Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.330/2006 /leb
Urteil vom 5. Juli 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiberin Dubs.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Fürsprecher Stephan M. Hirter,
gegen
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern,
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Speichergasse 12, 3011 Bern.
Gegenstand
Ausweisung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 1. Mai 2006.
Sachverhalt:
A.
Der aus der Dominikanischen Republik stammende X.________ (geb. 1980) kam am 26. Juli 1995 im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz zu seiner Mutter, die hier verheiratet war und Schweizer Bürgerin ist. Am 22. Dezember 1995 wurde ihm die Niederlassungsbewilligung erteilt. Vom 15. Juni 2001 bis zum 21. Oktober 2003 war er mit einer chilenischen Staatsangehörigen verheiratet, die bereits vor der Scheidung mit ihrem vorehelichen Sohn nach Chile ausgereist ist.
Mit der in der Schweiz am 22. Oktober 2004 eingebürgerten Y.________, die früher ebenfalls Staatsangehörige der Dominikanischen Republik war, hat X.________ im Weiteren eine am **. ** 2004 geborene Tochter gezeugt.
B.
Mit Strafmandat vom 7. Juli 1999 wurde X.________ wegen Betäubungsmittelkonsums und Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR142.20) mit einer Busse von Fr. 400.-- bestraft. Am 6. Juni 2002 wurde er vom Obergericht des Kantons Bern qualifizierter Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen in der Zeit von Anfang 1998 bis 8. Dezember 1999, schuldig gesprochen und zu 30 Monaten Gefängnis und 5 Jahren bedingter Landesverweisung mit einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt. X.________ wurde am 8. Juni 2003 mit einer Bewährungsdauer von 2 Jahren bedingt aus dem Gefängnis entlassen und unter Schutzaufsicht gestellt.
C.
Mit Verfügung vom 30. Dezember 2002 wies das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern, Migrationsdienst, X.________ für unbestimmte Zeit aus der Schweiz aus und setzte die Ausreisefrist auf den Tag der Haftentlassung fest.
Dagegen beschwerte sich X.________ erfolglos vorerst bei der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern und darauf beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern.
D.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 2. Juni 2006 beantragt X.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. Mai 2006 aufzuheben und von einer Ausweisung abzusehen, eventualiter das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem stellt er das Begehren, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Das Bundesgericht hat die Akten des Verwaltungsgerichts beigezogen, jedoch keine Vernehmlassungen eingeholt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gegen die sich auf Art. 10 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) stützende Ausweisungsverfügung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 e contrario; BGE 114 Ib 1 E. 1a S. 2).
1.2 Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, so ist deren Sachverhaltsfeststellung für das Bundesgericht verbindlich, sofern diese nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensgarantien erfolgt ist (Art. 105 Abs. 2 OG). Damit ist die Möglichkeit, vor Bundesgericht neue Tatsachen vorzubringen und Beweismittel einzureichen, weitgehend eingeschränkt. Das Bundesgericht lässt nur solche neuen Tatsachen und Beweismittel zu, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte berücksichtigen müssen und deren Nichtbeachtung eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 128 II 145 E. 1.2.1 S. 150 mit Hinweisen). Nachträgliche Veränderungen des Sachverhalts (sog. "echte" Noven) können in der Regel nicht mehr berücksichtigt werden, denn einer Behörde ist nicht vorzuwerfen, sie habe den Sachverhalt im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG fehlerhaft festgestellt, wenn sich dieser nach ihrem Entscheid verändert hat (BGE 128 II 145 E. 1.2.1 S. 150; 127 II 60 E. 1b S. 63, je mit Hinweisen). Der Vertrag vom 29. Mai 2006 betreffend die Teilnahme an einem Wiedereingliederungsprogramm ist daher unbeachtlich; er wäre ohnehin nicht geeignet, am Ausgang des Verfahrens etwas zu ändern. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichts "teilweise bestreitet", lässt diese noch nicht als offensichtlich unrichtig oder unvollständig und die sich darauf stützende Rechtsanwendung als unverhältnismässig erscheinen.
2.
2.1 Nach Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft wurde. Die Ausweisung soll jedoch nur verfügt werden, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen erscheint (Art. 11 Abs. 3 ANAG). Hierbei sind vor allem die Schwere des Verschuldens des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz und die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (Art. 16 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, ANAV; SR 142.201). Ob die Ausweisung im Sinne der Art. 11 Abs. 3 ANAG und Art. 16 Abs. 3 ANAV "angemessen", d.h. verhältnismässig sei, ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde frei überprüft werden kann (Art. 104 lit. a OG). Dem Bundesgericht ist es jedoch verwehrt, sein eigenes Ermessen - im Sinne einer Überprüfung der Zweckmässigkeit (Opportunität; vgl. BGE 116 Ib 353 E. 2b S. 356 f.) der Ausweisung - an die Stelle desjenigen der zuständigen kantonalen Behörde zu setzen (BGE 125 II 105 E. 2a S. 107; 114 Ib 1 E. 1b S. 2).
2.2 Je länger ein Ausländer in der Schweiz anwesend war, desto strengere Anforderungen sind grundsätzlich an die Anordnung einer Ausweisung zu stellen. Zu berücksichtigen ist auch, in welchem Alter der Ausländer in die Schweiz eingereist ist. Selbst bei einem Ausländer, der bereits hier geboren ist und sein ganzes bisheriges Leben in der der Schweiz verbracht hat (Ausländer der "zweiten Generation"), ist eine Ausweisung nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung aber nicht ausgeschlossen (BGE 125 II 521 E. 2b S. 523 f. mit Hinweisen). Entscheidend ist in jedem Fall die Verhältnismässigkeitsprüfung, die gestützt auf die gesamten wesentlichen Umstände des Einzelfalles vorzunehmen ist (BGE 125 II 521 E. 2b S. 523 f. mit Hinweisen).
2.3 Sodann ist das in Art. 8 EMRK garantierte Recht auf Achtung des Familienlebens zu berücksichtigen: hat ein Ausländer nahe Verwandte mit gefestigtem Anwesenheitsrecht in der Schweiz und ist diese familiäre Beziehung intakt und wird sie tatsächlich gelebt, dann kann es das in Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV garantierte Recht auf Achtung des Familienlebens verletzen, wenn ihm die Anwesenheit in der Schweiz untersagt wird (BGE 129 II 193 E. 5.3.1). Nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK darf eine Behörde in die Ausübung des Rechts nach Ziff. 1 dieser Bestimmung nur eingreifen, wenn der Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.
3.
3.1 Ausgangspunkt und Massstab für die Schwere des Verschuldens und die fremdenpolizeiliche Interessenabwägung ist die vom Strafrichter verhängte Strafe (BGE 129 II 215 E. E. 3.1 S. 216). Der Beschwerdeführer wurde wegen qualifizierten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu 30 Monaten Gefängnis und 5 Jahren bedingter Landesverweisung, mit einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt, womit der Ausweisungsgrund gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG erfüllt ist. Seiner Verurteilung lag der Erwerb sowie der Verkauf bzw. das Anstalten-Treffen zum Verkauf von rund 2,7 kg Kokaingemisch bzw. 846 g reinem Kokain zugrunde. Damit hat der Beschwerdeführer die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr gebracht. Die kantonalen Behörden gehen unter diesen Umständen zu Recht von einem schweren Verschulden aus. Für die Beurteilung des Rückfallrisikos fällt ins Gewicht, dass weder das Strafmandat vom 7. Juli 1999 noch die Drogenprobleme seiner Mutter den Beschwerdeführer dazu zu bewegen vermochten, seine deliktische Tätigkeit zu beenden. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Beschwerdeführer bis heute nicht über eine stabile Erwerbssituation verfügt und zeitweise von der öffentlichen Fürsorge abhängig ist. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass er zukünftig in der Lage sein wird, für sich und seine Tochter finanziell aufzukommen. Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Rückfallgefahr als nicht unerheblich erachtet. Es besteht somit ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Entfernung und Fernhaltung des Beschwerdeführers aus der Schweiz.
3.2 Den öffentlichen Interessen sind die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in der Schweiz gegenüberzustellen. Der Beschwerdeführer reiste 1995 im Alter von etwas über 15 Jahren zwecks Familienzusammenführung zu seiner Mutter in die Schweiz ein, womit er nicht als Ausländer der "zweiten Generation" anzusehen ist. Er lebte zwar bis zu seiner Ausweisung seit sieben Jahren in der Schweiz, was aber nicht als besonders lange gelten kann und zudem durch die im Strafvollzug verbrachte Zeit relativiert wird. Von einer gelungenen Integration des Beschwerdeführers kann nicht gesprochen werden. Er verfügt nicht über ein tragendes Beziehungsnetz in der Schweiz und konnte sich hier in wirtschaftlicher Hinsicht nicht integrieren. Dem Beschwerdeführer, der mit der Sprache seiner Heimat sowie den dortigen Gepflogenheiten vertraut ist, ist somit eine Rückkehr in die Dominikanische Republik zumutbar.
3.3 Der Ausweisung des Beschwerdeführers steht auch Art. 8 Ziff. 1 EMRK nicht entgegen. Der Beschwerdeführer beruft sich diesbezüglich auf seine Beziehung sowohl zu seiner schwer kranken Mutter als auch zu seiner Tochter.
3.3.1 Nachdem zwischen dem volljährigen Beschwerdeführer und seiner Mutter kein eigentliches Abhängigkeitsverhältnis besteht, kann der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 8 EMRK kein Recht auf Aufenthalt aus der Anwesenheitsberechtigung seiner Mutter ableiten. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, wird der Beschwerdeführer, dessen bisherige Hilfeleistung sich auf gelegentliche Kontakte beschränkte, seine Mutter auch aus dem Ausland psychisch unterstützen können.
3.3.2 Wohl fallen die Interessen seiner am **. ** 2004 geborenen Tochter ins Gewicht, die bei ihrer Mutter lebt und zu der der Beschwerdeführer eine gelebte Beziehung unterhält. Zunächst ist jedoch festzuhalten, dass die Tochter nicht unter der elterlichen Sorge des Beschwerdeführers steht; die streitige fremdenpolizeiliche Entfernungsmassnahme betrifft demzufolge lediglich das von ihm wahrgenommene Besuchsrecht, das sich bis zu einem gewissen Grad auch durch telefonische oder briefliche Kontakte bzw. Besuchsaufenthalte im Heimatland aufrechterhalten bzw. kompensieren lässt (vgl. Urteil 2A.526/2005 vom 17. Februar 2006 E. 3.3) Die Schwere der begangenen Delikte lässt eine besondere Rücksichtnahme nicht zu. Die nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK erforderlichen Voraussetzungen für einen Eingriff in den Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens sind vorliegend erfüllt (E. 2.3). Das gilt umso mehr, als nicht von einer in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht besonders engen Beziehung zwischen Vater und Tochter gesprochen werden kann und der Beschwerdeführer zu schweren Klagen Anlass gegeben hat (vgl. Urteil 2A.563/2002 vom 23. Mai 2003 E. 2.2).
Wie die Vorinstanz zu Recht erwähnt, wäre es der Kindsmutter, die nicht erwerbstätig ist, ursprünglich ebenfalls aus der Dominikanischen Republik stammt und erst im Herbst 2004 in der Schweiz eingebürgert wurde, im Übrigen unbenommen, in ihre frühere Heimat zurückzukehren, falls sie ihrer Tochter die Möglichkeit einer dauernden Beziehung zum Beschwerdeführer gewährleisten möchte.
4.
4.1 Nach dem Gesagten erweist sich die Ausweisung als rechtmässig und das angefochtene Urteil damit als bundesrechtskonform. Ergänzend kann auf die umfassenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Art. 36 Abs. 3 OG). Die offensichtlich unbegründete Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG abzuweisen. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird mit dem Entscheid in der Sache gegenstandslos.
4.2 Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Polizei- und Militärdirektion und dem Verwaltungsgericht, Verwaltungsrechtliche Abteilung, des Kantons Bern sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 5. Juli 2006
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: