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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 208/03 
 
Urteil vom 4. Dezember 2003 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Fessler 
 
Parteien 
G.________, 1953, Beschwerdeführer, vertreten durch 
Advokat Dr. Costantino Testa, Gurtengasse 2, 3000 Bern 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
(Entscheid vom 3. Juli 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1953 geborene G.________ arbeitete ab 1. Mai 1998 bei der Bauunternehmung M.________ S.A. einem der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) unterstellten Betrieb. Am 4. Oktober 1998 erlitt G.________ einen Verkehrsunfall. Dabei zog er sich verschiedene Verletzungen zu, unter anderem eine Acetabulumluxationsfraktur links sowie eine Rissquetschwunde am Knie rechts mit Eröffnung der Bursa praepatellaris. Am 5. und 8. Oktober 1998 wurde G.________ am Inselspital Bern operiert (Débridement, Bursektomie Knie rechts, Anlegen einer Calcaneus-Extension links). Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Vom 19. Mai bis 28. Juli 1999 sowie vom 15. Dezember 1999 bis 26. Januar 2000 hielt sich G.________ in der Klinik Y.________ auf. Im Rahmen des zweiten Aufenthaltes wurde auf Ersuchen der Invalidenversicherung, bei welcher er sich im Juli 1999 zum Leistungsbezug angemeldet hatte, die berufliche Situation abgeklärt. 
 
Mit Schreiben vom 10. Mai 2000 teilte die SUVA die Einstellung der Leistungen (Heilungskosten und Taggeld) auf Ende des Monats mit. 
 
Nach Abklärung der beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten vom 28. August bis 15. Oktober 2000 durch die Invalidenversicherung wurde G.________ vom 17. September 2001 bis 17. September 2002 am Centre C.________ umgeschult. Die Massnahme wurde in Form einer praktischen Ausbildung in Elektromechanik durchgeführt. 
 
Mit Verfügung vom 7. Mai 2001 sprach die SUVA G.________ eine ab 1. Juni 2000 laufende Invalidenrente von monatlich Fr. 837.-, ab 1. Januar 2001 von Fr. 860.- (Invaliditätsgrad: 20 %) sowie eine Integritätsentschädigung von Fr. 38'880.- (Integritätseinbusse: 40 %) zu. Die Einsprache im Rentenpunkt wies der Unfallversicherer mit Entscheid vom 11. September 2001 ab. 
 
B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die Beschwerde von G.________ mit Entscheid vom 3. Juli 2003 ab. 
C. 
G.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und es sei ihm eine 40 % übersteigende unfallbedingte IV-Rente zuzusprechen; eventualiter sei die Sache an die SUVA zur Neubeurteilung zurückzuweisen. 
 
Die SUVA beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung reicht keine Vernehmlassung ein. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Verfügung vom 7. Mai 2001 und der Einspracheentscheid vom 11. September 2001 blieben in Bezug auf die Integritätsentschädigung unangefochten. Die Vorinstanz hat diesen Punkt zu Folge Teilrechtskraft richtigerweise nicht in die Prüfung mit einbezogen (vgl. BGE 125 V 413 und 119 V 347 sowie RKUV 1999 Nr. U 323 S. 98). 
2. 
Das kantonale Gericht hat für die Beurteilung des hinsichtlich des Umfangs strittigen Anspruchs auf eine Rente der Unfallversicherung auf die tatsächlichen Verhältnisse sowie die Rechtslage im Zeitpunkt des Einspracheentscheides vom 11. September 2001 abgestellt. Das ist richtig (BGE 127 V 467 Erw. 1, 116 V 248 Erw. 1a). Insbesondere ist das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vorliegend nicht anwendbar. 
3. 
3.1 
3.1.1 Im angefochtenen Entscheid wird die Gesetzesbestimmung über den Begriff der Invalidität und die Invaliditätsbemessung (alt Art. 18 Abs. 2 UVG) sowie die Rechtsprechung zum Beweiswert von Arztberichten (BGE 125 V 342 Erw. 3a) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass für den Einkommensvergleich nach alt Art. 18 Abs. 2 zweiter Satz UVG die Verhältnisse im Zeitpunkt des (frühestmöglichen) Beginns des Rentenanspruchs massgebend sind. Dabei sind Validen- und Invalideneinkommen auf zeitidentischer Grundlage zu ermitteln und allfällige rentenwirksame Änderungen der Vergleichseinkommen bis zum Erlass des Einspracheentscheides zu berücksichtigen (BGE 128 V 174; vgl. auch BGE 129 V 222). 
3.1.2 Kann für die Bestimmung des Invalideneinkommens nicht auf die konkrete beruflich-erwerbliche Situation abgestellt werden, können nach der Rechtsprechung entweder Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) oder DAP-Löhne (DAP=Dokumentation von Arbeitsplätzen der SUVA) herangezogen werden (BGE 126 V 76 f. Erw. 3b sowie RKUV 1999 Nr. U 343 S. 412). In dem zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteil C. vom 28. August 2003 (U 35/00 und U 47/00) hat sich das Eidgenössische Versicherungsgericht einlässlich zum Verhältnis der beiden Methoden geäussert. Nach Darstellung der sich je aus ihrer Entstehung und Eigenart ergebenden Vor- und Nachteile der beiden Berechnungsweisen hat das Gericht die Voraussetzungen dafür umschrieben, dass die Ermittlung des Invalideneinkommens gestützt auf die Lohnangaben aus der DAP im Einzelfall bundesrechtskonform ist. Verlangt werden die Auflage von mindestens fünf DAP-Blättern, Angaben über die Gesamtzahl der aufgrund der gegebenen Behinderung in Frage kommenden dokumentierten Arbeitsplätze, über den Höchst- und den Tiefstlohn sowie über den Durchschnittslohn der entsprechenden Gruppe. Sind diese verfahrensmässigen Anforderungen nicht erfüllt, kann nicht auf den DAP-Lohnvergleich abgestellt werden. Schliesslich sind bei der Ermittlung des Invalideneinkommens gestützt auf DAP-Profile Abzüge nicht sachgerecht und nicht zulässig (Erw. 4.2.1-3 des erwähnten Urteils). 
3.2 
3.2.1 Der Rentenanspruch entsteht, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung (IV) abgeschlossen sind (Art. 19 Abs. 1 erster Satz UVG). 
 
Ist von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten mehr zu erwarten, wird jedoch der Entscheid der IV über die berufliche Eingliederung erst später gefällt, so wird vom Abschluss der ärztlichen Behandlung an vorübergehend eine Rente ausgerichtet; diese wird aufgrund der in diesem Zeitpunkt bestehenden Erwerbsunfähigkeit festgesetzt. Der Anspruch erlischt unter anderem bei Beginn des Anspruchs auf ein Taggeld der IV (Art. 30 Abs. 1 Ingress und lit. a UVV in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 UVG). 
3.2.2 Eine Rente gemäss Art. 30 UVV ist nach der Einkommensvergleichsmethode festzusetzen. Die Bestimmung des Invaliditätsgrades erfolgt in diesem Fall vor der Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen. Dabei sind allein jene Tätigkeiten zu berücksichtigen, deren Ausübung in diesem Zeitpunkt von einem noch nicht eingegliederten Versicherten bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage zumutbarerweise erwartet werden kann (BGE 129 V 286 Erw. 4.3, 116 V 246). 
4. 
Das kantonale Gericht hat den Anspruch auf eine Invalidenrente in dem von der SUVA festgelegten Umfang von 20 % im Wesentlichen mit folgender Begründung bestätigt: Gemäss den medizinischen Berichten der Klinik Y.________ vom 22. Februar 2000 und des Kreisarztes vom 8. Mai 2000 seien eine leichte, vorwiegend sitzende Tätigkeit ganztags zumutbar. Es bestünden Einschränkungen für repetitives Heben und Tragen von Lasten von über 10 Kilogramm. Im Weiteren seien Gehstrecke und -dauer mässiggradig eingeschränkt. Leitern steigen sei nicht möglich. Im Bericht des Centre P.________ vom 30. Oktober/20. November 2000 werde zwar eine zumutbare Leistung von lediglich 75 % attestiert. Diese abweichende Einschätzung sei indessen nicht relevant. Der Bericht äussere sich lediglich über die berufliche Abklärung. Er gehe nicht auf die medizinischen Unterlagen ein. Die von der SUVA herangezogenen Vergleichstätigkeiten gemäss ihrer Dokumentation über Arbeitsplätze (DAP) ergäben im Durchschnitt ein Invalideneinkommen von Fr. 44'400.-. Darauf sei abzustellen. Das wirke sich zugunsten des Versicherten aus. Die Berechnung des Invalideneinkommens aufgrund der Lohnstrukturerhebungen des Bundesamtes für Statistik ergäbe unter Berücksichtigung eines angemessenen behinderungsbedingten Abzuges von höchstens 15 % Fr. 47'294.-. 
 
Im Weitern sei auch das von der SUVA angenommene Valideneinkommen von Fr. 55'200.- (Fr. 4600.- x 12) nicht zu beanstanden. Der Versicherte lege nicht dar, und es fänden sich keine Hinweise in den Akten, dass ein 13. Monatslohn geschuldet und ausbezahlt worden sei. Angepasst an die Nominalentwicklung ergebe sich für 2000 ein Valideneinkommen von Fr. 55'917.60. Daraus resultiere eine unfallbedingte Erwerbseinbusse von Fr. 11'517.60. Das entspreche einem Invaliditätsgrad von 20 %. 
5. 
5.1 Die vorinstanzlich bestätigte Invalidenrente ist für die Zeit vom 1. Juni 2000 bis 16. September 2001 eine Übergangsrente im Sinne von Art. 30 UVV. Das gilt im Besonderen auch für die Dauer der beruflichen Abklärung am Centre P.________ vom 28. August bis 15. Oktober 2000 durch die Invalidenversicherung. Die Verfügung über die Umschulung ab 17. September 2001, der SUVA in Kopie zugestellt, datiert vom 6. August 2001. Sie erging somit vor Erlass des Einspracheentscheides vom 11. September 2001. Das ändert indessen nichts an der Invaliditätsbemessungsmethode (vgl. Erw. 3.2.2). 
5.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird wie schon im kantonalen Verfahren ein Valideneinkommen von Fr. 59'800.- (Fr. 4600.-x 13) geltend gemacht. Zur Begründung wird angeführt, die IV-Stelle sei ebenfalls von einem Jahresverdienst in dieser Höhe ausgegangen. Im Weitern habe die damalige Arbeitgeberin am 29. August 2003 bestätigt, dass dem ehemaligen Arbeitnehmer auch ein 13. Monatslohn ausbezahlt worden wäre, wenn er weiterhin in der Firma gearbeitet hätte. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer als Bauarbeiter aufgrund des Landesmantelvertrages für das Schweizerische Bau-Hauptgewerbe 1998-2000 (LMV 2000) ohnehin Anspruch auf ein 13. Monatssalär gehabt. Für 2000 ergebe sich somit aufindexiert ein Valideneinkommen von Fr. 60'577.40 (Fr. 4600.- x 13 x 1.013). 
5.2.1 Im Aufenthaltsbewilligungsgesuch vom 6. April 1998 gab die Firma ein Jahressalär von «Fr. 4600.- x 12» an. Dieselbe Angabe findet sich in einem nicht datierten Lohnbuchauszug. Im Fragebogen für den Arbeitgeber der Invalidenversicherung vom 22. September 1999 gab die Firma an, der Arbeitnehmer würde heute ohne gesundheitliche Beeinträchtigung Fr. 4600.- brutto im Monat verdienen. Im Schreiben vom 30. Juni 2000 nannte sie auf entsprechende Anfrage der SUVA ein «salaire brut mensuel moyen de Fr. 4500.-». 
Die SUVA berechnete das UV-Taggeld auf der Grundlage eines versicherten Verdienstes von Fr. 55'200.- (Fr. 4600.- x 12) im Jahr. Demgegenüber wurde das IV-Taggeld nach einem jährlichen Einkommen von Fr. 59'800.- (Fr. 4600.- x 13) bemessen, somit unter Berücksichtigung eines 13. Monatsgehaltes. 
5.2.2 Es ist nicht anzunehmen, dass weitere Abklärungen zum Lohn, den der Beschwerdeführer ohne die unfallbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei der Firma M._______ S.A. erzielte, neue verwertbare Erkenntnisse bringen. Davon ist daher abzusehen. 
 
Für die Bestimmung des Valideneinkommens ist grundsätzlich auf die Angaben im Schreiben vom 30. Juni 2000 abzustellen. Danach wäre dem Beschwerdeführer in diesem Jahr ohne die gesundheitlichen Folgen des Unfalles vom 4. Oktober 1998 ein Monatsgehalt von ungefähr Fr. 4500.- brutto ausgerichtet worden. In Anbetracht, dass laut Art. 49 LMV 2000 Anspruch auf einen 13. Monatslohn besteht, ist von der dreizehnmaligen Ausbezahlung dieses Betrages auszugehen. Das ergibt für 2000 ein Valideneinkommen von Fr. 58'500.-. 
5.3 
5.3.1 Die Ermittlung des Invalideneinkommens wird insofern zu Recht beanstandet, als hiefür nicht auf die bei den Akten liegenden DAP-Unterlagen abgestellt werden kann. Die Voraussetzungen für einen DAP-Lohnvergleich sind offensichtlich nicht gegeben (Erw. 3.1.2). Auf die materiellen Einwendungen gegen diese Berechnungsweise braucht daher nicht näher eingegangen zu werden. 
5.3.2 Die Bestimmung des Invalideneinkommens aufgrund der Lohnstrukturerhebung 2000 des Bundesamtes für Statistik durch die Vorinstanz ist nicht zu beanstanden. Das betrifft sowohl die Annahme einer grundsätzlich vollen Leistungsfähigkeit in der Behinderung angepassten Tätigkeiten als auch die Höhe des Abzugs vom Tabellenlohn von 15 %. Für die Einzelheiten wird auf Erw. 4.2 des angefochtenen Entscheides verwiesen. Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde dagegen vorgebracht wird, gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Das Invalideneinkommen für 2000 beträgt somit Fr. 47'294.-. 
5.4 Die Gegenüberstellung von Valideneinkommen (Fr. 58'500.-) und Invalideneinkommen (Fr. 47'294.-) ergibt eine unfallbedingte Erwerbseinbusse von Fr. 11'206.-. Das entspricht einem Invaliditätsgrad von 19.2 %. 
 
Die so ermittelte Erwerbsunfähigkeit gilt bis zum Beginn der Umschulung am 17. September 2001. Für die Zeit nach Beendigung der beruflichen Massnahme am 17. September 2002 ist die Invalidität neu zu bemessen. Insofern ist der angefochtene Entscheid zu berichtigen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 4. Dezember 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: