Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_406/2023
Urteil vom 5. März 2024
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin,
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiber Gross.
Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Sebastian Schweizer,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Brauchli,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Grundlagenirrtum betreffend die Überbaubarkeit eines Grundstücks,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 28. April 2023 (ZBR.2022.23).
Sachverhalt:
A.
A.a. Mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 5. Juni 2019 verkaufte B.________ (Verkäufer, Beschwerdegegner) der A.________ AG (Käuferin, Beschwerdeführerin) zum Kaufpreis von Fr. 1'300'000.-- die in seinem Alleineigentum stehende Liegenschaft Nr. xxx in U.________, Grundbuch V.________, umfassend 4'387 m2, davon 2'242 m2 in der " Dorfzone D " und 2'145 m2 in der Landwirtschaftszone.
A.b. Nach erfolgtem Besitzesantritt am 1. November 2019 reichte die Käuferin am 13. Dezember 2019 bei der Gemeinde V.________ ein Baugesuch für ein Neubauprojekt auf der Parzelle ein. Dies sollte aus einem Einfamilienhaus und zwei Doppeleinfamilienhäusern bestehen.
A.c. Am 15. Mai 2020 trat im Kanton Thurgau die Kleinsiedlungsverordnung (KSV; RB 700.3) in Kraft (vgl. dazu auch BGE 147 II 300 und das Urteil 1C_35/2022 vom 23. November 2022). Die KSV regelt Zuständigkeit, Verfahren und anwendbares Recht für das Baubewilligungsverfahren in Kleinsiedlungen, die in den Anhängen 1 und 2 aufgelistet sind. Der bislang in der " Dorfzone D " liegende Teil der Parzelle wurde als Kleinsiedlung ("U.________ Ost ") in Anhang 2 der KSV aufgeführt, womit er voraussichtlich einer Weiler- oder Erhaltungszone gemäss Art. 33 RPV (SR 700.1) zugewiesen werden wird.
A.d. Der Gemeinderat der Gemeinde V.________ überwies das Baugesuch am 18. Mai 2020 zuständigkeitshalber (§ 6 Abs. 1 KSV) an das kantonale Amt für Raumentwicklung (ARE). Mit Entscheid vom 22. Oktober 2021 verweigerte dieses die Bewilligung. Das geplante Bauprojekt sei im Sinne von Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG (SR 700) i.V.m. der KSV nicht zonenkonform. Der Neubau erfülle die Voraussetzungen von Art. 24 RPG nicht. Die Nichterteilung der Baubewilligung eröffnete die Gemeinde V.________ der Käuferin am 6. Januar 2022. Diese erhob dagegen Rekurs beim Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau. Das Rekursverfahren ist hängig.
A.e. Mit Schreiben vom 21. September 2020 machte die Käuferin gegenüber dem Verkäufer einen Grundlagenirrtum über die Überbaubarkeit des von ihr am 5. Juni 2019 gekauften Grundstücks geltend. Der Vertrag sei ungültig und in dem Sinne rückabzuwickeln, dass ihr der Verkäufer gegen Rücküberschreibung der Liegenschaft den geleisteten Kaufpreis zurückzuerstatten habe.
B.
B.a. Mit Klage vom 4. August 2021 beantragte die Käuferin beim Bezirksgericht Kreuzlingen, der Verkäufer sei zu verpflichten, ihr Fr. 1'300'000.-- nebst Zins, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Grundstücks, zu bezahlen.
Mit Entscheid vom 27. September 2022 hiess das Bezirksgericht die Klage der Käuferin antragsgemäss gut.
Es erwog, die Käuferin habe sich bei Vertragsabschluss am 5. Juni 2019 in einem Irrtum befunden. Sie habe fälschlicherweise angenommen, der südliche Parzellenteil des Grundstücks liege in der rechtsgültig ausgeschiedenen Dorfzone und damit im Baugebiet, während er materiell-rechtlich im Nichtbaugebiet gelegen habe.
B.b. Eine dagegen gerichtete Berufung des Verkäufers hiess das Obergericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 28. April 2023 gut. Es hob den Entscheid des Bezirksgerichts auf und wies die Klage ab.
Es erwog, der betreffende Parzellenteil sei am 5. Juni 2019 und bis zum Inkrafttreten der KSV am 15. Mai 2020 noch überbaubar gewesen, womit ein diesbezüglicher Irrtum zu verneinen sei. Weiter verneinte es einen Grundlagenirrtum über einen künftigen Sachverhalt. Die Käuferin habe - objektiv betrachtet - nicht mit Sicherheit annehmen dürfen, sie würde noch auf Monate oder gar Jahre hinaus eine Baubewilligung erhalten. Dem Kauf habe ein spekulatives Moment innegewohnt. Grundsätzlich habe jeder Vertragspartner das Risiko unerwarteter künftiger Entwicklungen selbst zu tragen.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Käuferin dem Bundesgericht, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und ihre Klage gutzuheissen. Eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid an das Obergericht zurückzuweisen. Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Obergericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Die Parteien haben unaufgefordert repliziert und dupliziert.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft aber unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungsanforderungen ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ) grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 140 III 86 E. 2, 115 E. 2). Die Beschwerde ist dabei hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten. Unerlässlich ist im Hinblick auf Art. 42 Abs. 2 BGG, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (vgl. BGE 134 II 244 E. 2.1).
2.
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2, 264 E. 2.3). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).
Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern die genannten Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1).
2.2. Soweit die Parteien in ihren Rechtsschriften vom vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt abweichen, ohne dass die obigen Voraussetzungen erfüllt wären, kann darauf nicht eingetreten werden. Massgebend ist der Sachverhalt, wie er von der Vorinstanz festgestellt worden ist.
3.
3.1. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Diese Ausnahme bezieht sich einerseits auf Tatsachen, die erstmals durch den angefochtenen Entscheid relevant werden. Dazu gehören insbesondere neue Tatsachen betreffend den Ablauf des vorinstanzlichen Verfahrens, namentlich wenn es darum geht, dessen Ordnungsmässigkeit zu beanstanden (z.B. eine Gehörsverletzung im Beweisverfahren geltend zu machen). Andererseits bezieht sich die Ausnahme aber auch auf Tatsachen, die erst nach dem angefochtenen Urteil entstanden sind, nämlich dann wenn es um die Sachurteilsvoraussetzungen vor Bundesgericht geht (BGE 139 III 120 E. 3.1.2; 136 III 123 E. 4.4.3; Urteile 4A_263/2022 vom 23. Juni 2023 E. 1.2.1; 4A_434/2021 vom 18. Januar 2022 E. 2.2 mit Hinweisen).
3.2. Unbeachtlich ist im bundesgerichtlichen Verfahren vor diesem Hintergrund, wenn der Beschwerdegegner geltend macht, die Gemeinde V.________ habe die gebotene Ortsplanungsrevision inzwischen längst in die Wege geleitet; gemäss der laufenden Ortsplanungsrevision werde die gesamte bisherige Dorfzone von "U.________ Ost" auch künftig in der Dorfzone bleiben und Baugebiet bilden.
4.
Die Begründung hat in der Beschwerdeschrift selbst zu erfolgen. Die beschwerdeführende Partei darf eine allfällige Replik nicht dazu verwenden, ihre Beschwerde zu ergänzen oder zu verbessern. Zu lässig sind nur Vorbringen, zu denen erst die Ausführungen in der Vernehmlassung eines anderen Verfahrensbeteiligten Anlass geben (vgl. BGE 135 I 19 E. 2.2; 132 I 42 E. 3.3.4).
5.
Strittig ist, ob sich die Beschwerdeführerin auf einen Grundlagenirrtum nach Art. 23 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR berufen kann und der Vertrag vom 5. Juni 2019 aus diesem Grund für sie unverbindlich ist.
5.1. Ein Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat (Art. 23 OR). Ein solcher liegt namentlich vor, wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrags betrachtet wurde (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Neben der subjektiven Wesentlichkeit ist erforderlich, dass der zugrunde gelegte Sachverhalt auch objektiv, vom Standpunkt oder nach den Anforderungen des loyalen Geschäftsverkehrs als notwendige Grundlage des Vertrags erscheint (BGE 136 III 528 E. 3.4.1; 132 II 161 E. 4.1).
5.2. Objektiv wesentlich ist eine falsche Vorstellung, die notwendigerweise beiden Parteien bewusst oder unbewusst gemeinsam und bei objektiver Betrachtung eine unerlässliche Voraussetzung für den Abschluss des Vertrags gewesen ist (BGE 132 III 737 E. 1.3; 113 II 25 E. 1). Abzustellen ist auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Die Anfechtbarkeit darf nicht im Sinne einer Abwägung der im Zeitpunkt der Berufung auf den Irrtum bestehenden Vertragsinteressen der Parteien davon abhängig gemacht werden, ob die einseitige Unverbindlichkeit des Vertrags als unverhältnismässige Rechtsfolge erscheint. Die Geltendmachung des Irrtums verstösst vielmehr nur dann gegen Treu und Glauben, wenn es sich um unnütze Rechtsausübung handelt oder ein krasses Missverhältnis der Interessen besteht (BGE 132 III 737 E. 1.3; 123 III 200 E. 2a und b).
6.
Umstritten ist ein rechtlicher Zustand, nämlich die grundsätzliche Überbaubarkeit des betreffenden Parzellenteils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
6.1. Die Vorinstanz erwog, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags habe der Parzellenteil in der Dorfzone gelegen, die nach § 6 der Verordnung des Kantons Thurgau vom 18. September 2012 zum Planungs- und Baugesetz und zur Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (PBV/TG; RB 700.1) als Bauzone im Sinne von Art. 15 RPG qualifiziert werde. Vor dem Erlass der KSV hätte die Beschwerdeführerin eine Baubewilligung erhalten. Dies ergebe sich aus den damaligen Reaktionen der zuständigen Behörden. Die Gemeinde habe im Baugesuchsformular unter "Stellungnahme Gemeindebehörde" vermerkt "keine Einwände (Kleinzone) ". Das ARE habe der Gemeinde am 28. April 2020 mitgeteilt, einer Erteilung der Baubewilligung stehe aus kantonaler Sicht nichts entgegen. Zudem zeigten die östlichen Nachbarparzellen, die in den Jahren zuvor an einen Investor vermittelt und in der Folge überbaut worden seien, dass vor dem Erlass der KSV auch tatsächlich ein Bauprojekt habe realisiert werden können. Der Umstand, dass der Bundesrat den Kanton Thurgau in den Jahren 2010 und 2018 aufgefordert habe, die Zonenzuweisung der bestehenden Weiler zu überprüfen und Kleinsiedlungen einer bundesrechtskonformen Zone zuzuteilen, habe an dieser Bewilligungspraxis nichts geändert. Der Bund habe zwar seit Jahren die geltende Zonenzuweisung bei einem Teil der Thurgauer Kleinsiedlungen in Frage gestellt, wobei er nur in wenigen Fällen konkret gesagt habe, die Zuweisung zu einer Bauzone gehe nicht an. Dazu habe die Kleinsiedlung "U.________ Ost" nicht gehört. Ebenfalls noch keine Änderung bewirkt habe der Beschluss des Thurgauer Regierungsrats vom 19. Februar 2019, worin er einen Projektauftrag zur Überprüfung der Kleinsiedlungen im Kanton erteilt und dafür eine Arbeitsgruppe eingesetzt habe. Erst die Triage der Arbeitsgruppe habe zu Tage gebracht, welche Kleinsiedlung Bauzone im Sinne von Art. 15 RPG bleibe.
Dass der betreffende Parzellenteil mit dem Projekt der Beschwerdeführerin (gemäss § 2 KSV "voraussichtlich", tatsächlich aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) nicht überbaubar sein werde, sei erst mit dem Erlass der KSV am 15. Mai 2020 festgestanden. Der Kanton habe damit die Ergebnisse der Arbeitsgruppe publik gemacht und (einstweilen provisorisch) festgehalten, welche Kleinsiedlungen voraussichtlich Bau- bzw. Nichtbaugebiet bildeten. In den letzteren habe er eine Art Planungszone im Sinne von Art. 27 RPG geschaffen. Der Anhang 2 der KSV habe "U.________ Ost" konkret zur Weiler- bzw. Erhaltungszone gemäss Art. 33 RPV erklärt. Die grosse Zäsur, die das Inkrafttreten der KSV bedeutet habe, zeige sich auch an der Haltung des ARE, das am 22. Oktober 2021 die Baubewilligung verweigert und dies mit der zwischenzeitlich in Kraft getretene KSV begründet habe.
Zusammenfassend habe die Beschwerdeführerin überbaubares Land gekauft, für das sie bis zum Inkrafttreten der KSV am 15. Mai 2020 eine Baubewilligung erhalten hätte. Der Regierungsrat habe die KSV nur auf hängige und künftige Baugesuche für anwendbar erklärt. Er habe aber keinen sofortigen Baustopp erlassen, mit dem rückwirkend bereits erteilte Baubewilligungen aufgehoben worden wären.
6.2. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz haben den ihrem Entscheid zugrundeliegenden Sachverhalt in Verletzung von Art. 55 Abs. 1 ZPO teilweise von Amtes wegen ermittelt und erstellt.
Die Rüge geht fehl. Die Beschwerdeführerin macht geltend, wenn sich die Vorinstanz an die Vorgaben von Art. 55 Abs. 1 ZPO gehalten und den Verhandlungsgrundsatz beachtet hätte, hätte sie nicht auf in ihrer Entscheidbegründung verwendete, wesentliche Tatsachen zurückgreifen dürfen, womit die Begründung gleich einem Kartenhaus in sich zusammenfiele. Diese pauschale Kritik ist unbegründet. Die Beschwerdeführerin vermag nicht darzutun, dass die Vorinstanz in ihrer Begründung im Wesentlichen auf Tatsachen abgestellt hat, die von den Parteien nicht prozesskonform ins Verfahren eingeführt worden sind. Sie nennt die Tatsache, dass die zuständige kantonale Behörde am 28. April 2020 mitgeteilt habe, ihrem Bauvorhaben stehe nichts entgegen. Die Vorinstanz verweise auf die bekl. act. 13, obwohl der Beschwerdegegner dazu in seinen Rechtsschriften keine hinreichenden Behauptungen aufgestellt habe. Wie es sich damit verhält, kann offenbleiben, da die vorinstanzliche Begründung ohnehin nicht massgebend von dieser Feststellung abhängt. Dies gilt auch für den Umstand, dass sich an der Bewilligungspraxis für Bauvorhaben in Weilerzonen im Kanton Thurgau nach den bundesrätlichen Hinweisen nichts geändert habe. Damit kann offenbleiben, ob es sich bei Letzterem nicht ohnehin um eine gerichtsnotorische Tatsache handelt, welche die Vorinstanz von sich aus berücksichtigen durfte.
6.3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der betreffende Parzellenteil habe bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von Bundesrechts wegen (Art. 15 RPG) im Nichtbaugebiet gelegen, womit bereits vor dem Inkrafttreten der KSV keine Baubewilligung hätte erteilt werden dürfen. Die Parteien seien aber davon ausgegangen, es handle sich um Baugebiet, womit sie sich bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über die Überbaubarkeit des Grundstücks geirrt hätten. Die Vorinstanz verletze Art. 23 OR i.V.m. Art. 15 RPG. Kernfrage sei nicht, ob mutmasslich eine Baubewilligung erteilt worden wäre, sondern ob der in der Dorfzone gelegene Parzellenteil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Bau- oder Nichtbaugebiet gelegen habe bzw. ob eine erteilte Baubewilligung auch rechtmässig gewesen wäre. Die Vorinstanz verkenne die Tragweite von Art. 15 RPG, wenn sie davon ausgehe, der betreffende Parzellenteil sei erst durch den Erlass der KSV zu Nichtbaugebiet geworden.
6.3.1. Die Beschwerdeführerin vermag keine Verletzung von Bundesrecht aufzuzeigen. Entscheidend ist im vorliegenden Zivilverfahren betreffend Irrtumsanfechtung, ob der betreffende Parzellenteil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses grundsätzlich
überbaubar war. Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz prüfte, ob in diesem Zeitpunkt der betreffende Parzellenteil nach den massgebenden kantonalen und kommunalen Bestimmungen grundsätzlich überbaubar war. Die Beschwerdeführerin führt denn auch an anderer Stelle in ihrer Beschwerde selbst aus, die Zonenzuteilung erfolge auf Stufe der Nutzungsplanung, für die das eidgenössische RPG zwar Grundsätze aufstelle, zuständig seien aber die Kantone, wobei im Kanton Thurgau die Gemeinden für die Nutzungsplanung zuständig seien.
6.3.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass der betreffende Parzellenteil gemäss dem Zonenplan der Gemeinde V.________ und dem geltenden kommunalen Baureglement in der Dorfzone gelegen hat. Gemäss § 6 PBV/TG umfassen Dorfzonen Gebiete, die der gemischten baulichen Nutzung dienen. Sie bezwecken die Erhaltung, Erneuerung und Pflege der vorhandenen Bausubstanz und der Freiräume (Abs. 1). Zulässig sind namentlich Wohnbauten und mässig störende Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe (Abs. 3).
Fehl geht vor diesem Hintergrund der Einwand der Beschwerdeführerin, der Erlass der KSV habe die Rechtslage betreffend die Überbaubarkeit des streitgegenständlichen Parzellenteils nicht geändert. So wird im zitierten Urteil 1C_35/2022 vom 23. November 2022 erwogen, weil die gesamte Überprüfung der Thurgauer Weilerzonen eine gewisse Zeit beanspruchen werde, sei zu befürchten gewesen, dass bis zur formellen Änderung der Zonenordnung in den jeweiligen Gemeinden noch bundesrechtswidrige Bauvorhaben bewilligt und realisiert werden könnten, welche die Erfüllung des bundesrätlichen Auftrags erschwert oder vereitelt hätten. Ebenso habe das Risiko bestanden, dass Baubewilligungen, die ohne Mitwirkung des Kantons erteilt worden seien, im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden könnten (zit. Urteil 1C_35/2022 E. 4.2). Das Bundesgericht spricht denn auch explizit von einer "Ungewissheit in formeller und materieller Hinsicht" (zit. Urteil 1C_35/2022 E. 4.2). Erst mit Erlass der KSV wurde die Kleinsiedlung "U.________ Ost" als Siedlung bezeichnet, die voraussichtlich einer Zone nach Art. 33 RPV i.V.m. Art. 18 RPG zuzuweisen ist. Gemäss Art. 33 RPV können die Kantone zur Erhaltung bestehender Kleinsiedlungen ausserhalb der Bauzone besondere Zonen nach Art. 18 RPG (beispielsweise Weiler- oder Erhaltungszonen) bezeichnen, wenn der kantonale Richtplan dies in der Karte oder im Text vorsieht.
Würde man der Argumentation der Beschwerdeführerin folgen, wäre bereits nicht ersichtlich, weshalb es überhaupt der KSV bedurft hätte. Nicht überzeugend ist diesbezüglich ihr Einwand, es sei bloss darum gegangen, ohnehin geltendes Recht für alle Beteiligten sichtbar zu machen. Die KSV enthält positive Regelungen zur Zuständigkeit, zum Verfahren und zum anwendbarem Recht für das Baubewilligungsverfahren (vgl. § 1 KSV), die provisorisch an Stelle der bisher geltenden kommunalen Regelungen sowie von § 6 PBV/TG treten. Insofern geht die KSV über eine Planungszone hinaus und entspricht eher einer provisorischen kantonalen Nutzungszone (zit. Urteil 1C_35/2022 E. 4.4.1). Entsprechend ist auch die vorinstanzliche Erwägung nicht zu beanstanden, wonach die Arbeiten der Arbeitsgruppe Kleinsiedlungen dazu geführt hätten, dass "etwas mehr als die Hälfte der heute in einer Weiler- oder Dorfzone gelegenen Kleinsiedlungen inskünftig einer Nicht-Bauzone zugewiesen werden [müssten]". Unbehelflich ist diesbezüglich der Einwand der Beschwerdeführerin, dass die Triage der Arbeitsgruppe aufgrund "bereits bestehender Kriterien" erfolgt sei. Unbegründet ist auch ihr Vorwurf, die Vorinstanz stelle zur Beurteilung, ob es sich beim Kaufobjekt um "Bauland" gehandelt habe, einzig auf angebliche Fakten ab, und stelle "keinerlei rechtliche Überlegungen" an. Die Vorinstanz hat nicht einzig auf Fakten abgestellt, sondern vielmehr den kommunalen Zonenplan der Gemeinde V.________ sowie die entsprechenden kantonalen und kommunalen Normen (vor Erlass der KSV) berücksichtigt. Nicht zu beanstanden ist, dass sie zudem ergänzend berücksichtigt hat, dass in der näheren Vergangenheit bereits Baubewilligungen für Überbauungen im betreffenden Gebiet erteilt worden waren.
6.3.3. Nichts ändert der Verweis der Beschwerdeführerin auf BGE 145 II 83, in dem im Zusammenhang mit der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet ausgeführt wurde, es werde in Art. 15 RPG bundesrechtlich abschliessend festgelegt, was zur Bauzone zu rechnen sei. Das Bundesgericht erwog in BGE 145 II 83 was folgt: Lässt die Hauptbestimmung einer Zone regelmässig Bautätigkeiten zu, die weder mit bodenerhaltenden Nutzungen (vorab der Landwirtschaft) verbunden noch auf einen ganz bestimmten Standort angewiesen sind, so liegt von Bundesrechts wegen eine Bauzone vor, für welche die Voraussetzungen gemäss Art. 15 f. RPG gelten (BGE 145 II 83 E. 4.1; 143 II 588 E. 2.5.2 und 2.5 mit Hinweisen). Damit stellte das Bundesgericht in erster Linie klar, dass das eidgenössische Raumplanungsgesetz die Grundsätze, insbesondere auch jene für die Abgrenzung von Bau- und Nichtbaugebiet, vorgibt. Es ist denn auch erstellt, dass die (damalige) Thurgauer Praxis, sämtliche Weiler- und Dorfzonen unterschiedslos als Bauzonen zu bezeichnen, bundesrechtswidrig war (zit. Urteil 1C_35/2022 E. 4.1).
Daraus lässt sich nun aber nicht nicht ableiten, dass die Vorinstanz im vorliegenden
Zivilverfahren betreffend Irrtumsanfechtung zur Beurteilung der Überbaubarkeit des streitgegenständlichen Parzellenteils im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (und damit vor Erlass der KSV)
vorfrageweise eine akzessorische Überprüfung des damals anwendbaren kommunalen Zonenplans der Gemeinde V.________ hätte vornehmen müssen. Im Gegenteil ist nicht recht nachvollziehbar, weshalb sich die Erstinstanz zu einer solchen Prüfung veranlasst und berechtigt sah. Auch die Beschwerdeführerin legt im Übrigen nicht - jedenfalls nicht hinreichend - dar, dass die Voraussetzungen für eine solche vorfrageweise Überprüfung des konkreten kommunalen Zonenplans im Zivilverfahren gegeben waren und dem Zonenplan der Gemeinde V.________ im konkreten Einzelfall die Anwendung versagt worden wäre. Damit kann offenbleiben, ob hinsichtlich des streitgegenständlichen Parzellenteils überhaupt die Voraussetzungen erfüllt wären, welche die bundesgerichtliche Rechtsprechung an die akzessorische Überprüfung eines Zonenplans im Rahmen eines Anwendungsakts (z.B. im Baubewilligungsverfahren) stellt (vgl. BGE 144 II 41 E. 5 mit Hinweisen; 121 II 317 E. 12c).
6.3.4. Zusammenfassend ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz von der grundsätzlichen Überbaubarkeit des betreffenden Parzellenteils im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausgeht. Die Vorinstanz hat weder die Tragweite von Art. 15 RPG verkannt noch hat sie Art. 49 BV verletzt.
7.
Damit ist in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob ein wesentlicher Grundlagenirrtum über einen
künftigen Sachverhalt vorliegt, nämlich die künftig weiterhin bestehende Überbaubarkeit des betreffenden Parzellenteils.
7.1. Der Irrtum gemäss Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR kann sich zwar auf eine künftige Tatsache beziehen, jedoch nur, wenn diese Tatsache im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv als sicher angesehen werden konnte (BGE 118 II 297 E. 2b; Urteile 4A_29/2022 vom 19. April 2022 E. 2.1; 4A_166/2021 vom 22. September 2021 E. 4.3.2, nicht publ. in: BGE 147 III 586). Voraussetzung ist weiter, dass die Gegenpartei nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr hätte erkennen müssen, dass die Sicherheit des Eintritts des zukünftigen Ereignisses für die andere Partei Vertragsvoraussetzung war (BGE 118 II 297 E. 2b; Urteil 4A_335/2021 vom 8. November 2021 E. 6.1.1). Wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR ergibt, muss sich die Fehlvorstellung auf einen "bestimmten Sachverhalt" ("sur des faits", "una determinata condizione di fatto") beziehen (zum Ganzen: Urteile 4A_92/2021 vom 14. Oktober 2021 E. 3.1; 4A_217/2014 vom 4. August 2014 E. 2.2).
7.2. Die Vorinstanz erwog, zwar sei der betreffende Parzellenteil im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 5. Juni 2019 noch überbaubar gewesen und hätte bei Erhalt einer Baubewilligung bis längstens am 14. Mai 2020 auch noch überbaut werden können. Die Beschwerdeführerin habe jedoch - objektiv betrachtet - im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht mit Sicherheit annehmen dürfen, sie würde noch auf Monate oder gar Jahre hinaus eine Baubewilligung erhalten und könne den Parzellenteil in der Zukunft noch entsprechend ihren Plänen überbauen. Es habe sich schon vor dem Vertragsabschluss abgezeichnet, und sei auch generell bekannt gewesen, dass das Bauen in ländlichen Gebieten in Zukunft schwieriger werden dürfte. Das Thema sei spätestens im Zuge der eidgenössischen Abstimmung vom 3. März 2013 betreffend die Änderung des Raumplanungsgesetzes allgegenwärtig gewesen. Ferner sei der Kanton im Jahr 2018 aufgrund von BGE 145 II 83 und des bundesrätlichen Prüfberichts auf die verfahrensrechtliche Problematik der Anwendbarkeit von Art. 25 Abs. 2 RPG in Zonen gemäss Art. 33 RPV aufmerksam gemacht geworden. Der auch künftige Erhalt einer Baubewilligung sei somit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit "objektiv sicher" gewesen. Damit habe dem Kauf - zumindest objektiv betrachtet - ein spekulatives Moment betreffend die Überbaubarkeit des betreffenden Parzellenteils auch nur schon in naher Zukunft innegewohnt. Es rechtfertige sich keine Ausnahme vom Grundsatz, dass jeder Vertragspartner das Risiko unerwarteter künftiger Entwicklungen grundsätzlich selbst zu tragen habe.
7.3. Die Beschwerdeführerin rügt eventualiter, die Vorinstanz verletze Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR, wenn sie zum Ergebnis gelange, dem Kauf habe ein spekulatives Element innegewohnt. Sie habe nicht darauf vertraut, dass ein bestimmtes Ereignis in der Zukunft eintreten würde, sondern dass ein solches für eine kurze Dauer von einigen Monaten oder längstens einem Jahr ausbleiben würde. Sie habe nicht damit rechnen müssen, dass innert einer Frist von wenigen Monaten für die geplante Überbauung des erworbenen Grundstücks andere Voraussetzungen gelten würden. Daran ändere auch der Hinweis der Vorinstanz auf allgemeine raumplanungspolitische Tendenzen in der letzten Dekade oder der bundesrätliche Hinweis an den Kanton Thurgau betreffend die Überprüfung der Zoneneinteilung nichts.
Die Rüge geht fehl. Es verletzt kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz erwog, die Beschwerdeführerin habe nicht davon ausgehen dürfen, sie würde noch über Monate oder gar Jahre hinaus eine Baubewilligung für ihr Projekt erhalten. Entscheidend ist, von welcher künftigen Entwicklung die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags ausgehen musste. Diesbezüglich ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz erwog, es habe sich schon vor dem Vertragsabschluss abgezeichnet, und sei auch generell bekannt gewesen, dass das Bauen in ländlichen Gebieten in Zukunft schwieriger werden dürfte. Die Vorinstanz weist in ihrem Entscheid an anderer Stelle zu Recht darauf hin, dass der Bundesrat bereits mit Beschluss vom 27. Oktober 2010 das Kapitel Kleinsiedlungen im Richtplan nur als Zwischenergebnis genehmigte und den Kanton anwies, die ausgeschiedenen Weilerzonen einer sachgerechten Zone zuzuweisen. Diesbezüglich ist auch zu beachten, dass der Thurgauer Regierungsrat das Projekt " Überprüfung Kleinsiedlungen im Kanton Thurgau " gemäss den für das Bundesgericht verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen bereits am 19. Februar 2019 beschlossen hat. Vor diesem Hintergrund vermag das Argument der Beschwerdeführerin, Zonenpläne würden eine gewisse Beständigkeit aufweisen und könnten nur in einem länger dauernden demokratischen Prozess abgeändert werden, nichts zu ändern. Zusammenfassend verletzt es kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz erwog, der künftige Erhalt einer Baubewilligung sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit objektiv sicher gewesen. Das Risiko der künftigen Entwicklung (Erlass der KSV) hat die Beschwerdeführerin vorliegend selbst zu tragen.
8.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ergebnis wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 16'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 18'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 5. März 2024
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jametti
Der Gerichtsschreiber: Gross