 
a) Überspitzter Formalismus ist eine besondere Form der Rechtsverweigerung. Eine solche liegt rechtsprechungsgemäss vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und den Bürgern und Bürgerinnen den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt (BGE 120 V 417 Erw. 4b). 
Der Umstand, dass ein Anspruch innert einer bestimmten Frist geltend gemacht sowie genau beziffert und belegt werden muss, stellt keine rigorose Vorschrift dar, welche die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder gar verunmöglicht (vgl. ARV 1993/94 Nr. 20 S. 152 Erw. 2a mit Hinweisen). Da der Entschädigungsanspruch entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin nicht deshalb verneint wurde, weil er nicht auf dem amtlichen Formular geltend gemacht wurde, ist die Rüge des überspitzten Formalismus gegenstandslos. 
 
b) Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt den Bürger und die Bürgerin in ihrem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten und bedeutet u.a., dass falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung der Rechtsuchenden gebieten (BGE 121 V 66 Erw. 2a mit Hinweisen). Diese zu Art. 4 Abs. 1 der bis zum 31. Dezember 1999 in Kraft gewesenen Bundesverfassung ergangene Rechtsprechung gilt auch unter der Herrschaft von Art. 9 der seit 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Bundesverfassung (RKUV 2000 KV Nr. 126 S. 223). 
Der Beschwerdeführerin wurden keine falschen Auskünfte erteilt und die Arbeitslosenkasse wie auch das AWA waren nicht zu weitergehenden Informationen als den auf dem Melde- und Antragsformular bereits aufgeführten Angaben gehalten (ARV 1993/94 Nr. 4 S. 32 Erw. 3b). Insbesondere bestand seitens der Arbeitslosenkasse keine Pflicht zur Ansetzung einer Nachfrist (unveröffentlichtes Urteil M. vom 27. November 1997 [C 38/97]). Der Grundsatz von Treu und Glauben ist demnach nicht verletzt. 
 
3.- Der Beschwerdeführerin ist zwar insoweit beizupflichten, als die Frist zur Geltendmachung der Schlechtwetterentschädigung einer Wiederherstellung zugänglich ist; die blosse Unkenntnis der Rechtslage ist jedoch nicht als unverschuldetes Hindernis für die Einhaltung der Dreimonatsfrist und damit nicht als Wiederherstellungsgrund anzuerkennen (BGE 117 V 246 Erw. 3b, 114 V 123 f. Erw. 3a und b; nicht publizierte Erw. 6 des Urteils BGE 124 V 75), weshalb die Voraussetzungen zur Wiederherstellung der Frist vorliegend nicht erfüllt sind. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, der Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Abteilung Rechtsdienst und Entscheide, Frauenfeld, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
 
Luzern, 4. Dezember 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: