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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_238/2011 
 
Urteil vom 5. Mai 2011 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
P.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Assura Kranken- und Unfallversicherung, Freiburgstrasse 370, 3018 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 1. März 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
P.________ wurde mit Schreiben der Assura, Basel, vom 3. Juni 2010 rückwirkend auf den 1. Februar 2010 in die obligatorische Krankenpflegeversicherung aufgenommen. Ab März 2010 unterzog sie sich in Deutschland einer Brustkrebsbehandlung. Am 5. August und 6. September 2010 ersuchte P.________ die Assura um Übernahme der Kosten für die bei Prof. Dr. med. B.________, Facharzt für Frauenheilkunde und Radiologie, erfolgte Behandlung. Die Assura lehnte die Kostenübernahme mit Verfügung vom 22. September 2010 ab und bestätigte diese mit Einspracheentscheid vom 29. Oktober 2010. 
 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde der P.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 1. März 2011 ab. 
 
C. 
P.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, die Assura sei zu verpflichten, die Kosten für die in Deutschland durchgeführte Behandlung zu übernehmen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem wegen Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2. 
2.1 Das kantonale Gericht legt die gesetzlichen Bestimmungen betreffend Übernahme der Kosten von im Ausland erbrachten Leistungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Art. 34 Abs. 1 und 2 KVG; Art. 36 KVV) zutreffend dar. Darauf kann verwiesen werden. Richtig ist insbesondere, dass eine Ausnahme vom Territorialprinzip gemäss Art. 34 Abs. 2 KVG in Verbindung mit Art. 36 KVV einen Notfall voraussetzt (Art. 36 Abs. 2 KVV) oder aber dass die - vom allgemeinen Leistungskatalog gemäss Art. 25 Abs. 2 KVG erfasste - medizinische Behandlung in der Schweiz nicht erbracht werden kann (Art. 36 Abs. 1 KVV). 
 
2.2 Nach der in der Krankenversicherung geltenden Rechtsprechung kann, wie die Vorinstanz ebenfalls zutreffend erwog, die Austauschbefugnis nicht dazu führen, dass Pflichtleistungen durch Nichtpflichtleistungen ersetzt werden, selbst wenn diese weniger kostspielig wären (BGE 133 V 21 E. 4.3, 131 V 107 E. 3.2.2). Der Grund dafür liegt vor allem in der besonderen gesetzlichen Regelung der Leistungsansprüche in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung: Das Prinzip der Inlandbehandlung ist eng verbunden mit dem gesetzlichen System der Spitalplanung und -finanzierung, das durch eine freie Wahl zwischen In- und Auslandbehandlung in Frage gestellt würde (BGE 131 V 271 E. 3.2 S. 276). Sodann besteht in der Krankenversicherung ein besonderes System der zugelassenen Leistungserbringer (Art. 35 ff. KVG), weshalb nicht unter Berufung auf die Austauschbefugnis eine von einem nicht zugelassenen Leistungserbringer erbrachte Leistung übernommen werden kann (BGE 126 V 330 E. 1b; Urteil K 67/02 vom 30. Juli 2003, E. 3). 
 
3. 
3.1 Das kantonale Gericht stellte letztinstanzlich verbindlich fest, die Beschwerdeführerin habe sich eigens für die ärztlichen Behandlungen ins Ausland begeben und erwog mit schlüssiger Begründung, es habe sich somit nicht um einen Notfall gehandelt. Ein besonderer medizinischer Grund für eine Behandlung im Ausland sei zu verneinen. 
 
3.2 Die Beschwerdeführerin schilderte die Chronologie der Ereignisse in zwei Schreiben an die Beschwerdegegnerin vom 5. August und 6. September 2010 wie folgt: Sie sei seit Sommer 2003 bei Dr. med. V.________, FMH für Gynäkologie, in Behandlung gewesen und habe sich auf Anraten dieses Arztes einer Hormontherapie unterzogen. Im Januar 2010 habe sie ihre Ärztin in S.________ konsultiert, welche eine Röntgenaufnahme ihrer Brust angefertigt und ihr dringend geraten habe, sich bei Dr. med. V.________ über die Notwendigkeit der Hormontherapie zu erkundigen. Am 16. Februar 2010 habe sie Dr. med. V.________ konsultiert, der ihr nach Einsicht in die Röntgenbilder versichert habe, es sei alles in Ordnung, und ihr geraten habe, die Hormondosis zu erhöhen. Am 5. März 2010 sei sie von Dr. med. V.________ - der zwischenzeitlich einen ihm bekannten Spezialisten konsultiert habe - informiert worden, sie leide möglicherweise an einem Karzinom, das nur schwer zu finden sei, weshalb eine Biopsie durchgeführt werden müsse. Bei einem Aufenthalt in F.________ am 16. März 2010 habe sie auf dem dortigen Marktplatz eine Anzeige des Zentrums für Brusterkrankungen für A.________ gesehen. Sie habe sich am 23. März 2010 in dieses Zentrum begeben, zumal ihr die Praxis des dort tätigen renommierten Brustkrebsspezialisten Prof. Dr. med. B.________ seit Jahren bekannt gewesen sei. Ihr Brustkarzinom sei sofort identifiziert und weiter behandelt worden (Abklärung der Leberwerte und Ganzkörperszintigraphie am 26. März 2010). Bereits am 31. März 2010 - nachdem sie am 29. März 2010 bei der Beschwerdegegnerin um Aufnahme in die Grundversicherung ersucht habe -, sei die Operation durch Prof. Dr. med. B.________ erfolgt. Beschwerdeweise rügt sie, die Vorinstanz habe den Sachverhalt unrichtig und unvollständig festgestellt. Namentlich werde im angefochtenen Entscheid dem Umstand nicht Rechnung getragen, dass sie die Klinik in Deutschland aufgesucht habe "zur neutralen Feststellung, ob tatsächlich ein Krebsrisiko besteht oder nicht", sich aber im Anschluss an die Onkologie-Konferenz vom 30. März 2010 in einer Notlage befunden habe und überdies erst am 3. Juni 2010 rückwirkend auf den 1. Februar 2010 bei der Assura versichert worden sei. Sie bringt vor, im März 2010 keine Veranlassung gehabt zu haben, eine theoretische Leistungspflicht ihrer nachmaligen Krankenversicherung abzuklären; im Übrigen bestünden unter gewissen Voraussetzungen Ausnahmen vom Territorialitätsprinzip. Zur sofortigen Behandlung in Deutschland habe sie sich entschieden, weil diese in der Schweiz nicht gleich schnell hätte durchgeführt werden können und deshalb mit grösseren Risiken behaftet gewesen wäre. 
 
4. 
4.1 Die Vorbringen der Versicherten vermögen keine Bundesrechtswidrigkeit des angefochtenen Entscheides darzutun. Zu Recht anerkannte sie in ihrer vorinstanzlichen Beschwerde ausdrücklich, dass eine gleichwertige adäquate Therapie in der Schweiz möglich gewesen wäre. Wenn die Vorinstanz in Würdigung des zeitlichen Ablaufes (E. 3.2 hievor) einen Notfall verneinte und erwog, die Versicherte hätte ungeachtet der zweifellos belastenden Krebsdiagnose vorgängig Erkundigungen betreffend Übernahme der Behandlungskosten im Ausland einholen können und müssen, verletzte sie kein Bundesrecht. Die Grundlagen für die Übernahme von Behandlungskosten im Ausland sind gesetzlich geregelt (E. 2.1 hievor) und gelten insoweit unabhängig vom konkreten Versicherungsverhältnis. Aus der Unkenntnis dieser Rechtslage kann die Beschwerdeführerin keine Vorteile ableiten (BGE 124 V 215 E. 2b/aa S. 220). Im Übrigen wusste sie nach ihrer eigenen Darstellung bereits vor der ersten Konsultation des Dr. med. B.________, dass sie bei der Beschwerdegegnerin um Aufnahme in die Grundversicherung ersuchen würde, weil auch ihr Ehemann bei dieser Versicherung angeschlossen ist (und sie aus diesem Grund auf bessere Konditionen ["Rabatte für Eheleute"] hoffte). Weil Krankenversicherungen - in ihrem örtlichen Tätigkeitsbereich - zur Aufnahme jeder versicherungspflichtigen Person verpflichtet sind (Art. 4 Abs. 2 KVG), kann die Beschwerdeführerin auch daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten, dass die Beschwerdegegnerin ihr die rückwirkende Aufnahme in die Grundversicherung erst anfangs Juni 2010 mitgeteilt hatte. 
 
4.2 Die Beschwerdeführerin rügt nicht substantiiert, die längere Wartezeit für die Operation in der Schweiz hätte zu einer unzumutbaren Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustands geführt. Abgesehen davon, dass Dr. med. V.________ bereits am 5. März 2010 eine Biopsie in Aussicht gestellt hatte, gilt es zu beachten, dass jede andere Patientin in der Schweiz mit gleichem Befund ebenfalls eine solche Wartezeit hätte erdulden müssen. Die Bestimmungen über die Auslandsbehandlung bezwecken, dass die Grundversicherung im Notfall im Ausland die gleichen Behandlungen übernimmt, die sie in der Schweiz übernehmen müsste. Sie sollen aber nicht dazu führen, dass Patienten dank der Auslandsbehandlung besser gestellt werden als sie bei einer Behandlung im Inland gestellt werden könnten. Damit soll generell Missbräuchen vorgebeugt werden, wobei eine konkrete Missbrauchsabsicht - welche der Beschwerdeführerin in keiner Weise unterstellt wird - nicht erforderlich ist (Urteil 9C_35/2010 vom 28. Mai 2010 E. 5.2). Auch wenn die von der Versicherten angeführten Gründe für die Behandlung in Deutschland (namentlich die kürzere Wartezeit) angesichts der beunruhigenden Diagnose subjektiv nachvollziehbar sind, können sie gleichwohl rechtlich nicht ausschlaggebend sein. Denn die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Territorialitätsprinzip (vgl. hiezu Urteil K 39/01 vom 14. Oktober 2002) sind nicht erfüllt. 
 
5. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend werden die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 5. Mai 2011 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Meyer Bollinger Hammerle