Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
1C_435/2014
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Urteil vom 6. Januar 2015
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Chaix,
Gerichtsschreiber Störi.
Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.________, handelnd durch A.________,
3. C.________, handelnd durch A.________,
Beschwerdeführer, alle drei vertreten durch Rechtsanwältin Colette Adam-Zaugg,
gegen
Bundesamt für Migration, Quellenweg 6, 3003 Bern.
Gegenstand
Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung,
Beschwerde gegen das Urteil vom 21. Juli 2014 des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung III.
Sachverhalt:
A.
Der 1977 geborene, aus dem Kosovo stammende A.________ reiste im August 1998 in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch, welches am 7. Februar 2000 abgewiesen wurde.
Am 4. Dezember 2002 heiratete A.________ im Kosovo die 1984 geborene Schweizerin D.________. Am 13. März 2003 reiste er im Rahmen eines Familiennachzugs in die Schweiz ein und erhielt im Kanton Zürich eine Aufenthaltsgenehmigung.
B.
Am 6. Februar 2006 ersuchte A.________ um erleichterte Einbürgerung. Am 20. Februar 2007 unterzeichneten die Ehegatten die Erklärung, wonach sie in einer tatsächlichen, ungetrennten und stabilen ehelichen Gemeinschaft lebten und keine Trennungs- oder Scheidungsabsichten hegten.
Am 13. März 2007 wurde A._______ erleichtert eingebürgert.
Im März 2008 trennten sich die Eheleute A.________-D.________; im September 2008 wurden sie geschieden.
Am 29. April 2009 heiratete A.________ im Kosovo die 1986 geborene Kosovarin E.________.
Am 22. Juni 2009 verfasste die Schweizer Vertretung in Pristina einen Bericht, wonach sie mit dem Familiennachzugsgesuch der neuen Ehefrau von A.________ befasst sei und dabei Auffälligkeiten festgestellt habe.
Am 22. Juni 2010 teilte das Bundesamt für Migration (BFM) A._________ mit, dass es die Eröffnung eines Verfahrens auf Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung erwäge. In der Folge führte das BFM ein solches durch und erklärte die Einbürgerung von A.________ am 24. Januar 2012 für nichtig.
Am 21. Juli 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde von A.________ gegen die Nichtigerklärung seiner Einbürgerung ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, diesen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts aufzuheben und ihm sowie seinen beiden Kindern F.________, geb. 27. März 2011, und G.________, geb. 29. April 2013, das Schweizer Bürgerrecht zu belassen.
D.
Das BFM verzichtet auf Vernehmlassung und beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. A.________ verzichtet auf eine Replik.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG ). Die Ausnahme der ordentlichen Einbürgerungen nach Art. 83 lit. b BGG erstreckt sich nicht auf die Nichtigerklärung der Einbürgerung. Es liegt auch keine der übrigen Ausnahmen von Art. 83 BGG vor. Der Beschwerdeführer hat sich am Verfahren vor der Vorinstanz beteiligt und ist beschwerdelegitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
2.1. Gemäss Art. 27 Abs. 1 BüG kann ein Ausländer nach der Eheschliessung mit einer Schweizerin ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn er insgesamt fünf Jahre in der Schweiz gewohnt hat, seit einem Jahr hier wohnt und seit drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit der Schweizerin lebt. Art. 26 Abs. 1 BüG setzt ferner in allgemeiner Weise voraus, dass der Bewerber in der Schweiz integriert ist (lit. a), die schweizerische Rechtsordnung beachtet (lit. b) und die innere und äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet (lit. c). Alle Einbürgerungsvoraussetzungen müssen sowohl im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung als auch in demjenigen der Einbürgerungsverfügung erfüllt sein (BGE 140 II 65 E. 2.1).
2.2. Nach Art. 41 Abs. 1 BüG kann die Einbürgerung vom Bundesamt mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. Das blosse Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen genügt nicht.
Die Nichtigerklärung der Einbürgerung setzt vielmehr voraus, dass diese "erschlichen", das heisst mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist (BGE 132 II 113 E. 3.1 S. 115). Arglist im Sinne des strafrechtlichen Betrugstatbestands ist nicht erforderlich. Immerhin ist notwendig, dass der Betroffene bewusst falsche Angaben macht bzw. die Behörde bewusst in einem falschen Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich zieht, es unterlassen zu haben, die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu informieren (BGE 135 II 161 E. 2 S. 165; 132 II 113 E. 3.1 S. 115).
Bei der Nichtigerklärung einer erleichterten Einbürgerung ist deshalb von der Behörde zu untersuchen, ob die Ehe im massgeblichen Zeitpunkt der Gesuchseinreichung und der Einbürgerung tatsächlich gelebt wurde. Im Wesentlichen geht es dabei um innere Vorgänge, die der Behörde oft nicht bekannt und schwierig zu beweisen sind. Sie kann sich daher veranlasst sehen, von bekannten Tatsachen (Vermutungsbasis) auf unbekannte (Vermutungsfolge) zu schliessen. Es handelt sich dabei um Wahrscheinlichkeitsfolgerungen, die aufgrund der Lebenserfahrung gezogen werden (BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 485 f.). Der Betroffene ist bei der Sachverhaltsabklärung mitwirkungspflichtig (BGE 135 II 161 E. 2 S. 166; 130 II 482 E. 3.2 S. 486).
2.3. Die tatsächliche Vermutung betrifft die Beweiswürdigung und bewirkt keine Umkehrung der Beweislast (BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 486). Begründet die kurze Zeitspanne zwischen der erleichterten Einbürgerung einerseits und der Trennung oder Einleitung einer Scheidung andererseits die tatsächliche Vermutung, es habe schon bei der Einbürgerung keine stabile eheliche Gemeinschaft mehr bestanden, so muss der Betroffene deshalb nicht das Gegenteil beweisen. Es genügt, wenn er einen Grund anführt, der es als plausibel erscheinen lässt, dass er bei der Erklärung, wonach er mit seiner Schweizer Ehepartnerin in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft lebt, nicht gelogen hat. Bei diesem Grund kann es sich um ein ausserordentliches, nach der Einbürgerung eingetretenes Ereignis handeln, welches zum raschen Scheitern der Ehe führte, oder um das fehlende Bewusstsein des Gesuchstellers bezüglich bestehender Eheprobleme im Zeitpunkt der Einbürgerung (BGE 135 II 161 E. 2 S. 166 mit Hinweisen).
2.4. Gemäss dem am 1. März 2011 in Kraft getretenen Art. 41 Abs. 1bis BüG (in der Fassung vom 25. September 2009; AS 2011 347) kann die Einbürgerung innert zwei Jahren, nachdem das Bundesamt vom rechtserheblichen Sachverhalt Kenntnis erhalten hat, spätestens aber innert acht Jahren nach dem Erwerb des Schweizer Bürgerrechts nichtig erklärt werden. Nach jeder Untersuchungshandlung, die der eingebürgerten Person mitgeteilt wird, beginnt eine neue zweijährige Verjährungsfrist zu laufen. Die Fristen stehen während eines Beschwerdeverfahrens still. Die Neuregelung löste die frühere fünfjährige Frist ab (vgl. AS 1952 1087; BGE 140 II 65 E. 2.3).
3.
3.1. Nach den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner ersten Ehefrau war ihre Ehe intakt bis im Sommer 2007, als es während der Ferien in Tunesien zum irreparablen Zerwürfnis gekommen sei. Die Ehefrau sei krank geworden und habe das Hotelzimmer nicht verlassen können; der Beschwerdeführer habe für ihre Situation keinerlei Verständnis aufgebracht, auf der Durchführung der geplanten Ausflüge beharrt und sie dadurch tief verletzt. Sie hätten sich dann im März 2008 getrennt.
3.2. Die Chronologie der Ereignisse erweckt starke Zweifel daran, dass die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und seiner ersten Ehefrau am 20. Februar 2007, als sie gemeinsam erklärten, in einer stabilen Ehe zu leben, effektiv noch intakt bzw. auf Dauer angelegt war. Es erscheint wenig plausibel, dass sich der zuvor liebenswerte und verständnisvolle Ehemann während der Sommerferien 2007 urplötzlich zum rücksichtslosen Egoisten gewandelt haben soll; viel näher liegt, dass schon länger - jedenfalls bereits im Februar 2007 - vorbestehende Unstimmigkeiten zwischen den Eheleuten während der Ausnahmesituation in den Ferien aufbrachen.
Die plötzliche Verhaltensänderung des Beschwerdeführers könnte indessen auch einen ganz anderen Hintergrund haben. Nach den Angaben seiner zweiten Ehefrau gegenüber der Schweizer Botschaft im Kosovo verlobten sie sich bereits im Februar 2008. Eine Scheidung dauert auch im besten Fall - mit Zustimmung der Ehefrau - mehrere Monate. Es liegt damit nahe, dass der Beschwerdeführer schon früh im Verlauf des Jahres 2007 seine Scheidung plante und während der Sommerferien in die Wege leitete, indem er seine Ehe mutwillig zerstörte, um zügig scheiden und eine neue Ehe eingehen zu können.
So oder so sind die Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet, die sich aus der Chronologie der Ereignisse aufdrängende Vermutung, seine erste Ehe sei im Februar 2007, als er die "gemeinsame Erklärung" unterschieb, bereits nicht mehr intakt gewesen, sondern zumindest vom Beschwerdeführer innerlich bereits aufgegeben worden, plausibel zu widerlegen.
3.3. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Nichtigerklärung der Einbürgerung sei unverhältnismässig.
Wie anderes Verwaltungshandeln auch, ist die Zulässigkeit der Nichtigerklärung einer Einbürgerung am Gesetzeszweck und ergänzend am Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu messen (BGE 140 II 65 E. 4.2; 135 II 161 E. 5.4 S. 171).
Vorliegend sind keine Gründe ersichtlich, welche die Nichtigerklärung der Einbürgerung des Beschwerdeführers, die sich nach der gesetzlichen Regelung von Art. 41 Abs. 3 BüG auch auf seine beiden kleinen Kinder erstreckt, unverhältnismässig erscheinen lassen. Dass er seit rund 12 Jahren in der Schweiz lebt und jedenfalls beruflich sehr gut integriert ist, ändert daran nichts. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der weitere Verbleib des Beschwerdeführers und seiner Familie in der Schweiz nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind; darüber wird nach dem Eintritt der Rechtskraft der Nichtigerklärung die zuständige Migrationsbehörde in Anwendung des Ausländerrechts erst noch zu befinden haben.
3.4. Das Bundesverwaltungsgericht hat somit kein Bundesrecht verletzt, indem es die Beschwerde gegen die Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung abwies. Die Beschwerde ist unbegründet.
4.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Migration und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. Januar 2015
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Störi