Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
[AZA] 
 
I 195/99 Ge 
 
III. Kammer  
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiberin Keel 
 
Urteil vom 5. Mai 2000  
 
in Sachen 
 
IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, Binningen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
T.________, 1953,, Beschwerdegegnerin, vertreten durch 
Advokat B.________, 
 
und 
 
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal 
 
    A.- Die 1953 geborene T.________ leidet an einem 
Panvertebralsyndrom, cervical- und lumbalbetont, bei 
breitbasiger, paramedian links ausladender, flacher Diskus- 
hernie im Bereich L4/5 (ohne Ausfallsyndrom) und Status 
nach einem 1993 erlittenen Schleudertrauma der Halswirbel- 
säule sowie an einer psychogenen Schmerzfehlverarbeitung 
mit generalisierendem Schmerzsyndrom. Vom 1. Mai 1987 bis 
19. Mai 1995 arbeitete sie im Reinigungsdienst des Alters- 
heims Y.________, wobei ihr Pensum bis 31. Dezember 1989 
100 % (42 Stunden) und danach 60 % (25,2 Stunden) betrug. 
Ab 1. Dezember 1989 übernahm sie zudem gemäss ihren eigenen 
Angaben eine Tätigkeit als Hauswartin für 2 Stunden pro 
Woche. Daneben führte sie den Haushalt und kümmerte sich um 
ihre beiden 1981 und 1988 geborenen Kinder. 
    Am 27. November 1995 meldete sich T.________ bei der 
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle 
Basel-Landschaft holte beim Hausarzt Dr. med. E.________, 
Allgemeine Medizin FMH, den Bericht vom 1. März 1996 ein 
(welchem eine Stellungnahme des Spitals X.________, 
Rheumaklinik, vom 27. Juni 1995 beilag) und liess die 
Versicherte durch Dr. med. S.________, Innere Medizin FMH 
(Gutachten vom 21. Mai 1996), und Dr. med. W.________, 
Psychiatrie und Psychotherapie FMH, (Gutachten vom 14. 
September 1996), untersuchen. Im Weitern prüfte sie die 
erwerblichen Verhältnisse (Auskunft der Stiftung Alters- 
und Pflegeheim Y.________ vom 8. Januar 1996) und führte 
eine Haushaltabklärung durch (Bericht vom 18. Februar 
1997). Gestützt auf diese Unterlagen ermittelte sie einen 
Invaliditätsgrad von 20 % und verneinte den Anspruch auf 
eine Invalidenrente (Verfügung vom 7. Mai 1997). 
 
    B.- Die von T.________ hiegegen erhobene Beschwerde 
mit dem Antrag auf Aufhebung der Verwaltungsverfügung und 
Zusprechung von Leistungen hiess das Versicherungsgericht 
des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 23. Septem- 
ber 1998 gut, hob die Verfügung auf und wies die Sache zur 
weiteren Abklärung im Sinne der Erwägungen und zum Erlass 
einer neuen Verfügung an die IV-Stelle zurück. 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die 
IV-Stelle die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. 
    T.________ schliesst auf Abweisung der Verwaltungs- 
gerichtsbeschwerde; ferner ersucht sie um unentgeltliche 
Rechtspflege. Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt 
sich nicht vernehmen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder 
Verweigerung von Versicherungsleistungen ist die Überprü- 
fungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich 
Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, 
sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der 
angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die 
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachver- 
halts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu 
deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG). 
 
    2.- a) Nach Art. 28 Abs. 1 IVG hat der Versicherte 
Anspruch auf eine ganze Rente, wenn er mindestens zu 
66 2/3 %, auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zu 50 % 
oder auf eine Viertelsrente, wenn er mindestens zu 40 % 
invalid ist; in Härtefällen hat der Versicherte nach 
Art. 28 Abs. 1bis IVG bereits bei einem Invaliditätsgrad 
von mindestens 40 % Anspruch auf eine halbe Rente. 
 
    b) Bei erwerbstätigen Versicherten ist der Invalidi- 
tätsgrad auf Grund eines Einkommensvergleichs zu bestimmen. 
Dazu wird das Erwerbseinkommen, das der Versicherte nach 
Eintritt der Invalidität und nach Durchführung allfälliger 
Eingliederungsmassnahmen durch eine ihm zumutbare Tätigkeit 
bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in 
Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das er erzielen 
könnte, wenn er nicht invalid geworden wäre (Art. 28 Abs. 2 
IVG). Der Einkommensvergleich hat in der Regel in der Weise 
zu erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkom- 
men ziffernmässig möglichst genau ermittelt und einander 
gegenübergestellt werden, worauf sich aus der Einkommens- 
differenz der Invaliditätsgrad bestimmen lässt (allgemeine 
Methode des Einkommensvergleichs; BGE 104 V 136 Erw. 2a und 
b). 
 
    c) Bei nichterwerbstätigen Versicherten im Sinne von 
Art. 5 Abs. 1 IVG - so namentlich bei im Haushalt tätigen 
Versicherten - wird für die Bemessung der Invalidität da- 
rauf abgestellt, in welchem Masse sie behindert sind, sich 
im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen (Art. 28 Abs. 3 
IVG in Verbindung mit Art. 26bis und 27 Abs. 1 IVV; spezi- 
fische Methode; BGE 104 V 136 Erw. 2a; AHI 1997 S. 291 
Erw. 4a). Als Aufgabenbereich der im Haushalt tätigen Ver- 
sicherten gilt die übliche Tätigkeit im Haushalt und allen- 
falls im Betrieb des Ehepartners sowie die Erziehung der 
Kinder (Art. 27 Abs. 2 IVV). 
    Nach Art. 27bis Abs. 1 IVV wird bei einem Versicher- 
ten, der nur zum Teil erwerbstätig ist, für diesen Teil die 
Invalidität nach Art. 28 Abs. 2 IVG festgelegt. War er 
daneben in einem Aufgabenbereich nach Art. 5 Abs. 1 IVG 
tätig, so wird die Invalidität für diese Tätigkeit nach 
Art. 27 IVV festgelegt. In diesem Falle ist der Anteil der 
Erwerbstätigkeit und der Tätigkeit im andern Aufgabenbe- 
reich festzulegen und der Invaliditätsgrad entsprechend der 
Behinderung in beiden Bereichen zu bemessen (gemischte 
Methode der Invaliditätsbemessung). Demnach ist einerseits 
die Invalidität im Aufgabenbereich gemäss Art. 5 Abs. 1 IVG 
nach dem Betätigungsvergleich (Art. 27 IVV) und anderseits 
die Invalidität im erwerblichen Teil nach dem Einkommens- 
vergleich (Art. 28 IVG) zu ermitteln und danach die Gesamt- 
invalidität nach Massgabe der zeitlichen Beanspruchung in 
den genannten beiden Bereichen zu berechnen. Der Anteil der 
Erwerbstätigkeit ergibt sich aus dem Vergleich der im be- 
treffenden Beruf üblichen Arbeitszeit und der von der ver- 
sicherten Person ohne Invalidität geleisteten Arbeitszeit, 
der Anteil am andern Aufgabenbereich aus deren Differenz 
(vgl. BGE 104 V 136 Erw. 2a und ZAK 1992 S. 128 Erw. 1b). 
 
    d) Ob eine versicherte Person als ganztägig oder zeit- 
weilig erwerbstätig zu betrachten ist, beurteilt sich pra- 
xisgemäss nicht danach, ob sie vor ihrer Heirat erwerbstä- 
tig war oder nicht. Diese Tatsache kann allenfalls ein 
Indiz darstellen. Entscheidend ist vielmehr jene Tätigkeit, 
welche sie ausüben würde, wenn sie nicht invalid geworden 
wäre. Es ist demnach zu prüfen, ob die Person ohne Invali- 
dität mit Rücksicht auf die gesamten Umstände (dazu gehören 
die persönlichen, familiären, sozialen und erwerblichen 
Verhältnisse) vorwiegend erwerbstätig oder im Haushalt 
beschäftigt wäre (BGE 117 V 195, 98 V 263 Erw. 1 und 268 
Erw. 1c). Für die Beurteilung und Festlegung des im Gesund- 
heitsfall mutmasslich ausgeübten Aufgabenbereiches sind 
ausser der finanziellen Notwendigkeit, eine Erwerbstätig- 
keit wieder aufzunehmen oder auszudehnen, auch allfällige 
Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern, das 
Alter, die beruflichen Fähigkeiten und die Ausbildung sowie 
die persönlichen Neigungen und Begabungen zu berücksicht- 
igen (BGE 125 V 150 Erw. 2c, 117 V 195; AHI 1997 S. 289, 
1996 S. 197 Erw. 1c). 
 
    3.- Anlässlich der Haushaltabklärung vom 27. Januar 
1997 (Bericht vom 18. Februar 1997) gab die Versicherte an, 
dass sie ohne Behinderung zu 100 % einer ausserhäuslichen 
Beschäftigung nachginge, wie dies bis Ende 1989 der Fall 
gewesen sei. Offenbar gestützt auf diese Aussage betrach- 
teten Vorinstanz und IV-Stelle die Beschwerdegegnerin als 
Vollerwerbstätige und erklärten für die Bemessung des Inva- 
liditätsgrades die Methode des Einkommensvergleichs (vgl. 
Art. 28 Abs. 2 IVG) als anwendbar. Diese Auffassung wird 
zwar von keiner Seite bestritten, ist indessen, da ihr auf 
Grund der Aktenlage nicht gefolgt werden kann, von Amtes 
wegen zu korrigieren (vgl. Erw. 1 hievor). 
    Die Beschwerdegegnerin hatte ihr Arbeitspensum im 
Altersheim bereits per Ende 1989 - und damit lange vor dem 
Auftreten gesundheitlicher Probleme - von 100 % (42 Stunden 
pro Woche) auf 60 % (25,2 Stunden) reduziert (Auskunft der 
Stiftung Alters- und Pflegeheim Y.________ vom 8. Januar 
1996) und daneben gemäss ihren eigenen Angaben für zwei 
Stunden pro Woche eine Tätigkeit als Hauswartin in ihrem 
Wohnblock übernommen. Damit steht fest, dass sie, anders 
als auch in den Arztberichten wiederholt erwähnt wird, im 
damaligen Zeitpunkt nicht einer vollen, sondern einer Teil- 
erwerbstätigkeit nachging. Daneben führte sie den Haushalt 
und übernahm insbesondere Erziehungs- und Betreuungsaufga- 
ben für ihre 1981 und 1988 geborenen Töchter, welche nach 
ihren Angaben drei Mahlzeiten täglich zu Hause einnahmen 
(Abklärungsbericht Haushalt vom 18. Februar 1997). Bei die- 
ser Sachlage besteht eine natürliche Vermutung dafür, dass 
die Versicherte weiterhin der bisherigen Teilzeitbeschäfti- 
gung nachgegangen wäre, insbesondere da konkrete Anhalts- 
punkte, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf 
schliessen liessen, dass eine Steigerung der Erwerbstätig- 
keit beabsichtigt war, weder geltend gemacht werden noch 
ersichtlich sind. Entgegen der Auffassung von Vorinstanz 
und Verwaltung ist daher, davon ausgehend, dass die Versi- 
cherte weiterhin teilweise erwerbstätig wäre, die Invalidi- 
tätsbemessung nach der gemischten Methode vorzunehmen. 
Dabei wird die IV-Stelle, an welche die Sache (auch) aus 
diesem Grunde zurückzuweisen ist, den Umfang der neben der 
Beschäftigung im Altersheim (25,2 Stunden pro Woche) ausge- 
übten Teilerwerbstätigkeit durch Anfrage beim Arbeitgeber, 
der die Versicherte als Hauswartin angestellt hat, zu er- 
mitteln haben. Gestützt darauf wird sie den Anteil der 
Erwerbstätigkeit und der Beschäftigung im Haushalt festzu- 
legen haben (vgl. Erw. 2c hievor). 
 
    4.- Mit Bezug auf die Arbeitsfähigkeit führte der 
Hausarzt Dr. med. E.________ aus, dass der Beschwerde- 
gegnerin auf Grund ihrer Schmerzen im Nacken-Schulter-Arm- 
Bereich rechts die Arbeit im Altersheim nicht mehr zumutbar 
sei, sie hingegen "mit der Zeit" wieder leichte industriel- 
le Arbeiten (wie Kontrolltätigkeiten, Kleinmontage in sit- 
zender Position) ausführen könne (Bericht vom 1. März 
1996). Demgegenüber verneinte Dr. med. S.________ aus rein 
somatisch-rheumatologischer Sicht eine Einschränkung der 
Arbeitsfähigkeit (Gutachten vom 21. Mai 1996; Untersuchung 
vom 22. März 1996) und hielt Dr. med. W.________ aus psy- 
chiatrischer/psychosomatischer Sicht ein 80%-Pensum in der 
bisherigen Tätigkeit im Reinigungsdienst für zumutbar (Gut- 
achten vom 14. September 1996). 
    Angesichts dieser divergierenden Auffassungen der 
Ärzte ist, wie die Vorinstanz für den erwerblichen Bereich 
bereits zutreffend festgehalten hat, eine abschliessende 
Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht möglich. Eine Ergän- 
zung des medizinischen Sachverhaltes drängt sich im Weitern 
deshalb auf, weil die Arbeitsfähigkeit nach dem in Erw. 3 
Gesagten (Anwendung der gemischten Methode) nun ebenso für 
die Tätigkeit im Haushalt ermittelt werden muss. Auch aus 
diesem Grunde ist die Sache an die IV-Stelle zurückzuwei- 
sen, damit sie die Auswirkungen der Leiden der Beschwerde- 
gegnerin auf deren Arbeitsfähigkeit (im erwerblichen Be- 
reich und im Haushalt) eingehend abkläre und anschliessend 
den Invaliditätsgrad entsprechend der Behinderung in den 
beiden Bereichen neu festsetze. 
    Im Rahmen der Ermittlung des Invaliditätsgrades im 
erwerblichen Bereich wird die IV-Stelle sodann zu beachten 
haben, dass das der Verfügung vom 7. Mai 1997 zu Grunde 
liegende Vorgehen, das Invalideneinkommen nach Massgabe der 
ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit in Prozenten des 
Einkommens ohne Invalidität zu bestimmen und insofern von 
der Arbeitsunfähigkeit auf den Invaliditätsgrad zu schlies- 
sen, bundesrechtswidrig ist (vgl. BGE 114 V 314 Erw. 3c, 
RKUV 1991 Nr. U 130 S. 272 Erw. 3b). 
    5.- Im vorliegenden Verfahren geht es um die Bewilli- 
gung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, weshalb 
von der Auferlegung von Gerichtskosten abzusehen ist 
(Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend ist der Be- 
schwerdegegnerin nach Massgabe der Honorarnote eine Partei- 
entschädigung zuzusprechen (Art. 135 in Verbindung mit 
Art. 159 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, 
einschliesslich der unentgeltlichen Verbeiständung, erweist 
sich damit als gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der 
    Erwägungen abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Die IV-Stelle Basel-Landschaft hat der Beschwerde- 
    gegnerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen 
    Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
    Fr. 1413.10 (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezah- 
    len. 
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungs- 
    gericht des Kantons Basel-Landschaft, der Ausgleichs- 
    kasse Basel-Landschaft und dem Bundesamt für Sozial- 
    versicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 5. Mai 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident  Die Gerichts- 
der III. Kammer:  schreiberin: