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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2P.204/2003 
 
Urteil vom 5. November 2003 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, Merkli, 
Ersatzrichter Zünd, 
Gerichtsschreiberin Diarra. 
 
Parteien 
A.________, 
B.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Advokat Peter Volken, 
 
gegen 
 
Staatsrat des Kantons Wallis, 
Staatskanzlei, 1950 Sitten, 
Kantonsgericht Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, Justizgebäude, 1950 Sitten. 
 
Gegenstand 
Art. 8, 9, 26 und 27 BV 
(Gesundheitswesen; Rettungsdienst), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, vom 6. Juni 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.________ und B.________ betreiben seit knapp dreissig Jahren Ambulanzunternehmungen im Kanton Wallis. Gestützt auf das Gesetz vom 27. März 1996 über die Organisation des Rettungswesens, mit welchem eine Neuordnung des Rettungswesens im Kanton Wallis u.a. mit der Schaffung einer kantonalen Dachorganisation für das Rettungswesen (Kantonale Walliser Rettungsorganisation [KWRO]) verbunden war, erteilte das Departement für Gesundheit, Sozialwesen und Energie des Kantons Wallis (im folgenden: Departement) am 24. Juni 1997 bzw. am 4. August 1997 den Ambulanzunternehmungen B.________ und A.________ die Betriebsbewilligungen als Rettungsunternehmungen. Die Bewilligungen wurden im Zusammenhang mit der fortschreitenden Einführung der neuen Anforderungen provisorisch erteilt, wobei das Departement ausführte, es werde sich gestützt auf die Vormeinung der KWRO bis am 31. Dezember 1997 über die Erteilung einer definitiven Bewilligung aussprechen. Zudem wurden Minimalanforderungen (verantwortliche Vertrauensärzte, intervenierende Ärzte, Rettungssanitäter IVR/SRK, Transporthelfer IVR/CFM/SRK, Zusammenarbeit mit der Zentrale 144, Einsatzprotokoll) formuliert, die bis 31. Dezember 1997 zu erfüllen waren. 
 
Eine definitive Betriebsbewilligung wurde in der Folge, soweit aus den Akten ersichtlich, nicht erteilt, jedoch beschloss das Departement am 14. Februar 2001, die genannten Unternehmungen seien nurmehr berechtigt, ihre Tätigkeiten im Rettungswesen unter bestimmten Beschränkungen und Modalitäten (Weiterleitung aller Anrufe auf die Einsatzzentrale 144, keine Durchführung von Transport-Einsätzen der Kategorie D1 [Ausnahme bei fehlendem Transportmittel in der Region], Einsätze der Kategorien D2 und D3 nur bei Anordnung und nach Weisung der Zentrale 144) auszuüben. Der Beschluss wurde ausdrücklich als provisorisch und zeitlich begrenzt bis 30. April 2002 bezeichnet; sollte bis zu diesem Zeitpunkt unter Mitwirkung der KWRO keine dauerhafte und zufriedenstellende Lösung gefunden werden, werde die Bewilligung nicht mehr erneuert. 
B. 
Am 9. Oktober 2002 beschloss der Staatsrat des Kantons Wallis, dem Rettungsdienst B.________ in C.________ und jenem von A.________ in D.________ provisorisch die Bewilligung zum Betrieb ihrer Rettungsdienste zu entziehen und die KWRO damit zu beauftragen, einen detaillierten Bericht über die beiden Rettungsdienste zuhanden des Departements zu verfassen; das Departement seinerseits habe gestützt auf den Bericht der KWRO einen Staatsratsentscheid in der Sache Rettungsdienste B.________ und A.________ vorzubereiten. 
 
Gegen die Beschlüsse des Staatsrats reichten B.________ und A.________ am 18. November 2002 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Kantonsgericht ein mit dem Antrag auf Aufhebung der Beschlüsse. 
 
Das Kantonsgericht vereinigte die beiden Beschwerden und wies sie mit Urteil vom 6. Juni 2003 ab. Zur Begründung führte es aus, die provisorisch erteilten Bewilligungen vom 14. Februar 2001 seien zeitlich bis zum 30. April 2002 begrenzt gewesen und mit diesem Datum abgelaufen, da sie nicht mehr erneuert worden seien. Der Staatsratsentscheid lasse die untergegangenen Bewilligungen nicht wieder aufleben und er könne auch nicht als Abweisung eines Gesuches um neue Bewilligung verstanden werden, da es hierfür an einem entsprechenden Gesuch fehle. Deshalb brauche das Gericht nicht zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Betriebsbewilligung erfüllt wären oder nicht. 
C. 
Am 28. Juli 2003 haben A.________ und B.________ gegen das Urteil des Kantonsgerichts staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht eingereicht. Sie beantragen, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubehandlung und Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an das Kantonsgericht zurückzuweisen. Gerügt wird die Verletzung des verfassungsmässigen Rechts auf Schutz vor Willkür und auf Wahrung von Treu und Glauben (Art. 9 BV). Überdies wird geltend gemacht, das angefochtene Urteil verletze die Grundrechte der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV), der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV). 
 
In seiner Vernehmlassung vom 24. September 2003 beantragt der Staatsrat des Kantons Wallis die Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Den gleichen Antrag stellt das Kantonsgericht unter Verzicht auf Stellungnahme. 
 
Der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung hat mit Verfügung vom 27. August 2003 einem Gesuch um vorsorgliche Massnahmen dahingehend entsprochen, dass die Beschwerdeführer bis zum Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens den Betrieb ihrer Rettungsdienste weiterführen dürfen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich rein kassatorischer Natur (BGE 129 I 129 E. 1.2.1 S. 131 f.; 127 II 1 E. 2c S. 5; 125 I 104 E. 1b S. 107). Die Notwendigkeit einer neuen Entscheidung ist im Falle der Gutheissung der Beschwerde vorliegend selbstverständlich und ein entsprechender Antrag überflüssig (BGE 112 la 353 E. 3c/bb S. 354 f.). 
1.2 Das Kantonsgericht des Kantons Wallis hat die bei ihm gegen den provisorischen Bewilligungsentzug des Staatsrats eingereichte Beschwerde mit der Begründung abgewiesen, dass eine Bewilligung gar nicht mehr bestehe und der Staatsratsentscheid auch nicht als Abweisung eines Gesuchs um Bewilligung verstanden werden könne, da ein solches nicht vorliege. Das Kantonsgericht hat seinen Entscheid demnach ausschliesslich formal begründet. Soweit mit der staatsrechtlichen Beschwerde die Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots, der Eigentumsgarantie und der Wirtschaftsfreiheit geltend gemacht wird, betreffen diese Ausführungen die materiellen Voraussetzungen der Betriebsbewilligung und gehen am Entscheid des Kantonsgerichts vorbei, weshalb auf diese Rügen nicht einzutreten ist (vgl. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). 
2. 
2.1 Die Beschwerdeführer machen jedoch auch geltend, das Kantonsgericht habe willkürlich und wider Treu und Glauben angenommen, es liege keine Bewilligung mehr vor, nachdem alle Beteiligten von deren Fortbestand über den 30. April 2002 ausgegangen seien; unzutreffend sei namentlich die Annahme, dass die Beschwerdeführer kein Gesuch um Verlängerung der Bewilligung eingereicht hätten. Die Rüge, es sei eine erhebliche aktenkundige Tatsache übersehen worden, kann nicht mit Revision gegen das kantonsgerichtliche Urteil vorgebracht werden. Auf die Bestimmungen von Art. 62 und 63 des Walliser Gesetzes über das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsrechtspflege (VVRG) über die Revision wird in Art. 80 VVRG für das kantonsgerichtliche Beschwerdeverfahren nicht verwiesen; massgebend sind vielmehr die Revisionsbestimmungen der Zivilprozessordnung (Art. 81 VVRG; vgl. Jean-Claude Lugon, Révocation, reconsidération, révision, in: ZBI 90/ 1989 S. 434), welche eine Revision wegen eines Aktenversehens im Unterschied zum Verwaltungsverfahren (Art. 62 Abs. 2 lit. a VVRG) nicht vorsehen. Der kantonale Instanzenzug ist damit erschöpft (Art. 86 Abs. 1 OG). 
2.2 Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft, wobei Willkür nur vorliegt, wenn nicht bloss die Begründung des Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; 123 I 1 E. 4a S. 5 mit Hinweisen). 
2.3 Das Kantonsgericht hat übersehen, dass die Beschwerdeführer ein Gesuch um Verlängerung der Betriebsbewilligung gestellt haben. Die gegenteiligen Ausführungen im angefochtenen Urteil sind aktenwidrig. Der Beschwerdeführer A.________ hat am 3. Dezember 2001 mit der Begründung, er habe nunmehr einen Rettungssanitäter eingestellt, darum ersucht, es sei ihm die bis am 30. April 2002 gültige Betriebsbewilligung zu verlängern. Am 26. Februar 2002 ersuchte er erneut, in Beantwortung eines Schreibens der KWRO, um eine definitive Betriebsbewilligung von mindestens fünf Jahren. Der Beschwerdeführer B.________ seinerseits ersuchte am 10. Dezember 2001 um eine "längerfristige Betriebsbewilligung". Die beiden Gesuche des Beschwerdeführers A.________ befanden sich bereits bei den Akten des Kantonsgerichts, das Gesuch B.________ möglicherweise nicht, muss im bundesgerichtlichen Verfahren aber berücksichtigt werden, da es sich um ein Beweismittel handelt, das hätte Bestandteil der Verfahrensakten bilden müssen (vgl. BGE 100 III 73, wonach im bundesgerichtlichen Verfahren ein Revisionsgrund vorliegt, wenn ein Aktenstück unberücksichtigt bleibt, das zwar nicht bei den Akten lag, das aber Bestandteil der Akten hätte bilden müssen). Das Urteil des Kantonsgerichts, das davon ausgeht, dass kein Gesuch um Betriebsbewilligung hängig war, erweist sich damit als mit der tatsächlichen Sachlage offensichtlich unvereinbar. Es kann sich höchstens fragen, ob im Ergebnis der angefochtene Entscheid trotz aktenwidriger Annahme über die gestellten Gesuche vor dem Willkürverbot standhält. Das ist jedoch nicht der Fall. Zwar trifft zu, dass nach Ablauf der provisorischen Bewilligung am 30. April 2002 keine Bewilligung mehr vorhanden war, die durch den Staatsratsbeschluss hätte entzogen werden können. Doch ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführer rechtzeitig um Verlängerung ersucht haben. Nachdem es die erforderlichen Abklärungen nicht zugelassen haben, vor Ablauf der Bewilligung zu entscheiden, gingen die Beteiligten angesichts der gestellten Gesuche, über die noch nicht entschieden war, stillschweigend davon aus, dass die Bewilligung vorläufig weiterhin Geltung hat. Der Staatsratsentscheid vom 9. Oktober 2002 ist folglich dahin zu verstehen, dass diese provisorische Weitergeltung aufgehoben wird und die beiden Ambulanzunternehmungen bis zu einem definitiven Entscheid über ihre Gesuche nicht mehr befugt sind, ihre Tätigkeit auszuüben. Ob der Staatsrat rechtskonform in diesem Sinne entschieden hat, hätte das Kantonsgericht materiell überprüfen müssen. Damit aber erscheint das Willkürverbot sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis als verletzt. 
3. 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist damit gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Entsprechend diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 156 Abs. 1 und 2 OG). Hingegen hat der Kanton Wallis die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis vom 6. Juni 2003 wird aufgehoben. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Der Kanton Wallis hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Staatsrat und dem Kantonsgericht, Öffentlichrechtliche Abteilung, des Kantons Wallis schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 5. November 2003 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: