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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_67/2021  
 
 
Urteil vom 5. August 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, 
nebenamtlicher Bundesrichter Weber, 
Gerichtsschreiber Uebersax. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin Galatia Pfister, 
 
gegen  
 
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt 
des Kantons Bern, 
Schermenweg 5, Postfach, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
Sicherungsentzug des Führerausweises 
für Motorfahrzeuge, 
 
Beschwerde gegen das Urteil der Rekurskommission 
des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber 
Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern 
vom 17. Juni 2020 (300.2020.73). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Am Dienstag, 2. April 2019, um 16.22 Uhr überschritt A.________ auf der Bundesautobahn 7 bei Giengen (Deutschland) als Lenker eines Personenwagens die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 43 km/h (nach Toleranzabzug). Das Regierungspräsidium Karlsruhe verurteilte ihn deshalb mit Entscheid vom 24. Mai 2019 zu einer Busse von 160 Euro und auferlegte ihm ausserdem für Deutschland ein Fahrverbot von einem Monat. Auf den Einspruch von A.________ trat das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Bescheid vom 17. Juni 2019 wegen Verspätung nicht ein bzw. es verwarf diesen als unzulässig.  
 
A.b. Mit Verfügung vom 13. März 2020 entzog das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern (nachfolgend kantonales Amt) A.________ den Führerausweis für Motorfahrzeuge auf unbestimmte Zeit (Sicherungsentzug). Eine Wiederzulassung zum motorisierten Verkehr könne frühestens nach Ablauf von zwei Jahren, gerechnet ab Erhalt der Verfügung und nur aufgrund eines aktuellen verkehrspsychologischen Gutachtens, welches die Fahreignung vorbehaltlos bejahe, erfolgen. Am 13. April 2020 erhob A.________ bei der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern Beschwerde und beantragte dabei die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, was mit Verfügung vom 4. Mai 2020 abgewiesen wurde. Mit Urteil vom 17. Juni 2020 wies die Rekurskommission die Beschwerde ab.  
 
B.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1. Februar 2021 an das Bundesgericht stellt A.________ den Antrag, das Urteil der Rekurskommission vom 17. Juni 2020 sowie die Verfügung des kantonalen Amts vom 13. März 2020 aufzuheben. Eventuell sei das Urteil vom 17. Juni 2020 aufzuheben und die Streitsache zur Neubeurteilung an die Rekurskommission zurückzuweisen. Diese beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Das kantonale Amt und das Bundesamt für Strassen (ASTRA) schliessen auf Abweisung der Beschwerde. A.________ äusserte sich am 25. April 2021 nochmals zur Sache. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid über einen Führerausweisentzug. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 ff. BGG). Ein Ausnahmegrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist unter Vorbehalt der nachstehenden Erwägungen auf die Beschwerde einzutreten.  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).  
 
1.3. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254 mit Hinweisen). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).  
 
1.4. Unzulässig ist der Antrag des Beschwerdeführers, auch die Verfügung des kantonalen Amts vom 13. März 2020 aufzuheben. Diese ist durch das Urteil der Rekurskommission ersetzt worden (Devolutiveffekt) und gilt als inhaltlich mitangefochten (BGE 129 II 438 E. 1 S. 441 mit Hinweisen und BGE 134 II 142 E. 1.4). Auf diesen Antrag kann somit nicht eingetreten werden.  
 
2.  
 
2.1. Nach einer Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften im Ausland wird der Führerausweis entzogen, wenn im Ausland ein Fahrverbot verfügt wurde und die Widerhandlung nach den Art. 16b und Art. 16c SVG als mittelschwer oder schwer zu qualifizieren ist (Art. 16c bis Abs. 1 SVG). Bei der Festlegung der Entzugsdauer sind die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbotes auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen. Die Mindestentzugsdauer darf unterschritten werden. Die Entzugsdauer darf bei Personen, zu denen im Informationssystem Verkehrszulassung keine Daten zu Administrativmassnahmen (Art. 89c Bst. d) enthalten sind, die am Begehungsort im Ausland verfügte Dauer des Fahrverbots nicht überschreiten (Art. 16c bis Abs. 2 SVG).  
 
2.2. Gemäss Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG begeht eine schwere Widerhandlung, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt eine Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer Autobahn auch bei ansonsten günstigen objektiven und subjektiven Umständen des konkreten Einzelfalles eine schwere Widerhandlung im Sinne von Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG dar, wenn die zulässige Geschwindigkeit um 35 km/h oder mehr überschritten wird (Urteile des Bundesgerichts 1C_83/2008 vom 16. Oktober 2008 E. 2.1, in: SJ 2003 I S. 287; BGE 132 II 234 E. 3.1 S. 238, mit weiteren Hinweisen, 1C_432/2017 vom 7. Februar 2018 E. 2.2).  
 
2.3. Die über eine Massnahme entscheidende Verwaltungsbehörde ist grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts gebunden. Sofern die beschuldigte Person wusste oder angesichts der Schwere der ihr vorgeworfenen Delikte voraussehen musste, dass gegen sie ein Führerausweisentzugsverfahren eröffnet wird und sie es trotzdem unterlässt oder darauf verzichtet, im Rahmen des (summarischen) Strafverfahrens die ihr garantierten Verteidigungsrechte geltend zu machen, gilt dies auch für einen Strafentscheid, der nicht im ordentlichen Verfahren, sondern im Strafbefehlsverfahren gefällt wurde. Unter diesen Umständen darf die betroffene Person nicht das Verwaltungsverfahren abwarten, um allfällige Rügen vorzubringen und Beweisanträge zu stellen, sondern ist nach Treu und Glauben verpflichtet, dies bereits im Rahmen des (summarischen) Strafverfahrens zu tun, sowie allenfalls die nötigen Rechtsmittel zu ergreifen (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 1C_392/2013 vom 23. Januar 2014 E. 2.3, mit weiteren Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er werde gegenüber denjenigen Personen, die im Inland eine Verkehrsregelverletzung begangen hätten, schlechter gestellt. Worin diese Schlechterstellung bestehen soll, wird jedoch nicht näher erläutert. Die Argumentation des Beschwerdeführers kann allenfalls so verstanden werden, dass er der Auffassung ist,die Geschwindigkeitsüberschreitung im Ausland begangen zu haben und dort auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden zu sein, was in der Schweiz unmassgeblich sei bzw. hier einen Ausweisentzug ausschliesse.  
 
3.2. Das Regierungspräsidium Karlsruhe erliess am 24. Mai 2019 einen Bussgeldbescheid mit Fahrverbot. Die Zustellung eines Strafbefehls in einen anderen Staat stellt einen formellen Akt der Gerichtsbarkeit dar und hat auf dem Rechtshilfeweg zu erfolgen, wenn keine Rechtsgrundlage für eine andere Zustellungsform besteht (vgl. Urteile des Bundesgerichts 1C_236/2016 vom 15. November 2016 E. 3.2; 2C_827/2015 vom 3. Juni 2016 E. 3.2, in: RDAF, 2017 II 427; je mit Hinweisen). Schriftstücke in Strafsachen wegen Übertretung von Strassenverkehrsvorschriften dürfen Empfängern in der Schweiz gemäss Art. 30 Abs. 2 der Verordnung über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 24. Februar 1982 (IRSV; SR 351.11) unmittelbar mit der Post zugestellt werden. Das europäische Zustellungsübereinkommen (EZÜ), dem auch Deutschland beigetreten ist, ist für die Schweiz erst am 1. Oktober 2019 in Kraft getreten und kann somit für die Zustellung des Bussgeldbescheids vom 24. Mai 2019 nicht massgebend sein. Im Verhältnis zwischen der Schweiz und Deutschland bestanden jedoch schon vor dem 1. Oktober 2019 mehrere staatsvertragliche Bestimmungen, welche der Verordnung über internationale Rechtshilfe in Strafsachen als lex specialis vorgehen und die Behörden dazu ermächtigen, gerichtliche Urkunden in Strafsachen direkt per Post ins Ausland zuzustellen. So lässt Art. 16 Ziff. 1 des Zweiten Zusatzprotokolls vom 8. November 2001 zum Europäischen Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (EUeR; SR 0.351.12), dem sowohl die Schweiz als auch Deutschland angehören, die unmittelbare postalische Zustellung der fraglichen amtlichen Dokumente an den Betroffenen zu. Weiter sieht Art. IIIA des bilateralen Vertrags vom 13. November 1969 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des EUeR und die Erleichterung seiner Anwendung (SR 0.351.913.61) vor, dass die zuständigen Stellen eines Vertragsstaates im Rahmen der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, für die im anderen Vertragsstaat die Leistung von Rechtshilfe zulässig ist, gerichtliche und andere behördliche Schriftstücke unmittelbar durch die Post an Personen übersenden können, die sich im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 1C_236/2016 vom 15. November 2016 E. 3.5). Somit ist von einer zulässigen Zustellung des Bussgeldbescheids per Post an den Beschwerdeführer auszugehen, und es liegt insofern keine Bundesrechtsverletzung vor.  
 
3.3. Der Beschwerdeführer konnte sich vor Erlass des Bussgeldbescheides beim Regierungspräsidium Karlsruhe dazu äussern. Er stellte bereits damals in Aussicht, den Rechtsweg beschreiten zu wollen und seine Rechtsschutzversicherung zu kontaktieren. Damit verfügte er auch über die Möglichkeit, sich über einen rechtzeitigen Einspruch gegen die Bussgeldverfügung ins Bild zu setzen. Er ging jedoch nicht rechtzeitig dagegen vor. Sodann ergibt sich aus dem verkehrspsychologischen Gutachten vom 16. September 2015, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit bereits mehrfach die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen erheblich überschritten hatte und daraufhin mit Administrativmassnahmen konfrontiert worden war. Er musste daher voraussehen, dass gegen ihn wegen der massiven Geschwindigkeitsüberschreitung erneut ein Administrativverfahren eröffnet würde. Er durfte es nicht unterlassen oder darauf verzichten, im Rahmen des Strafverfahrens seine Verteidigungsrechte geltend zu machen. Dies gilt auch für einen Strafentscheid, der nicht im ordentlichen Verfahren, sondern im Strafbefehlsverfahren gefällt wird (Urteil des Bundesgerichts 1C_432/2017 vom 7. Februar 2018 E. 2.3.) Unter diesen Umständen darf die betroffene Person nicht das Verwaltungsverfahren abwarten, um allfällige Rügen vorzubringen und Beweisanträge zu stellen, sondern ist nach Treu und Glauben verpflichtet, dies bereits im Rahmen, auch eines summarischen, Strafverfahrens zu tun, sowie allenfalls die nötigen Rechtsmittel zu ergreifen (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 1C_392/2013 vom 23. Januar 2014 E. 2.3, mit weiteren Hinweisen). Auch konnte der Beschwerdeführer nicht davon ausgehen, dass eine derart massive Geschwindigkeitsüberschreitung, selbst wenn sie im Ausland begangen wurde, ohne Folgen im Rahmen einer Administrativmassnahme in der Schweiz bleiben würde. Der Beschwerdeführer hätte daher die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe und Rechtsmittel nutzen müssen, um seine Einwendungen im Einspracheverfahren gegen den Bussgeldbescheid geltend zu machen. Dieser erwuchs jedoch, nachdem der Beschwerdeführer dagegen nicht rechtzeitigen Einspruch erhoben und den Verwerfungsentscheid nicht angefochten hatte, in Rechtskraft.  
 
3.4. Insgesamt ist demnach von einer strafrechtlich anerkannten und im Schweizer Strassenverkehrsrecht massgeblichen Geschwindigkeitsüberschreitung von 43 km/h auszugehen.  
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer macht eine Notsituation geltend. Aufgrund Magenbeschwerden und akutem Durchfall sei er darauf angewiesen gewesen, dringend eine Toilette aufzusuchen. Unglücklicherweise hätten auf dem besagtem Streckenabschnitt Bauarbeiten stattgefunden, weshalb die Pannenstreifen aufgelöst und Zufahrten zu Tankstellen gestrichen gewesen seien. Er habe keine Möglichkeit gehabt anzuhalten und daher habe er die Geschwindigkeit auf der Suche nach der nächsten Ausfahrt bzw. Haltemöglichkeit erhöht. Das Regierungspräsidium Karlsruhe habe bestätigt, dass sich der Radar bei der Baustelle befunden habe und keine Pannenstreifen bzw. Standstreifen vorhanden gewesen seien.  
 
4.2. In der Sache beruft sich der Beschwerdeführer auf entschuldbaren Notstand gemäss Art. 18 StGB. Dies hätte der Beschwerdeführer jedoch grundsätzlich im strafrechtlichen Verfahren geltend machen müssen. Eine dem schweizerischen Recht entsprechende Bestimmung enthält auch das deutsche Recht (§ 35 des deutschen Strafgesetzbuches). Sogar wenn davon ausgegangen würde, dass die Frage des entschuldbaren Notstandes im Bussgeldverfahren in Deutschland selbst bei rechtzeitiger Einreichung der Einsprache nicht geprüft worden wäre, ist die Berufung des Beschwerdeführers auf Notstand, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, unbegründet. Die Frage kann daher offen gelassen werden, ob die Geltendmachung von Notstand wie bei einem Warnungsentzug sinngemäss auch bei einem Sicherungsentzug zulässig sein könnte.  
 
4.3. Auf Notstand kann sich berufen, wer in Rechtsgüter unbeteiligter Dritter eingreift, um so ein eigenes (Art. 17 Abs. 1 StGB) oder fremdes (Art. 17 Abs. 2 StGB, sog. Notstandshilfe) Rechtsgut aus einer drohenden Gefahr zu retten (vgl. MARCEL ALEXANDER NIGGLI/CAROLA GÖHLICH, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Aufl. 2019, Art. 17 StGB N. 1). Entschuldbarer Notstand liegt vor, wenn eine Person eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wenn ihr zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben (Art. 18 Abs. 1 StGB). Nach der Rechtsprechung ist bei einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung wie hier Notstand nur mit grosser Zurückhaltung anzunehmen (BGE 116 IV 364 E. 1a S. 366; Urteile des Bundesgerichts 6A.28/2003 vom 11. Juli 2003 E. 2.2; 6A.58/1992 vom 16. November 1992 E. 4b). Eine massive Geschwindigkeitsüberschreitung dürfte höchstens dann durch Notstand bzw. Notstandshilfe gerechtfertigt oder entschuldbar sein, wenn der Schutz hochwertiger Rechtsgüter wie Leib, Leben und Gesundheit von Menschen in Frage steht. Selbst in solchen Fällen ist Zurückhaltung geboten; denn bei massiven Geschwindigkeitsüberschreitungen ist die konkrete Gefährdung einer unbestimmten Zahl von Menschen möglich, die sich oft nur zufällig nicht verwirklicht (BGE 116 IV 364 E. 1a S. 366). In Betracht kommt die Annahme eines Notstandes bzw. einer Notstandshilfe insbesondere in Fällen, in denen ein Fahrzeuglenker jemanden, der schwer wiegende Krankheitssymptome aufweist, möglichst schnell ins Spital bringen muss, oder wenn der Fahrzeuglenker gegebenenfalls selber an einer lebensbedrohlichen gesundheitlichen Beeinträchtigung leidet, die ein unverzügliches Aufsuchen des Spitals erforderlich macht (vgl. BGE 106 IV 1). In solchen Fällen stehen Leib und Leben auf dem Spiel. So verhält es sich im hier zu beurteilenden Fall nicht. Zwar war der Beschwerdeführer in einer unangenehmen Situation. Dies entschuldigt jedoch nicht die massive Geschwindigkeitsüberschreitung. Denn damit setzte er die übrigen Verkehrsteilnehmer wie auch die auf der Baustelle tätigen Personen einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben aus. Geschwindigkeitsüberschreitungen sind eine der Hauptursachen für schwere Unfälle. Das Interesse der übrigen Verkehrsteilnehmer, sicher am Strassenverkehr teilnehmen zu können, ist höher zu gewichten als das genannte Interesse des Beschwerdeführers (Urteil des Bundesgerichts 1C_4/2007 vom 4. September 2007 E. 2.2.).  
 
4.4. Dem Beschwerdeführer könnte zwar grundsätzlich nicht zum Vorwurf gereichen, dass er in einer Situation von plötzlich auftretenden Magen-/Darmproblemen von verschiedenen möglichen Massnahmen nicht diejenige ergreift, die sich im Nachhinein aus objektiver Sicht als die angemessenste Reaktion erweist (vgl. BGE 115 IV 248 E. 5 S. 254 f.). Indes ist nicht jedes unzweckmässige Handeln entschuldbar. Das Bundesgericht verlangt, dass die ergriffene Massnahme und diejenige, welche nachträglich als die zweckmässigere erscheint, annähernd gleichwertig sein müssen und dass der Fahrzeugführer deren unterschiedliche Wirksamkeit nur deshalb nicht erkannte, weil die plötzlich eingetretene Situation eine augenblickliche Entscheidung erforderte. Wo eine Vorkehr im Vergleich zu andern sich aber derart aufdrängt, dass sie auch im Falle der Notwendigkeit sehr rascher Reaktion als die näherliegende und angemessenere erkannt werden kann, ist es als Fehler anzurechnen, wenn trotzdem eine weniger geeignete getroffen wird (BGE 83 IV 84 f.; Urteile des Bundesgerichts 1C_656/ 2015 vom 8. April 2016 E. 2.3; 1C_361/2014 vom 26. Januar 2015 E. 3.1; je mit Hinweisen; sowie 1C_341/2017 vom 2. Oktober 2017 E. 2.3).  
 
4.5. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er schwerwiegende Krankheitssymptome gehabt habe.  
 
4.5.1. Trifft dies zu, so ist nicht nachvollziehbar, dass er nicht sofort, sondern - wie er selber darlegt - erst in den "darauffolgenden Tagen" einen Arzt aufsuchte. Der Beschwerdeführer befand sich bei einer Fahrgeschwindigkeit von 123 km/h erst ungefähr 24 Sekunden im Baustellenbereich, denn der Standort des Geschwindigkeitsmessgeräts befand sich gemäss dem Messprotokoll 800 Meter nach der Signalisation der Geschwindigkeitsreduktion auf 120 km/h. Für das Durchfahren der Strecke wurde somit nur sehr kurze Zeit benötigt. Bei schwerwiegenden Krankheitssymptomen wäre ihm somit weniger als eine halbe Minute vor der Geschwindigkeitsmessung noch ausserhalb des Baustellenbereichs ein Anhalten möglich gewesen. Demgegenüber stellte das Verhalten des Beschwerdeführers, den Baustellenbereich mit stark übersetzter Geschwindigkeit zu befahren, für die anderen Verkehrsteilnehmer und die auf der Baustelle tätigen Personen ein erhebliches Risiko dar. Selbst wenn sich der Beschwerdeführer im Fahrzeug hätte erleichtern müssen, so hätte damit das von ihm mit der massiv übersetzten Geschwindigkeit geschaffene erhebliche Risiko für die übrigen Verkehrsteilnehmer und für die auf der Baustelle tätigen Personen vermieden werden können.  
 
4.5.2. Im Übrigen musste dem Beschwerdeführer bei seinem Entscheid, mit stark übersetzter Geschwindigkeit zu fahren, um sich möglichst rasch erleichtern zu können, bewusst gewesen sein, dass eine solche Situation kaum einen entschuldbaren Notstand darstellen dürfte. So berief er sich bereits am 4. Juli 2014 in einem früheren Fall übersetzter Geschwindigkeit darauf, dass seine Freundin wegen ihrer Periode möglichst rasch eine Toilette aufzusuchen hatte und er unter anderem deswegen am 8. Juni 2014 mit mindestens 184 km/h statt den erlaubten 120 km/h gefahren war. Jedoch hatte das kantonale Amt in seiner Verfügung vom 13. Februar 2015 die vom Beschwerdeführer angeführte Rechtfertigung für die Geschwindigkeitsüberschreitung unberücksichtigt gelassen.  
 
4.6. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV vor, da sie das bei ihr im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eingereichte Schreiben seiner Ehefrau nicht berücksichtigt habe. Jedoch ist nicht ersichtlich, welche Erkenntnisse diesem Schreiben entnommen werden könnten, die belegen würden, dass die Vorinstanz den Sachverhalt unrichtig festgestellt haben soll. So wird die Angabe von ihr, dass sich die Radarkontrolle noch vor der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h befunden habe, durch die Erhebungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe widerlegt. Auch bei Bestehen der von ihr angeführten Magenschmerzen - also offenbar nicht von Magen-/Darm-/Durchfallproblemen, wie vom Beschwerdeführer selber geltend gemacht- ihres Ehemannes wäre deswegen wie dargelegt die erheblich übersetzte Geschwindigkeit im Baustellenbereich nicht entschuldbar gewesen. Die Angaben über das allgemeine Fahrverhalten des Beschwerdeführers können schliesslich auch nicht dazu führen, dass eine konkret nachgewiesene, massive Geschwindigkeitsüberschreitung als nicht geschehen zu werten bzw. unbeachtlich ist. Der Vorinstanz kann daher wegen der nicht ausdrücklichen Auseinandersetzung mit den schriftlichen Ausführungen der Ehefrau keine unrichtige Feststellung des Sachverhaltes vorgeworfen werden. Sie musste sich auch nicht mit der Frage auseinandersetzen, wie dieses von einer nahen Angehörigen des Beschwerdeführers beigebrachte Beweismittel zu würdigen sei.  
 
4.7. Notstand ist daher zu verneinen. Die entsprechenden Erwägungen der Vorinstanz sind bundesrechtlich nicht zu beanstanden.  
 
5.  
 
5.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe das Rechtsgleichheitsgebot verletzt, indem sie Art. 16c bis Abs. 2 SVG nicht geprüft habe.  
 
5.2. Die Vorinstanz hat dargelegt, dass sie die gesetzliche Mindestdauer in Anbetracht des mit zahlreichen, zum Teil schweren Geschwindigkeitsüberschreitungen stark getrübten automobilistischen Leumunds und der am 2. April 2019 verursachten besonders hohen Verkehrsgefährdung als angemessen betrachte, selbst wenn dem Beschwerdeführer eine gewisse Betroffenheit vom einmonatigen deutschen Fahrverbot attestiert würde. Die Vorinstanz hat somit Art. 16c bis Abs. 2 SVG geprüft und ist zum Schluss gekommen, die gesetzliche Mindestdauer sei angemessen. Bei der Berücksichtigung des ausländischen Fahrverbots sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (BGE 129 II 168 E. 6.3 sowie Urteil des Bundesgerichts 1C_559/2017 vom 22. Februar 2018 E. 2.1.). Die Vorinstanz hat diese Einzelfallprüfung vorgenommen und dargelegt, dass in Anbetracht des nur einen Monat dauernden ausländischen Fahrverbots sowie der hohen Verkehrsgefährdung am 2. April 2019 und des stark getrübten automobilistischen Leumunds die gesetzliche Mindestdauer von zwei Jahren angemessen sei.  
 
5.3. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er wegen der ihm verwehrten Teilnahme an Pokerturnieren in Deutschland in der Zeitperiode vom 14. November 2019 bis 13. Dezember 2019 wegen des in Deutschland ausgesprochenen Fahrverbots massive, schwere Einkommenseinbussen erlitten habe. Die konkrete Höhe dieser angeblich schweren Einkommenseinbussen wird jedoch weder beziffert noch belegt. Der Beschwerdeführer gab am 19. August 2015 im Rahmen des damals erstellten verkehrspsychologischen Fahreignungsgutachtens bei der Frage der Freizeitgestaltung an, dass er neuerdings ein "Poker-Spieler" sei und auch an Turnieren teilnehme. Auch im Lebenslauf 2019 führte der Beschwerdeführer bei den Freizeitaktivitäten auf, passionierter internationaler Pokerspieler zu sein. Aus diesen aktenmässig erstellten Aussagen kann daher nicht auf eine auf Erwerb ausgerichtete Tätigkeit als Pokerspieler ausgegangen werden, sodass deswegen auch nicht eine besondere Betroffenheit vom in Deutschland ausgesprochenen Fahrverbot zu bejahen ist.  
 
6.  
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern, der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern und dem Bundesamt für Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. August 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Uebersax