Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess {T 7}
I 452/06
Urteil vom 5. September 2006
IV. Kammer
Besetzung
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön; Gerichtsschreiber Wey
Parteien
K.________, Beschwerdeführer, vertreten durch den Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten,
gegen
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
(Entscheid vom 19. April 2006)
Sachverhalt:
A.
Der 1949 geborene K.________ absolvierte eine Lehre als Hafner/Plattenleger und bildete sich später zum Hafnermeister weiter. Seit 1992 leidet er zeitweise, seit Juni 1999 dauernd an Beschwerden an der rechten Schulter (Impingement-Syndrom der rechten Schulter bei degenerativen Veränderungen im Akromioklavikulargelenk, lateralem Akromionsporn sowie Verkalkungen der Supraspinatussehne), die immer wieder zu teilweisen bzw. gänzlichen Arbeitsausfällen führten. Schliesslich sah sich der Versicherte gezwungen, die Stelle bei der Firma X.________ AG, bei der er seit November 1994 als Ofenbauer tätig war, auf Ende Juni 2003 zu kündigen und damit seinen angestammten Beruf aufzugeben.
Am 6. Dezember 2001 meldete sich K.________ zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Luzern veranlasste die notwendigen medizinischen und beruflichen Abklärungen. Zudem sprach sie ihm mit Verfügung vom 1. Mai 2002 eine Berufsberatung zu und leitete eine Abklärung der beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten ein. Überdies gewährte sie mit Verfügung vom 17. Juni 2003 ein sechsmonatiges Arbeitstraining, das der Beschwerdeführer als "Allrounder" bei der Y.________ AG (vom 1. Juli 2003 bis zum 31. Dezember 2003) absolvierte, wo er seit 1. Januar 2004 als fest angestellter Mitarbeiter tätig ist. Einen Rentenanspruch verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 29. März 2004 und Einspracheentscheid vom 6. Mai 2005 unter Annahme eines Invaliditätsgrades von 32 % bzw. 21 %.
B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 19. April 2006 ab.
C.
K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag auf Zusprechung einer Invalidenrente mit Wirkung ab 1. November 2002 zuzüglich Verzugszinsen auf den Invalidenleistungen von 5 % ab 1. Januar 2003. Eventuell sei "die Angelegenheit zu weiteren Abklärungen bzw. zur Durchführung beruflicher Massnahmen" an die Verwaltung zurückzuweisen.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Stellungnahme.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Nach Art. 132 Abs. 1 OG in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG (in Kraft seit 1. Juli 2006) kann das Eidgenössische Versicherungsgericht in Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in Abweichung von den Art. 104 und 105 OG auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung beurteilen und ist an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden. Gemäss Art. 132 Abs. 2 OG gelten diese Abweichungen nicht, wenn der angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung betrifft. Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 ist indessen auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängigen Beschwerden bisheriges Recht anwendbar. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, richtet sich dessen Kognition noch nach der bis Ende Juni 2006 gültigen Fassung von Art. 132 OG, welche dem neuen Abs. 1 entspricht.
2.
Die Vorinstanz hat die massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, namentlich diejenigen über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG sowohl in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen wie auch in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung) sowie über die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (bis 31. Dezember 2002: Art. 28 altAbs. 2 IVG; vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003: Art. 1 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; ab 1. Januar 2004: Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; BGE 130 V 348 Erw. 3.4, 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 Erw. 2a und b), richtig dargelegt. Hierauf wird verwiesen.
3.
Streitig und zu prüfen ist insbesondere die Art und Weise der Bemessung des für den Einkommensvergleich heranzuziehenden Invalideneinkommens.
3.1 Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht wiederholt betont hat, ist dabei primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität eine Erwerbstätigkeit aus, bei der - kumulativ - besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass sie die ihr verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft, und erscheint zudem das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn, gilt grundsätzlich der tatsächlich erzielte Verdienst als Invalidenlohn. Ist kein solches tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen gegeben, namentlich weil die versicherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, so können nach der Rechtsprechung Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) herangezogen werden (BGE 129 V 475 Erw. 4.2.1, 126 V 76 Erw. 3b, 117 V 8 Erw. 2c/aa).
3.2 Vorliegend ist in erster Linie zu prüfen, ob der Beschwerdeführer die ihm verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise ausschöpft und daher der tatsächlich erzielte Verdienst als Invalideneinkommen herangezogen werden kann. Dabei ist unstreitig, dass er in einer leidensangepassten Tätigkeit (kein Heben schwerer Lasten, keine Tätigkeit in ungünstigen Positionen, insbesondere keine schwere Überkopfarbeit) zu 100 % arbeitsfähig ist. Es fragt sich somit nur noch, ob der Versicherte diese Arbeitsfähigkeit in einer ihm zumutbaren Weise ausschöpft, indem er im Rahmen seiner Tätigkeit als "Allrounder" bei der Y.________ ein monatliches Einkommen von Fr. 3600.- erzielt. Gemäss dem Bericht der beruflichen Abklärungsstelle (BEFAS) vom 17. April 2003, welcher auf der Grundlage einer vierwöchigen beruflichen Abklärung erstellt wurde, zeigte sich insbesondere, dass der Beschwerdeführer "ein solides Fundament an schulisch-theoretischen Fähigkeiten und eine gute Lern- und Merkfähigkeit" aufweist. Überdies verfüge er über gepflegte Umfangsformen, was eine Tätigkeit mit Kundenkontakt erlaube. Ferner liessen seine Deutschkenntnisse "auch den Einsatz im administrativen Bereich" zu. Daraus ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer eine breite Palette an Verweisungstätigkeiten offen steht, sodass zur Beurteilung der Frage, ob er seine erwerblichen Möglichkeiten in zumutbarer Weise ausschöpft, der Totalwert von Tabelle A1 der LSE 2002 als Vergleichslohn herangezogen werden kann. Danach beträgt der monatliche Verdienst für Männer umgerechnet auf die betriebsübliche Wochenarbeitszeit von 41,7 Stunden im Jahr 2002 (Die Volkswirtschaft 2005, Heft 1/2, S. 102, Tabelle B 9.2, Total) im Anforderungsniveau 3 Fr. 5726.- und im Anforderungsniveau 4 Fr. 4751.-. Es besteht somit eine Differenz von 37 % bzw. 32 % zwischen dem vom Beschwerdeführer tatsächlich erzielten monatlichen Einkommen und den herangezogenen Tabellenlöhnen, was in beiden Fällen erheblich ist. Der Versicherte hat sich gemäss Protokoll der IV-Stelle vom 12. Mai 2003 bewusst für eine im Vergleich mit anderen Verweisungstätigkeiten schlechter bezahlte Arbeit entschieden. Eine besser entlöhnte Tätigkeit etwa als technischer Kaufmann oder in einem Büro seien für ihn gemäss Bericht des BEFAS vom 17. April 2003 keine Option gewesen. Diesen Entscheid des Versicherten respektierte die Verwaltung, worin indessen kein widersprüchliches Verhalten ihrerseits erkannt werden kann. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die ihm verbleibende Arbeitsfähigkeit nicht in zumutbarer Weise ausschöpft und folglich für die Bemessung des Invalideneinkommens nicht auf den tatsächlich erzielten Verdienst abgestellt werden kann. Nach dem Gesagten kommt der Versicherte seiner Pflicht zur Schadenminderung (vgl. BGE 123 V 233 Erw. 3c) nicht angemessen nach.
3.3 Wie die Vorinstanz zutreffend darlegt, sind für den Einkommensvergleich die Verhältnisse im Zeitpunkt des (potentiellen) Rentenbeginns (hier: 2002) massgebend (BGE 128 V 174, 129 V 222). Demzufolge ist der von ihr als Valideneinkommen herangezogene Verdienst in der Höhe von Fr. 79'192.- nicht zu beanstanden. Da mit Blick auf das Invalideneinkommen selbst unter Zugrundelegung des Totalwerts nach Anforderungsniveau 4 kein rentenbegründender Invaliditätsgrad von 40 % erreicht wird, kann offen bleiben, ob nicht allenfalls der (höhere) Wert des Anforderungsniveaus 3 als Invalideneinkommen anzurechnen wäre. Ebenso wenig braucht eine Erhöhung des Abzugs vom Tabellenlohn (vgl. BGE 126 V 79 f. Erw. 5b/aa-cc) näher geprüft zu werden, weil auch bei einem erhöhten Abzug von 15 % nicht die für eine Invalidenrente erforderlichen 40 % resultieren. Schliesslich ist von weiteren beruflichen Massnahmen gegenwärtig abzusehen, da der Beschwerdeführer einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit nachgeht und es am erforderlichen Willen, eine andere als die derzeitige Arbeit auszuüben, vermissen lässt.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Ausgleichskasse des Schweizerischen Gewerbes, Bern, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 5. September 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: