Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8F_2/2022  
 
 
Urteil vom 5. Dezember 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch ihren Ehemann, 
Gesuchstellerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst, St. Gallerstrasse 11, 8500 Frauenfeld, 
Gesuchsgegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 20. Dezember 2021 (8C_491/2021 (Entscheid VV.2021.48/E)). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren 1972, war seit 2013 im Betrieb ihres Ehemanns im Bereich Spezialreinigung von Naturstein beschäftigt. Im Mai 2016 meldete sie sich unter Hinweis auf eine vollständige Arbeitsunfähigkeit zufolge einer Duftstoff- und Chemikalienunverträglichkeit bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt auf die Gutachten des Schweizerischen Zentrums für medizinische Abklärungen und Beratungen SMAB, Bern, vom 7. Mai 2018 sowie der Medizinischen Abklärungsstelle MEDAS ABI (Ärztliches Begutachtungsinstitut), Basel, vom 27. Oktober 2020 sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Thurgau mit Verfügung vom 18. Januar 2021 für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2017 eine ganze Invalidenrente zu. Die von A.________ erhobenen Beschwerden wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 26. Mai 2021 und das Bundesgericht mit Urteil vom 20. Dezember 2021 (8C_491/2021) ab. 
 
B.  
A.________ lässt die revisionsweise Aufhebung des Urteils des Bundesgerichts 8C_491/2021 vom 20. Dezember 2021 und die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ab 1. Januar 2017 beantragen. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege lehnte das Bundesgericht mit Verfügung vom 13. April 2022 ab. 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61 BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem Urteil des Bundesgerichts zugrunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich ausgeschlossen. Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer der in den Art. 121 ff. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt (SVR 2014 UV Nr. 22 S. 70, 8F_14/2013 E. 1.1).  
 
 
1.2. Unter dem Titel "Verletzung von Verfahrensvorschriften" kann die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts nach Art. 121 lit. d BGG verlangt werden, wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Kein Revisionsgrund im Sinne von Art. 121 lit. d BGG liegt vor bei einem aus Sicht der rechtssuchenden Person ungenügenden Beachten von sich aus den Akten ergebenden Tatsachen. Selbst wenn die rechtssuchende Person die rechtliche Würdigung als noch so falsch empfindet, liegt kein Revisionsgrund vor. Ein Revisionsverfahren dient nicht dazu, angebliche Rechtsfehler einer neuerlichen Diskussion zuzuführen (BGE 122 II 17 E. 3; Urteil 8F_10/2021 vom 17. November 2021 E. 4 mit Hinweisen). Bei Anrufung des Revisionsgrundes von Art. 121 lit. d BGG ist nach Art. 124 Abs. 1 lit. b BGG eine 30-tägige Frist ab Eröffnung des zu revidierenden Urteils zu wahren.  
 
1.3. Nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG kann des Weiteren um Revision ersucht werden, wenn die Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind. Diese Bestimmung gestattet eine Revision von Urteilen praxisgemäss nur insoweit, als die angerufenen Beweismittel bereits davor beziehungsweise vor dem Zeitpunkt, in dem eine Eingabe im Hauptverfahren prozessual noch zulässig war, entstanden sind (BGE 143 III 272 E. 2.2; Urteile 8F_10/2019 vom 29. August 2019 E. 1.3; 8F_3/2019 vom 26. Februar 2019 E. 1.3; 8F_9/2017 vom 15. Januar 2018 E. 1.2). Die dabei einzuhaltende Frist beträgt 90 Tage seit Entdeckung der neuen Tatsachen oder Beweismittel (Art. 124 Abs. 1 lit. d BGG).  
 
2.  
Gemäss dem Urteil im Hauptverfahren, 8C_491/2021, waren im damals angefochtenen Entscheid keine offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellungen getroffen oder Beweiswürdigungsregeln verletzt worden, indem das kantonale Gericht gestützt auf die von der IV-Stelle eingeholten ABI- und SMAB-Gutachten einen Rentenanspruch (abgesehen von der befristeten Zusprechung vom 1. September bis 31. Dezember 2017) verneint hatte. Eine darüber hinausgehende Arbeitsunfähigkeit sei nicht ausgewiesen, zumal insbesondere mit der von der Gesuchstellerin ins Feld geführten MCSS-Diagnose (Multiple Chemical Sensitivity Syndrome) kein Beweis für eine objektiv begründete Arbeitsunfähigkeit erbracht werden könne (E. 6.1 und 6.3). 
 
3.  
 
3.1. Die Revisionsgesuchstellerin rügt hauptsächlich unter Berufung auf Art. 121 lit. d BGG, dass das Bundesgericht im Urteil 8C_491/2021 in den Akten liegende Beweismittel versehentlich unberücksichtigt gelassen habe, so namentlich Arztberichte und Fachartikel zum MCSS, aber auch hinsichtlich ihrer Schulterbeschwerden sowie ihrer psychotherapeutischen Behandlung (Dr. phil. B.________). Dadurch sei es zu einer falschen Beurteilung der gesundheitlichen Beeinträchtigung und deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit allein gestützt auf die von der IV-Stelle eingeholten, von der Gesuchstellerin als unzutreffend erachteten Gutachten und ungerechtfertigterweise zur Verweigerung ihres Rentenanspruchs gekommen.  
Bei Anrufung des Revisionsgrundes von Art. 121 lit. d BGG wäre eine 30-tägige Frist zur Einreichung des Revisionsgesuchs einzuhalten gewesen (oben E. 1.2). Diese hat die Gesuchstellerin indessen mit der am 18. Februar 2022 bei der Post eingereichten Eingabe versäumt, nachdem ihr das zu revidierende Urteil am 17. Januar 2022 postalisch zugestellt worden ist. Es ist daher insoweit auf ihr Revisionsgesuch nicht einzutreten. 
Im Übrigen bleibt darauf hinzuweisen, dass eine nach Ansicht der Gesuchstellerin unzutreffende Würdigung des Sachverhalts beziehungsweise der bereits damals vorliegenden Beweismittel ohnehin keine Revision zu begründen vermöchte (oben E. 1.2). 
 
3.2. Die Gesuchstellerin verlangt im Übrigen die Revision gestützt auf Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG. Sie beruft sich dabei auf Berichte ihrer behandelnden Ärzte. Soweit diese erst nach dem zu revidierenden Urteil vom 20. Dezember 2021 erstattet wurden (Stellungnahmen des Spitals C.________ vom 2. Februar 2022 sowie des Dr. med. D.________ vom 14. Februar 2022), handelt es sich um echte Noven, die keine Revision gestatten (oben E. 1.3).  
Weitere von der Revisionsgesuchstellerin eingereichte Arztberichte (der Dres. med. E.________ vom 4. August 2021 und F.________ vom 8. August 2021; mehrere Stellungnahmen des Spitals C.________) wurden nach dem im Hauptverfahren angefochtenen kantonalen Entscheid vom 26. Mai 2021 verfasst. Sie gelten ebenfalls als echte Noven, die bereits im Hauptverfahren vor dem Bundesgericht nicht mehr eingebracht werden durften (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.2) und auch keine Revision des bundesgerichtlichen Urteils vom 20. Dezember 2021 zulassen. 
Daran kann die Rüge der Gesuchstellerin, dass ihr im Hauptverfahren zu Unrecht keine Frist zur Ergänzung ihrer Beschwerdebegründung gewährt worden sei, nichts ändern. Eine Ergänzung der Beschwerdeschrift kann vom Bundesgericht nach Art. 43 BGG nur in Fällen internationaler Rechtshilfe in Strafsachen angeordnet werden und sofern zudem, im Sinne einer kumulativen Voraussetzung, der aussergewöhnliche Umfang oder die besondere Schwierigkeit der Beschwerdesache es erfordert (BGE 139 II 404 E. 5). Da sich der im Hauptverfahren zu beurteilende Streit nicht um internationale Rechtshilfe in Strafsachen drehte, war die Anordnung einer Ergänzung der Beschwerdeschrift von vornherein ausgeschlossen. 
Zusammengefasst ist eine Revision des bundesgerichtlichen Urteils 8C_491/2021 vom 20. Dezember 2021 gestützt auf die von der Gesuchstellerin aufgelegten Beweismittel unzulässig. 
Weshalb schliesslich der Bericht des Dr. med. G.________ vom 9. Februar 2021 nicht bereits im kantonalen, mit Entscheid vom 21. Mai 2021 abgeschlossenen Verfahren hätte eingebracht werden können, zeigt die Gesuchstellerin nicht auf und ist nicht erkennbar. Ein Revisionsgrund liegt daher auch insoweit nicht vor. 
 
4.  
Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Revisionsgesuchstellerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Gesuchstellerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 5. Dezember 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo