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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2A.376/2005/leb 
 
Urteil vom 6. Januar 2006 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Betschart, Müller, 
Gerichtsschreiber Hatzinger. 
 
Parteien 
A.________ SA, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Kantonale Steuerverwaltung, 
Bahnhofstrasse 35, Postfach 351, 1951 Sitten, 
Kantonsgericht Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, Justizgebäude, 1950 Sitten. 
 
Gegenstand 
Steuerrecht, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, vom 4. Mai 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der Staatsrat des Kantons Wallis gewährte der A.________ SA, die zu 100 % der B.________ Corporations gehört, in den Jahren 1989 und 1993 Steuererleichterungen für je zehn Jahre. Bedingung hierfür war der Erhalt der Arbeitsplätze und die Weiterführung der Betriebe in den Gemeinden X.________ und Y.________. Da das Unternehmen anfangs 2003 ankündigte, die Produktionsstätten in der Westschweiz zu schliessen, widerrief der Staatsrat die Steuervergünstigungen rückwirkend auf 1994. Die Kantonale Steuerverwaltung verlangte von der A.________ SA eine Sicherheit von 2,75 Mio. Franken für kantonale und kommunale Steuern. Am 22. Januar 2003 forderten der Kanton rund 1,5 Mio. Franken und die Gemeinden ca. 1,2 Mio. Franken Steuern für die Jahre 1994 bis 2001 nach. Die entsprechenden Veranlagungen blieben unangefochten. Am 16. April 2003 ersuchte die A.________ SA die Steuerverwaltung um Revision dieser Veranlagungen bzw. um Feststellung ihrer Nichtigkeit. Die kantonale Kommission für die Einschätzung der juristischen Personen lehnte das Gesuch am 27. Juni 2003 ab. 
B. 
Gegen diesen Entscheid gelangte die A.________ SA an die Steuerrekurskommission des Kantons Wallis, welche die Beschwerde am 22. September 2004 abwies. 
C. 
Die A.________ SA führte gegen deren Urteil Beschwerde beim Kantonsgericht Wallis. Dieses wies das Rechtsmittel am 4. Mai 2005 (Zustellung: 9. Mai 2005) ebenfalls ab. 
D. 
Gegen dieses Urteil hat die A.________ SA am 9. Juni 2005 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neueröffnung eines Nachsteuerverfahrens an die Vorinstanzen zurückzuweisen. Eventualiter hätten diese in einem solchen Verfahren entsprechende neue Einschätzungen zu erlassen bzw. sei die Nichtigkeit der fraglichen Veranlagungen festzustellen. 
 
Das Kantonsgericht und die Kantonale Steuerverwaltung beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Sinngemäss dasselbe verlangt die Eidgenössische Steuerverwaltung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Gegenstand dieses Verfahrens bilden die kantonalen Steuern der Perioden 1994 bis 2001 und die kommunalen Steuern der Jahre 1998 bis 2001. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen einen Entscheid des Kantonsgerichts, der die Ablehnung eines Revisionsgesuchs der Beschwerdeführerin bestätigt hat. Soweit es um die Revision der Veranlagungsverfügungen der Steuerperiode 2001 geht, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig: Die Revision rechtskräftiger Veranlagungen (vgl. Art. 51 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]) fällt in den 5. Titel des Steuerharmonisierungsgesetzes, wofür Art. 73 StHG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorsieht. Soweit der angefochtene Entscheid indes die früheren Perioden 1994 bis 2000 betrifft, kann die Eingabe nur als staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen werden; insofern geht es um Steuerperioden, welche in die Frist fallen, die den Kantonen gemäss Art. 72 Abs. 1 StHG zur Anpassung ihrer Steuergesetze zur Verfügung stand (vgl. StR 57/2002 S. 801, 2P.303/2001, E. 1, mit Hinweisen). Dass die Vorinstanz das angefochtene Urteil mit der Rechtsmittelbelehrung versah, dagegen könne Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht geführt werden, bindet dieses nicht; entscheidend sind vielmehr die gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. BGE 125 II 293 E. 1d S. 300). 
1.2 Mit der staatsrechtlichen Beschwerde kann nach Art. 84 Abs. 1 lit. a OG die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Die Beschwerde muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darstellung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; vgl. BGE 131 I 377 E. 4.3 S. 385; 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f., 26 E. 2.1 S. 31; vgl. auch Urteil 2P.259/2002 vom 6. November 2002, E. 3 in fine). Eine solche Verletzung macht die Beschwerdeführerin aber nicht geltend. Soweit es um die Steuerperioden 1994 bis 2000 geht, ist auf die Beschwerde somit nicht einzutreten. 
2. 
Eine rechtskräftige Verfügung oder ein rechtskräftiger Entscheid kann auf Antrag oder von Amtes wegen zugunsten des Steuerpflichtigen unter anderem revidiert werden, wenn die erkennende Behörde erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel, die ihr bekannt waren oder bekannt sein mussten, ausser Acht gelassen oder in anderer Weise wesentliche Verfahrensgrundsätze verletzt hat (Art. 51 Abs. 1 lit. b StHG). Dieser Bestimmung entspricht wörtlich Art. 154 Abs. 1 lit. b des Walliser Steuergesetzes vom 10. März 1976 (StG/VS); deshalb kommt dem Bundesgericht (hinsichtlich der Steuerperiode 2001) grundsätzlich freie Prüfungsbefugnis zu (vgl. BGE 130 II 202 E. 3.1 S. 205 f.). 
3. 
3.1 Die kantonalen Behörden haben kein Bundesrecht verletzt, indem sie die Revision nicht zuliessen. Das Gesuch scheitert bereits daran, dass die Revision ausgeschlossen ist, wenn der Antragsteller als Revisionsgrund vorbringt, was er bei der ihm zumutbaren Sorgfalt schon im ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können (Art. 51 Abs. 2 StHG; Art. 154 Abs. 2 StG/VS). 
3.1.1 Die Beschwerdeführerin beruft sich auf den Revisionsgrund der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften. Diese erblickt sie darin, dass die Steuerverwaltung kein förmliches Nachsteuerverfahren eingeleitet habe. Die Vorinstanz hat offen gelassen, ob es sich bei den streitigen Veranlagungen um eigentliche Nachsteuerverfügungen handelt. Die Steuerverwaltung veranlagte die Beschwerdeführerin nicht deswegen neu, weil nachträglich neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt wurden, was eine grundsätzliche Voraussetzung für ein Nachsteuerverfahren darstellt (vgl. Art. 53 Abs. 1 StHG und Art. 158 Abs. 1 StG/VS; siehe auch Klaus A. Vallender, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl., Basel etc. 2002, Art. 53 StHG, N. 7); vielmehr stellte die Verwaltung fest, dass die Bedingungen, an welche der Staatsrat die Gewährung der Steuererleichterung im Jahr 1993 geknüpft hatte, weggefallen waren. Diese Feststellung ist nicht gleichbedeutend mit einer neuen Tatsache. 
3.1.2 Wie es sich damit im Einzelnen verhält, kann jedoch offen bleiben. Denn die Beschwerdeführerin konnte entgegen ihrer Ansicht nicht im Unklaren darüber sein, aus welchen Gründen die Steuerverwaltung ihr neue Veranlagungsverfügungen zugestellt hatte. Sie wusste aus dem Schreiben der Verwaltung vom 20. Januar 2003 und aus dem gleichentags eingereichten Sicherstellungsbegehren, dass die Steuererleichterung "avec effet rétroactif dès la décision de son octroi" widerrufen worden war und dass die entsprechenden Steuerbeträge nachgefordert würden. Die betreffenden Veranlagungsverfügungen, die eine Rechtsmittelbelehrung enthielten und deren formgültige Eröffnung die Beschwerdeführerin nicht bemängelt, stellte die Steuerverwaltung dieser am 22. Januar 2003 zu. Nichts hinderte die Beschwerdeführerin, gegen die Verfügungen Einsprache zu erheben, wenn sie der Auffassung war, diese litten an einem Verfahrensmangel oder sie seien materiell unrichtig (vgl. zum Ganzen auch ASA 67 S. 391 E. 3d/e; Vallender, a.a.O., Art. 51 StHG, N. 25). Die Behauptung, die Verwaltung habe sie durch ihr Vorgehen davon abgehalten, gegen die Veranlagungsverfügungen ein Rechtsmittel einzulegen, grenzt an Mutwilligkeit. 
3.2 Von Nichtigkeit dieser Verfügungen kann entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ohnehin keine Rede sein. Fehlerhafte Entscheide sind nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nichtig, wenn der ihnen anhaftende Mangel besonders schwer wiegt, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Als Nichtigkeitsgründe fallen vorab krasse Verfahrensfehler in Betracht sowie die Unzuständigkeit der entscheidenden Behörde (BGE 129 I 361 E. 2.1 S. 363; StR 58/2003 S. 705, 2A.582/2002, E. 2.1, je mit Hinweisen; vgl. auch Vallender, a.a.O., Vorbem. Art. 51-53 StHG, N. 7). Solche Gründe liegen hier nach dem Gesagten nicht vor. 
3.3 Konnte die Beschwerdeführerin ihre Rügen bei der ihr zumutbaren Sorgfalt schon im ordentlichen Verfahren geltend machen, fällt die Revision demnach ausser Betracht. Es bleibt damit auch kein Raum für die beantragten Neueinschätzungen im Nachsteuerverfahren. 
4. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich daher mangels einer Verletzung von Bundesrecht als unbegründet. Es liegt auch keine Verletzung verfassungsmässiger Rechte vor, was mit der staatsrechtlichen Beschwerde allein gerügt werden könnte (vgl. E. 1.2). Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 153, 153a und 156 Abs. 1 OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 159 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 20'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Kantonalen Steuerverwaltung und dem Kantonsgericht Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 6. Januar 2006 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: