Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2P.202/2005 /vje
Urteil vom 6. Februar 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.
Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Dr. Rolf P. Jetzer und Dr. Christian P. Meister, Rechtsanwälte,
gegen
Kanton Luzern, 6014 Littau, vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hess,
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Abgaberechtliche Abteilung, Obergrundstrasse 46,
6002 Luzern,
Y.________ AG,
Z.________ AG,
Beschwerdegegnerinnen,
Gegenstand
Art. 9 BV (öffentliche Ausschreibung),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 1. Juli 2005.
Sachverhalt:
A.
Am 6. Dezember 2004 schrieb der Kanton Luzern unter Federführung der zum Finanzdepartement gehörenden Dienststelle "Lehrmittelverlag/Drucksachen- und Materialzentrale" die Erneuerung der Rahmenverträge für Dokumentenoutput-Geräte (Kopier- und Druckgeräte) für die kantonale Verwaltung und die kantonalen Gerichte im offenen Verfahren öffentlich aus. Die Ausschreibung betraf "die zur Verfügungstellung und Integration von Multifunktionsgeräten und Druckern". Anschliessend sollten die Geräte während der Vertragsdauer (36 oder 48 Monate) gewartet und unterhalten sowie der Support gewährleistet werden (Ziff. 2.1 der Ausschreibungsunterlagen). Als "Muss-Spezifikationen" der Standard-Gerätepalette wurden u.a. bestimmte minimale Druckgeschwindigkeiten verlangt (Ziff. 6.2). Des Weiteren wurde ausgeführt, es könnten nur Angebote berücksichtigt werden, welche die Anforderungen "vollständig" erfüllen (Ziff. 4.6). Ziff. 4.7 der Ausschreibungsunterlagen sah sodann vor, dass alle Angebote in einer Vorselektion auf Vollständigkeit und Erfüllung der "Musskriterien" bewertet werden; Angebote, welche "diese Kriterien" nicht erfüllten, fallen "ausser Betracht". Bei mehr als acht Angeboten werden maximal die vier Besten zur weiteren Evaluation ausgewählt. Unter den verbleibenden Angeboten wird dasjenige mit dem besten Preis-/Leistungsverhältnis berücksichtigt. Die Aufteilung der Beschaffung auf mehrere Anbieter bleibt vorbehalten (Ziff. 2.3, am Ende).
B.
Gestützt auf diese Ausschreibung reichten 13 Unternehmungen ein Angebot ein, darunter die Z.________ AG, A.________, die Y.________ AG, B.________, und die X.________ AG, C.________. Die Angebote dieser drei Unternehmungen kamen in die Schlussevaluation.
Am 10. Mai 2005 traf der Regierungsrat des Kantons Luzern den Zuschlagsentscheid. In seinem Auftrag vergab die Dienststelle "Lehrmittelverlag/Drucksachen- und Materialzentrale" den Rahmenvertrag 1 für Fr. 6'900'000.-- an die Z.________ AG und den Rahmenvertrag 2 für Fr. 7'000'000.-- an die Y.________ AG. Die dritte sich in der engeren Auswahl befindende Unternehmung, die X.________ AG, C.________, ging leer aus (vgl. Zuschlagsverfügung vom 10. Mai 2005). Ihre gegen den Zuschlag erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 1. Juli 2005 ab. Das Gericht hielt den Einwand, die beiden berücksichtigten Anbieterinnen hätten wegen Nichterfüllung bestimmter "Musskriterien" vom Verfahren ausgeschlossen werden müssen, für unbegründet.
C.
Mit Eingabe vom 15. August 2005 führt die X.________ AG staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 1. Juli 2005 aufzuheben und die Rechtswidrigkeit der Zuschlagsverfügung vom 10. Juli 2005 festzustellen; eventuell sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern zurückzuweisen.
Der Kanton Luzern beantragt, die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei bzw. soweit sie nicht infolge Wegfalls eines rechtserheblichen Interesses als erledigt erklärt werden könne. Die Beschwerdegegnerinnen schliessen sich den Anträgen des Kantons Luzern an. Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne.
D.
Mit Verfügung vom 5. September 2005 wies der Abteilungspräsident das gleichzeitig mit der Beschwerdeeinreichung gestellte Gesuch um vorsorgliche Massnahmen (aufschiebende Wirkung) ab.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid, der sich auf kantonales Submissionsrecht stützt und gegen den mangels Zulässigkeit eines anderen eidgenössischen Rechtsmittels nur die staatsrechtliche Beschwerde offen steht (Art. 84 Abs. 2, Art. 86 und Art. 87 OG ).
1.2 Die Beschwerdeführerin war am vorliegenden kantonalen Submissionsverfahren beteiligt und ist als übergangene Bewerberin zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG). Ist der Zuschlagsentscheid schon in Vollzug gesetzt und mit dem (bzw. den) ausgewählten Konkurrenten - wie vorliegend aufgrund der Abweisung des Gesuches um aufschiebende Wirkung und der Ausführungen in den Vernehmlassungen des Kantons angenommen werden darf - bereits ein Vertrag abgeschlossen worden, kann nur noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der "angefochtenen Verfügung" verlangt werden (vgl. Art. 9 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt [Binnenmarktgesetz, BGBM; SR 943.02], BGE 125 II 86 E. 5b S. 97 f.). Der Antrag in der staatsrechtlichen Beschwerde kann insoweit nur noch auf Aufhebung des angefochtenen Rechtsmittelentscheides sowie auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der ergangenen Zuschlagsverfügung lauten (ausführlich zum Umfang des Feststellungsanspruchs BGE 130 II 258 E. 1.2 S. 261), wie dies dem gestellten Hauptantrag entspricht. Soweit die Beschwerdeführerin die explizite Rückweisung der Sache an das Verwaltungsgericht verlangt, kann darauf nicht eingetreten werden (kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde, BGE 129 I 173 E. 1.5 mit Hinweisen).
1.3 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 110 Ia 1 E. 2 S. 3 f.). Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 107 Ia 186 E. b).
2.
Gemäss § 5 des kantonalen Gesetzes vom 19. Oktober 1998 über die öffentlichen Beschaffungen werden Aufträge an die Anbieterin mit dem wirtschaftlich günstigsten Angebot vergeben. Das wirtschaftlich günstigste Angebot ergibt sich aus dem besten Preis-Leistungsverhältnis, wobei bestimmte Kriterien (insbesondere Qualität, Preis, Termin, Garantie- und Unterhaltsleistungen, Kundendienst, Infrastruktur, Erfahrung, Bonität, Betriebskosten, Folgekosten, technischer Wert, Zweckmässigkeit, Dauerhaftigkeit, Ökologie und Umweltverträglichkeit, Ästhetik und Kreativität) berücksichtigt oder besonders gewichtet werden können.
Das von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügte Transparenzgebot (vgl. BGE 125 II 86 E. 7c S. 101 f.) verlangt, dass die Kriterien für die Zulassung von Offerten und für deren Bewertung zum Voraus in genügend bestimmter Weise bekannt gegeben und von der vergebenden Behörde alsdann auch befolgt werden. Die Ausschreibungsunterlagen sollen so abgefasst sein, dass nach Wortlaut und Begriffsverwendung bei aufmerksamer Lektüre möglichst keine Missverständnisse entstehen können.
Dass die Vorgaben in der Ausschreibung an sich genügend bestimmt waren, wird vorliegend von keiner Seite in Frage gestellt. Es geht einzig darum, ob sich die Vergabebehörde bei der Evaluation der Angebote daran gehalten hat. Ob das Verwaltungsgericht die Auslegung der Vorgaben in der Ausschreibung in einer zulässigen Weise ausgelegt hat, prüft das Bundesgericht einzig unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots (vgl. Urteil 2P.1/2004 vom 7. Juli 2004, E. 3.1). Die behauptete Verletzung von Gesetzesbestimmungen kann nach Art. 84 OG keinen selbständigen Beschwerdegrund bilden. Die Rüge der Verletzung von Konkordats- und Staatsvertragsrecht geht hier, soweit sie überhaupt genügend begründet ist (vgl. E.1.3), in der Willkürrüge auf.
3.
3.1 Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; 127 I 60 E. 5a S. 70; 125 II 129 E. 5b S. 134).
3.2 Die in Ziff. 4.6 und Ziff. 4.7 der Ausschreibungsunterlagen verwendeten Formulierungen (vgl. vorne "A.") könnten in der Tat zum Schluss zwingen, dass die Angebote der beiden anderen Konkurrentinnen - weil gewisse Geräte die verlangte technische Leistungsfähigkeit (Druckgeschwindigkeit) nicht erreichen (vgl. S. 8 oben des angefochtenen Entscheides) - hätten ausgeschieden werden müssen, wie dies die Beschwerdeführerin verlangt.
Die Überlegungen, welche das Verwaltungsgericht zum gegenteiligen Schluss führten, sind jedoch nicht unhaltbar: Zwar erscheint sein Hinweis auf den Umstand, dass es in der vorliegenden Submission nur um den Abschluss von Rahmenverträgen für künftige Leistungen und noch nicht um den Erwerb von Geräten eines bestimmten Typs gehe (womit die allfällige Beschaffung anderer, neuerer Geräte anstelle der effektiv geprüften vorbehalten bleibe), nicht ohne weiteres nachvollziehbar, weil dadurch der Sinn der hier streitigen technischen Spezifikationen bis zu einem gewissen Grad überhaupt in Frage gestellt wird. Auch die seitens der Vergebungsinstanz postulierte Unterscheidung zwischen "Muss-Kriterien" und "Muss-Spezifikationen" ist schwer verständlich, zumal eine solche Unterscheidung zu Missverständnissen Anlass geben kann. Die Ausschreibung hätte in diesem Punkt klarer abgefasst werden sollen. Es wäre aber Sache der Beschwerdeführerin gewesen, sich durch eine (allenfalls informelle) Rückfrage bei der Vergebungsinstanz hierüber ins Bild zu setzen. Gemäss Ziff. 4.2 der Ausschreibungsunterlagen war sie "bei Unklarheiten der zu erbringenden Leistungen oder bei Widersprüchen im Pflichtenheft" sogar dazu verpflichtet, beim Auftraggeber weitere Informationen einzuverlangen.
Entscheidend ins Gewicht fällt jedoch, dass alle Offerenten einer Stellungnahme der Vergebungsbehörde entnehmen konnten, dass bezüglich der - vom Auftraggeber bewusst "am oberen Limit" definierten - Druckgeschwindigkeit für das Gerät MC3 eine "Minderseitenleistung von 15 % ohne Auswirkung auf die Bewertung akzeptiert" werde. Daraus war nicht bloss zu folgern, dass die vollumfängliche Einhaltung der unter den "Muss-Spezifikationen" geforderten Druckgeschwindigkeit (Ziff. 6.2 der Ausschreibungsunterlagen) keine absolute Bedingung war, sondern die Formulierung "ohne Auswirkung auf die Bewertung" konnte auch den Schluss erlauben, dass ausserhalb der genannten Marge liegende, noch tiefere Druckgeschwindigkeiten nicht die Ausscheidung der Offerte, sondern bloss eine schlechtere Bewertung dieses Kriteriums zur Folge haben würden.
Das Verwaltungsgericht verweist sodann, gestützt auf einen entsprechenden Literaturbeleg, darauf, dass bei Ausschreibungen im Informatik-Bereich üblicherweise zwischen "Muss-", "KO"- (Knock out) und "Wunschkriterien" unterschieden werde, wobei "Muss-Kriterien" zumindest in einem tolerierbaren Ausmass zu erfüllen seien, während Anforderungen, die unabdingbar zu 100 % erfüllt sein müssten, als so genannte "KO-Kriterien" gälten. Eine Relativierung der in der Ausschreibung festgelegten technischen Anforderungen an die Geräte war damit auch unter diesem Aspekt der Branchenüblichkeit nicht zum vornherein ausgeschlossen.
3.3 Hervorzuheben bleibt im Übrigen, dass die Beschwerdeführerin nicht geltend macht, dass die technischen Vor- und Nachteile der offerierten Geräte bei der Evaluation falsch bewertet worden seien; sie rügt bloss, dass die Konkurrenzofferten wegen Nichteinhaltung der "Muss-Kriterien" hätten ausgeschlossen werden müssen. Die Beschwerdeführerin bringt auch nicht etwa vor, dass sie eine andere bzw. günstigere Offerte eingereicht hätte, wenn die Zulässigkeit der Abweichung von gewissen "Muss-Spezifikationen" von Anfang an klar bekannt gegeben worden wäre.
4.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann: Auch wenn die oben wiedergegebenen Formulierungen in den Ausschreibungsunterlagen ihrem Wortlaut nach an sich dahin zu verstehen waren, dass die "Muss-Spezifikationen" als Voraussetzung der Gültigkeit der Offerte zwingend einzuhalten waren, erscheint der gegenteilige Standpunkt von Vergebungsbehörde und Verwaltungsgericht nicht geradezu unhaltbar und willkürlich.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG ). Der Kanton Luzern hat keinen Anspruch auf Parteikostenersatz (Art. 159 Abs. 2 OG analog), ebenso wenig die beiden Beschwerdegegnerinnen, die nicht anwaltlich vertreten waren.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 20'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kanton Luzern (Finanzdepartement) und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. Februar 2006
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: