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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_231/2022  
 
 
Urteil vom 6. Januar 2025  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Koch, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Hurni, Kölz, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Theodor Georg Seitz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel, 
2. B.________, 
vertreten durch Advokat Christoph Dumartheray, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Versuchte vorsätzliche Tötung, mehrfache versuchte schwere Körperverletzung, etc.; Strafzumessung; Willkür; Zivilforderungen etc., 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Kammer, vom 9. Juni 2022 (SB.2021.37). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte A.________ am 8. September 2020 wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, mehrfacher versuchter schwerer Körperverletzung, Raufhandels und mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von 5 1/4 Jahren sowie zu einer Busse von Fr. 300.--. Zudem sprach es eine Landesverweisung von 10 Jahren aus. Weiter verpflichtete es A.________, unter anderem B.________ eine Genugtuung von Fr. 8'000.-- zzgl. Zins zu bezahlen. 
 
B.  
Auf Berufung unter anderem von A.________, der Staatsanwaltschaft und C.________ hin erklärte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil vom 9. Juni 2022 A.________ der versuchten vorsätzlichen Tötung, der mehrfachen versuchten schweren Körperverletzung, des Raufhandels und der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 5 1/4 Jahren sowie zu einer Busse von Fr. 300.--. Zudem bestätigte es die erstinstanzlich angeordnete Landesverweisung von 10 Jahren und die Verurteilung von A.________ zur Bezahlung der unter A. erwähnten Genugtuungsforderung. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 24. November 2022 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Urteils des Appellationsgerichts vom 9. Juni 2022. Er sei in allen Punkten freizusprechen, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung, insbesondere betreffend die Strafzumessung, an die Vorinstanz zurückzuweisen. C.________ sei zu verpflichten, ihm eine Genugtuung von Fr. 10'000.-- zzgl. 5 % Zins seit dem 27. Mai 2018 zu bezahlen. Zudem seien ihm die beschlagnahmten Fr. 1'500.-- zurückzugeben und die DNA-Profile zu löschen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid in Strafsachen ist unter Vorbehalt der nachstehenden Erwägungen grundsätzlich einzutreten (Art. 42 Abs. 1, Art. 46 Abs. 1, Art. 78, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Soweit der Beschwerdeführer auf seine Ausführungen vor der Erst- und Vorinstanz verweist und seine Plädoyers als integrierte Bestandteile seiner Beschwerde erklärt, ist er nicht zu hören. Die Begründung der Beschwerde muss in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein. Der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten reicht nicht aus (BGE 143 IV 122 E. 3.3 mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer kritisiert die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung und rügt eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo". Er sei völlig unverschuldet in die mit Stichwaffen geführte Auseinandersetzung zwischen zwei sich rivalisierenden Gruppierungen im Mai 2018 geraten und sämtliche Abwehrhandlungen seien in der legitimen Absicht erfolgt, sein Leben während mehreren, völlig unerwarteten körperlichen Angriffen zu verteidigen. Er habe nie ein Messer behändigt, in der Hand gehalten bzw. auf jemanden eingestochen. Das einzige, was er getan habe, sei sich gegen drohende Messerattacken mit abwehrenden Handbewegungen zu verteidigen.  
 
2.2. Das Bundesgericht ist als oberste Recht sprechende Behörde (Art. 1 Abs. 1 BGG) keine strafrechtliche Berufungsinstanz, die eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht vornimmt oder die vorinstanzliche Beweiswürdigung mit freier Kognition überprüft (BGE 148 IV 409 E. 2.2; 145 IV 154 E. 1.1). Es legt seinem Urteil vielmehr den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann es nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist. Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, das heisst, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 148 IV 39 E. 2.3.5, 356 E. 2.1; 146 IV 88 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).  
Die Willkürrüge muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 39 E. 2.6; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1; je mit Hinweisen). 
Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 148 IV 409 E. 2.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 E. 1.1; je mit Hinweisen). 
 
2.3. Die Beschwerde genügt über weite Strecken den Begründungsanforderungen nicht. Der Beschwerdeführer schildert in seinen Ausführungen frei seine eigene Sicht der Dinge und ergänzt damit den durch die Vorinstanz festgestellten Sachverhalt nach Belieben. Dabei macht er wiederholt geltend, die Vorinstanz habe den Sachverhalt "unzutreffend", "offensichtlich unrichtig", "tatsachenwidrig" oder "willkürlich" festgestellt. Inwiefern die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen indes tatsächlich offensichtlich unrichtig und damit willkürlich sein sollen, zeigt der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar und substanziiert auf. In seinen Rügen beschränkt er sich im Wesentlichen darauf, zu betonen, dass seine Identifizierung an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung und nur mit Hilfe von Fotos "stpo-widrig", sehr zweifelhaft und alles andere als überzeugend sei. Seine Erklärungen, wie seine DNA auf die Messer und auf die Kleidungsstücke des Opfers habe gelangen können, nämlich dass diese durch "tatsächliche Abwehrbewegungen entstanden sein mussten", was "sehr einleuchtend sei", stellen lediglich Wiederholungen seiner Verteidigung vor der Vorinstanz dar und erschöpfen sich in appellatorischer Kritik. Seine Beanstandungen des durch die Vorinstanz festgestellten Sachverhalts genügen somit in keiner Weise den hohen Begründungsanforderungen an eine Willkürrüge. Es ist daher vollumfänglich vom Sachverhalt auszugehen, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat, und der Beschwerdeführer ist nicht zu hören, soweit er seine Rügen auf einen Sachverhalt stützt, der in den Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils keine Grundlage findet.  
Unabhängig davon würden diese Vorbringen nichts daran ändern, dass die Vorinstanz bei der vorliegenden Beweislage mit ihren Sachverhaltsfestsellungen das Willkürverbot nicht verletzt. Es wurden DNA-Spuren des Beschwerdeführers auf den Messern festgestellt, zudem konnte der Beschwerdeführer anhand von Fotos, insbesondere aufgrund seiner auffälligen Frisur, identifiziert und mit den ihm vorgeworfenen Tathandlungen in Verbindung gebracht werden. Bei dieser Beweislage durfte die Vorinstanz ohne in Willkür zu verfallen zum Schluss gelangen, der Beschwerdeführer habe im Kampfgeschehen auf B.________, D.________ und C.________ eingestochen 
 
2.4. Die Willkürrüge des Beschwerdeführers erweist sich als unbegründet, soweit überhaupt darauf einzutreten ist.  
 
3.  
In rechtlicher Hinsicht wendet sich der Beschwerdeführer, soweit verständlich, gegen die Verurteilung wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, mehrfacher versuchter schwerer Körperverletzung, Raufhandels und der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes. Er macht insbesondere geltend, die Vorinstanz habe sich mit der "subjektiven Seite der vorgeworfenen Delikte nicht substanziiert auseinandergesetzt". In willkürlicher Weise sei einfach angenommen worden, der Eventualvorsatz sei gegeben. Indessen handle es sich um eine "klassische Notwehr". Damit zeigt der Beschwerdeführer aber nicht auf, inwiefern die rechtliche Würdigung der Vorinstanz hinsichtlich der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Delikte bundesrechtswidrig sein soll. Er kommt seiner Begründungspflicht nicht ansatzweise nach. Darauf ist folglich nicht weiter einzutreten. Der vorinstanzliche Schuldspruch wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, mehrfacher versuchter schwerer Körperverletzung, Raufhandels und der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes ist rechtens. 
Damit erübrigt sich auch der Antrag des Beschwerdeführers, das Bundesgericht habe einen Sachverständigen zu bestellen und diesen zu beauftragen, gutachterlich festzustellen, ob mit der dem Gesetz entsprechenden Rechtssicherheit ausgeschlossen werden könne, dass die auf den Tatwaffen aufgefundenen DNA-Spuren von ihm nur von blossen Abwehrhandlungen herrührten. 
 
4.  
Soweit der Beschwerdeführer überdies in rein appellatorischer Weise geltend macht, die Vorinstanz habe sein Verschulden "nicht richtig" im Sinne von Art. 47 StGB bemessen und diesen Gesetzesartikel unrichtig angewendet, kann auf die Beschwerde ebenfalls nicht eingetreten werden. Dasselbe gilt auch für seine übrigen unsubstanziierten Anträge hinsichtlich der Verpflichtung von C.________ zu einer Genugtuung von Fr. 10'000.-- an ihn sowie die Rückzahlung von Fr. 1'500.--. 
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er beantragt die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Deren Gewährung setzt jedoch insbesondere voraus, dass die gestellten Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheinen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, weshalb das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abzuweisen ist. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers wird mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung getragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. Januar 2025 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Koch 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier