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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6P.143/2006 
6S.311/2006 /rom 
 
Urteil vom 5. September 2006 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Zünd, 
Gerichtsschreiber Willisegger. 
 
Parteien 
X.______, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Josef Mock Bosshard, 
 
gegen 
 
Generalprokurator des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern, 
Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, Postfach 7475, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
6P.143/2006 
Strafverfahren; willkürliche Tatsachenfeststellung bzw. Beweiswürdigung (Art. 9 BV), Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" (Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK), 
 
6S.311/2006 
Versuchte Tötung (Art. 18, 19, 22, 33 StGB sowie Art. 111 StGB), Strafzumessung (Art. 63 und 68 StGB), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde (6P.143/2006) und Nichtigkeitsbeschwerde (6S.311/2006) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 11. November 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Kreisgericht IV Aarwangen-Wangen sprach X.______ am 18. Juli 2001 wegen versuchter Tötung seiner Ehefrau Y.______, versuchter Nötigung von Z.______ sowie Widerhandlungen gegen das Waffengesetz schuldig und bestrafte ihn mit einer Zuchthausstrafe von 3 ½ Jahren. Eine dagegen erhobene Appellation an das Obergericht des Kantons Bern zog X.______ nach durchgeführter Hauptverhandlung zurück, worauf das Appellationsverfahren mit Beschluss vom 23. April 2002 als gegenstandslos abgeschrieben wurde. Ein Begnadigungsgesuch wurde am 26. November 2002 abgewiesen. 
 
Der Kassationshof des Kantons Bern hob das kreisgerichtliche Urteil in Gutheissung eines Revisionsgesuches am 24. Februar 2003 auf und wies das Verfahren zur Neubeurteilung zurück, da es gestützt auf die neu vorgelegten ärztlichen Atteste eine psychiatrische Begutachtung als notwendig erachtete. Mit Urteil vom 9. Dezember 2004 gab das Kreisgericht dem Strafverfahren wegen Widerhandlungen gegen das Waffengesetz infolge Verjährung keine weitere Folge, bestätigte aber in den übrigen Punkten sein früheres Urteil. Auf Appellation von X.______ hin stellte das Obergericht am 11. November 2005 fest, dass das kreisgerichtliche Urteil betreffend die Widerhandlungen gegen das Waffengesetz in Rechtskraft erwachsen ist (Ziff. 1), erkannte, dass dem Verfahren wegen versuchter Nötigung keine weitere Folge gegeben wird (Ziff. 2), und verurteilte ihn wegen versuchter Tötung seiner Ehefrau zu einer Zuchthausstrafe von 3 Jahren (Ziff. 3). 
B. 
X.______ führt gegen das Urteil des Obergerichts staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, je mit dem Antrag, Ziff. 3 des angefochtenen Urteils aufzuheben und zu neuer Entscheidung zurückzuweisen. 
C. 
Das Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung zu den beiden Beschwerden. Weitere Stellungnahmen wurden nicht eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
I. Staatsrechtliche Beschwerde 
1. 
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts muss bei staatsrechtlichen Beschwerden die Begründung in der Beschwerdeschrift selber enthalten sein (BGE 115 Ia 27 E. 4a S. 30, mit Hinweis). Es genügt den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht, wenn der Beschwerdeführer sich darauf beschränkt, anstelle einer Begründung auf seine Ausführungen in Rechtsschriften des vorangegangenen kantonalen Verfahrens zu verweisen. Soweit der Beschwerdeführer die Appellationsbegründung vom 28. Februar 2005 zum "integrierenden Bestandteil" seiner staatsrechtlichen Beschwerde erklärt, ist auf seine Beschwerde nicht einzutreten. 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer rügt Willkür in der Beweiswürdigung (Art. 9 BV) und eine Verletzung des Grundsatzes von "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel (Art. 32 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 2 EMRK). Er wirft dem Obergericht zusammenfassend vor, es habe die Kehrtwende von Y.______ im wiederaufgenommenen Verfahren zu Unrecht als unglaubwürdig erachtet, den massgebenden Sachverhalt in verschiedener Hinsicht "ausgeblendet" und die gerichtlichen Gutachten in unhaltbarer Weise gewürdigt. 
2.2 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss eine staatsrechtliche Beschwerde die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene, rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (grundlegend: BGE 110 Ia 1 E. 2a; 125 I 492 E. 1b S. 495, mit Hinweisen). Wird eine Verletzung des Willkürverbotes geltend gemacht, muss in der Beschwerde im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der angefochtene Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 130 I 258 E. 1.3; 125 I 492 E. 1b). Auch soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel geltend macht, muss er im Einzelnen aufzeigen, inwiefern das Obergericht im Ergebnis eine willkürliche Beweiswürdigung vornahm, d.h. den Beschwerdeführer verurteilte, obgleich bei objektiver Betrachtung des ganzen Beweisergebnisses offensichtlich erhebliche bzw. schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an seiner Schuld fortbestanden (BGE 127 I 38 E. 2a; 124 IV 86 E. 2a; 120 Ia 31 E. 2d S. 38 und E. 4b). 
2.3 Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdeschrift nicht. Der Beschwerdeführer begnügt sich damit, seine bereits im kantonalen Verfahren erhobenen Rügen zu erneuern. Mit den einlässlichen Erwägungen im angefochtenen Entscheid setzt er sich jedoch nicht auseinander. Er zeigt nicht auf, inwiefern das Urteil des Obergerichts an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leiden sollte oder bei objektiver Betrachtung des Beweisergebnisses schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an seiner Schuld fortbestanden hätten. Seine Rügen erschöpfen sich in einer appellatorischen Kritik an der obergerichtlichen Beweiswürdigung. Damit ist er nicht zu hören. 
3. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Dargelegten nicht einzutreten. 
II. Nichtigkeitsbeschwerde 
4. 
Mit Nichtigkeitsbeschwerde macht der Beschwerdeführer zur Hauptsache geltend, er habe in Putativnotwehr gehandelt, weil er sich unter den tatsächlich gegebenen Umständen von seiner Ehefrau angegriffen gefühlt habe. Seine diesbezüglichen Vorbringen richten sich allesamt gegen die verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Entscheid (vgl. insbesondere S. 82-84), was im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht zulässig ist (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP; Art. 277bis Abs. 1 BStP). Unzulässig ist die Beschwerde auch im Eventualstandpunkt. Darin kritisiert der Beschwerdeführer die gerichtlichen Gutachten zur Beurteilung seiner Zurechnungsfähigkeit als unvollständig und nicht überzeugend bzw. als nicht aussagekräftig. Ob das Gericht die in einem psychiatrischen Gutachten enthaltenen Ausführungen für überzeugend hält oder nicht und ob es dementsprechend den Schlussfolgerungen des Experten hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen der Zurechnungsfähigkeit folgen oder gegebenenfalls eine Oberexpertise anordnen soll, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes eine Frage der Beweiswürdigung. Kritik daran kann nicht mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde, sondern nur mit staatsrechtlicher Beschwerde geübt werden (BGE 106 IV 97 E. 2, 236 E. 2a, je mit Hinweisen). Inwiefern die Vorinstanz aber von einem unrichtigen Begriff der Zurechnungsfähigkeit ausgegangen sein sollte, wird in der Beschwerde nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich. Auf die Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach nicht einzutreten. 
III. Kosten 
5. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten (Art. 156 Abs. 1 OG; Art. 278 Abs. 1 BStP). Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege sind wegen Aussichtslosigkeit (Art. 152 Abs. 1 OG) abzuweisen. Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr wird den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers angemessen Rechnung getragen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten. 
3. 
Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege werden abgewiesen. 
4. 
Die Gerichtsgebühr von ingesamt Fr. 1'600.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
5. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Generalprokurator des Kantons Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 5. September 2006 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: